Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0296
DOI Heft:
Nr. 33
DOI Artikel:Grosz., Karl: Fritz von Miller
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JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST
No. 33
dacht, der Meister entwirft und denkt mit
seinen Werkzeugmöglichkeiten, aufbauend
auf den Errungenschaften der Tüchtigsten
seines Handwerks.
Die Gotik aber verknöcherte schliefzlich und es
zog eine neue Zeit herauf?
Zu den Ohren der Maler und Bildhauer dazumal
drang die Kunde von einer neuen Kunst im Lande
Italien. Wer von ihnen nur irgend konnte, zog dahin
und kam zurück als ein Apostel der Renaissance.
Der Goldschmied in seiner Werkstätte und seine
Zunft hatten sich zunächst nicht weiter darum ge-
kümmert, ihr schöpferischer Drang war eingeschlafen.
Dieses Stehenbleiben war der Anfang vom Ende
der reinen We’rkstattkunst, denn von da an geriet
der Goldschmied in die Abhängigkeit der Bildhauer
und Maler. Diese machten ihm nun Entwürfe in
dem neuen Stil und wurden seine Dirigenten.
All die köstlichen Wirkungen, welche vorher der
Goldschmied in seiner Schaffensfreude dem Metall
abgelauscht hatte, wurden nun langsam und sicher
zu Grabe getragen.
Die prächtigen Buckelwirkungen der Gotik werden
missverstanden und lahm in der Form. Der Aufbau
der Geräte, erst dem Hammerschlag entsprungen,
weicht nun den auf dem Papier erfundenen Formen
mit Renaissanceprofilen, die dem Metall aufgezwungen
werden. Die feinsinnige Profilierung durch Drähte
in der Gotik, die liebevolle Erfindung von Blumen
und Blattwerk aus gesägtem und gebogenem Blech
verschwindet; so etwas kann man auch nur am
Werktisch erfinden.
Dafür kommt das gezeichnete Ornament, als
Treib- oder Gufzarbeit ausgeführt, welches nicht aus
der Freude an der glitzernden Wirkung des Metalls
entstanden, sondern mehr „literarisch" erfunden ist.
Wenn nun auch während der Renaissance und
durch Barock, Rokoko und Empire hindurch, bis in
die Biedermeierzeit hinein, sich echte Werkstattkunst,
meist als sogenannte „Volkskunst" immer noch er-
halten hat, so schmolz sie doch immer mehr zu-
sammen, bis die letzten Nachkömmlinge der alten
Goldschmiedemeister verschwanden vor der auf-
gehenden Sonne der „Fabrikation".
Es hatte sich somit bitter gerächt, dafz die Gold-
schmiedemeister der Spätgotik nicht mehr frisch
genug waren, die Anregungen der Renaissance in
echten Goldschmiedestil zu zwingen.
Das Ergebnis dieser 300jährigen „Abwärtsent-
wickelung" waren schliefzlich Mitte des vorigen Jahr-
JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST
No. 33
dacht, der Meister entwirft und denkt mit
seinen Werkzeugmöglichkeiten, aufbauend
auf den Errungenschaften der Tüchtigsten
seines Handwerks.
Die Gotik aber verknöcherte schliefzlich und es
zog eine neue Zeit herauf?
Zu den Ohren der Maler und Bildhauer dazumal
drang die Kunde von einer neuen Kunst im Lande
Italien. Wer von ihnen nur irgend konnte, zog dahin
und kam zurück als ein Apostel der Renaissance.
Der Goldschmied in seiner Werkstätte und seine
Zunft hatten sich zunächst nicht weiter darum ge-
kümmert, ihr schöpferischer Drang war eingeschlafen.
Dieses Stehenbleiben war der Anfang vom Ende
der reinen We’rkstattkunst, denn von da an geriet
der Goldschmied in die Abhängigkeit der Bildhauer
und Maler. Diese machten ihm nun Entwürfe in
dem neuen Stil und wurden seine Dirigenten.
All die köstlichen Wirkungen, welche vorher der
Goldschmied in seiner Schaffensfreude dem Metall
abgelauscht hatte, wurden nun langsam und sicher
zu Grabe getragen.
Die prächtigen Buckelwirkungen der Gotik werden
missverstanden und lahm in der Form. Der Aufbau
der Geräte, erst dem Hammerschlag entsprungen,
weicht nun den auf dem Papier erfundenen Formen
mit Renaissanceprofilen, die dem Metall aufgezwungen
werden. Die feinsinnige Profilierung durch Drähte
in der Gotik, die liebevolle Erfindung von Blumen
und Blattwerk aus gesägtem und gebogenem Blech
verschwindet; so etwas kann man auch nur am
Werktisch erfinden.
Dafür kommt das gezeichnete Ornament, als
Treib- oder Gufzarbeit ausgeführt, welches nicht aus
der Freude an der glitzernden Wirkung des Metalls
entstanden, sondern mehr „literarisch" erfunden ist.
Wenn nun auch während der Renaissance und
durch Barock, Rokoko und Empire hindurch, bis in
die Biedermeierzeit hinein, sich echte Werkstattkunst,
meist als sogenannte „Volkskunst" immer noch er-
halten hat, so schmolz sie doch immer mehr zu-
sammen, bis die letzten Nachkömmlinge der alten
Goldschmiedemeister verschwanden vor der auf-
gehenden Sonne der „Fabrikation".
Es hatte sich somit bitter gerächt, dafz die Gold-
schmiedemeister der Spätgotik nicht mehr frisch
genug waren, die Anregungen der Renaissance in
echten Goldschmiedestil zu zwingen.
Das Ergebnis dieser 300jährigen „Abwärtsent-
wickelung" waren schliefzlich Mitte des vorigen Jahr-