Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0297
DOI issue:
Nr. 33
DOI article:Grosz., Karl: Fritz von Miller
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1909
JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST
279
PROFESSOR FRITZ VON MILLER: LÜSTERWEIBCHEN IN BRONZE MIT
:: TEILWEISER VERGOLDUNG ::
hunderts die bekannten Entwürfe von Malern und
Bildhauern, die z. B. in gotisierenden Tafelaufsätzen
ganze Märchen mit Farrenkräutern und Mafzwerk
darstellten und meinten, dazu wäre das Silber er-
funden worden.
Damit endete also zunächst die „künstlerische"
Richtung in der Goldschmiedekunst.
Die andere eingangs erwähnte Richtung der in-
dustriellen Produktion, ernstlich erst im 19. Jahr-
hundert beginnend, wurde ihrem inneren Wesen nach
auch nicht selbständig, suchte Handarbeit nachzu-
ahmen und beteiligte sich so an allen Irrtümern des
Zeitgeschmacks.
Inmitten dieser Verfallzeit wurde nun Fritz von
Miller 1868 als Lehrer an die neugegründete Kunst-
gewerbeschule in München berufen, der Stadt, in der
sich nunmehr eine Anzahl von Künstlerpersönlich-
keiten entwickelten, welche den „Geist" in unserer
„Väter Werke" wirklich wieder zu fühlen begannen.
Da war Schwind, welcher seinen Bildern eine grofze
dekorative Wirkung gab und innere Wärme, Franz
und Rudolf Seitz, welche das Kunstgewerbe befruch-
teten, Ferdinand von Miller sen., Gabriel Seidl der
Architekt, Gedon der Bildhauer und Otto Hupp der
Buchkünstler. In diesem anregenden Kreise begann
Fritz von Miller seine selbständige Tätigkeit.
Praktisch erfahren als Giefzer, Goldschmied und
Emailleur, brachte er für seinen Beruf Kenntnisse
mit, welche ihn neben den Malern und Bildhauern
ungleich mehr befähigten, die Goldschmiedekunst
liebevoll zu vertiefen. Es ist sehr lehrreich an der
Hand seiner Werke die Entwickelung zu verfolgen.
In den frühen Werken noch im Banne der wieder-
erweckten Renaissance (s. Abb. S.278,Kassette), führen
die Werkstatterfahrungen und Studien schliefzlich
unfehlbar zu den echten Materialwirkungen der
romanischen und gotischen Zeit. Auf dieser sicheren
Grundlage werden die Entwürfe immer freier und
selbständiger. Die Fantasie müht sich nicht mehr
mit den Äufzerlichkeiten eines Stilornaments, sie
durchdringt die Aufgabe selbstschöpferisch mit allen
Erfahrungen der praktischen Möglichkeiten. Manch-
mal ausgehend von einer sinnigen Idee, wie bei dem
köstlichen Myrthenpokal (Abb. Seite 288), dann
wieder angeregt von einem Horn, Elfenbeinstück
oder einem schönen Gestein, schafft sie im Verein mit
dem praktischen Können edelste Goldschmiedekunst.
Daher gibt es in diesem Schaffen keinen
JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST
279
PROFESSOR FRITZ VON MILLER: LÜSTERWEIBCHEN IN BRONZE MIT
:: TEILWEISER VERGOLDUNG ::
hunderts die bekannten Entwürfe von Malern und
Bildhauern, die z. B. in gotisierenden Tafelaufsätzen
ganze Märchen mit Farrenkräutern und Mafzwerk
darstellten und meinten, dazu wäre das Silber er-
funden worden.
Damit endete also zunächst die „künstlerische"
Richtung in der Goldschmiedekunst.
Die andere eingangs erwähnte Richtung der in-
dustriellen Produktion, ernstlich erst im 19. Jahr-
hundert beginnend, wurde ihrem inneren Wesen nach
auch nicht selbständig, suchte Handarbeit nachzu-
ahmen und beteiligte sich so an allen Irrtümern des
Zeitgeschmacks.
Inmitten dieser Verfallzeit wurde nun Fritz von
Miller 1868 als Lehrer an die neugegründete Kunst-
gewerbeschule in München berufen, der Stadt, in der
sich nunmehr eine Anzahl von Künstlerpersönlich-
keiten entwickelten, welche den „Geist" in unserer
„Väter Werke" wirklich wieder zu fühlen begannen.
Da war Schwind, welcher seinen Bildern eine grofze
dekorative Wirkung gab und innere Wärme, Franz
und Rudolf Seitz, welche das Kunstgewerbe befruch-
teten, Ferdinand von Miller sen., Gabriel Seidl der
Architekt, Gedon der Bildhauer und Otto Hupp der
Buchkünstler. In diesem anregenden Kreise begann
Fritz von Miller seine selbständige Tätigkeit.
Praktisch erfahren als Giefzer, Goldschmied und
Emailleur, brachte er für seinen Beruf Kenntnisse
mit, welche ihn neben den Malern und Bildhauern
ungleich mehr befähigten, die Goldschmiedekunst
liebevoll zu vertiefen. Es ist sehr lehrreich an der
Hand seiner Werke die Entwickelung zu verfolgen.
In den frühen Werken noch im Banne der wieder-
erweckten Renaissance (s. Abb. S.278,Kassette), führen
die Werkstatterfahrungen und Studien schliefzlich
unfehlbar zu den echten Materialwirkungen der
romanischen und gotischen Zeit. Auf dieser sicheren
Grundlage werden die Entwürfe immer freier und
selbständiger. Die Fantasie müht sich nicht mehr
mit den Äufzerlichkeiten eines Stilornaments, sie
durchdringt die Aufgabe selbstschöpferisch mit allen
Erfahrungen der praktischen Möglichkeiten. Manch-
mal ausgehend von einer sinnigen Idee, wie bei dem
köstlichen Myrthenpokal (Abb. Seite 288), dann
wieder angeregt von einem Horn, Elfenbeinstück
oder einem schönen Gestein, schafft sie im Verein mit
dem praktischen Können edelste Goldschmiedekunst.
Daher gibt es in diesem Schaffen keinen