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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 33
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Grosz., Karl: Fritz von Miller
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0298

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280

JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST

No. 33

Stillstand, sondern nur Entwickelung. Die
hier abgebildeten Werke zeigen nur einen kleinen
Teil des reichen Schaffens Fritz von Millers.
Man sollte nun meinen, diese hervorragende
Persönlichkeit hätte der deutschen Goldschmiede-
kunst bald ihren Stempel aufdrücken müssen.
Das ist aber bisher leider nur wenig der Fall, die
Zeit ist noch nicht reif hierfür. Sie hat noch keinen
Sinn für jene persönlichen Geschmacks werte,
welche kunstgewerbliche Werke für alle Zeiten adeln.
Der gute Geschmack ist eben heute immer noch
kein notwendiger Bestandteil für den „gebildeten"
Menschen.
Das Wirken Fritz von Millers wird daher erst
dann seinen segensreichen Einflufz völlig entfalten
können, wenn seine feine deutsche Gesinnung für
ehrliche und charaktervolle Arbeit und seine Freude
an allem wirklich Schönen auch ein Charakterzug
unseres Volkes mehr und mehr werden wird.
Diese Entwickelung ist auf dem Marsche! Die
neuzeitliche Bewegung im deutschen Kunstgewerbe
drängt neuerdings mächtig darauf hin und sie wird
in der Goldschmiedekunst auf den Errungenschaften
Fritz von Millers sich weiter entwickeln müssen.

Zu dieser Erkenntnis hat uns nicht zuletzt Fritz
von Millers ideale, praktische Tätigkeit verhelfen.
Was kann aber nun die Industrie davon lernen?
Vor allem, dafz sie sich gesinnungstüchtig und
mit Geschmack auf das ihr zukommende Gebiet be-
schränkt und nicht Handarbeit maschinell nachahmen
will, Handarbeit, die nur in liebevoller persönlicher
Arbeit gedeiht.
Bisher ist sie meist diesen falschen Weg gegangen
und hat damit den Sinn für edle Handwerkskunst unter-
graben und den Goldschmied zum Händler gemacht.
Die Industrie hat jedoch ihrerseits so viele Mög-
lichkeiten selbständiger Entwickelung, dafz sie der
Unwahrhaftigkeit der Nachahmung entsagen und statt
dessen stolz ihre eigenen weltumspannenden Wege
gehen könnte mit dem Wahlspruch: „Den deutschen
Geschmack vor die Front!"
Wo sich heute im deutschen Kunstleben so viele
Kräfte regen für das Kunstgewerbe, wird sie bei
festem Willen und zäher Ausdauer auch jene schöpfe-
rischen Kräfte finden, welche ihr den Weg bereiten
helfen, wie ihn Fritz von Miller in langer Lebens-
arbeit für das Goldschmiedehandwerk gewiesen hat.
So löst das Schaffen Fritz von Millers verschie-

Wir müssen
eben aus den
Fehlern der-
spätgotischen
Goldschmiede
lernen; unsere
Zeit ist ähnlich
wie jene: das
Handwerk ist
schöpferisch
zurückgeblie-
ben und der
Künstler über-
nimmt die Füh-
rung. Das ist
heute notwen-
dig wie dazu-
mal. Aber man
mufz auf jene
Künstler ach-
ten, welche
aus dem
Handwerk
herausschaf-
fen und nicht
auf jene, wel-
che, wenn auch
noch so ge-
schickt, nur
,, zeichnerisch"
Empfundenes
hinein-
tragen wollen.


PROFESSOR FRITZ VON MILLER: GEFÄSS AUS GESCHNITTENEM
GALLE-GLAS MIT EINER TRANSPARENT EMAILLIERTEN EIDECHSE

dene Fragen
aus, die hier
nur kurz ge-
streift werden
konnten. Es ist
auch nicht
nötig, dafz sie
uns heute be-
reits alle ver-
standesmäfzig
zum Bewufzt-
sein kommen,
um so nötiger
aber ist es, dafz
Künstler, Gold-
schmiede und
Industrielle
dem Beispiele
Fritz v. Millers
folgen und in
geschmack-
fördernder Ar-
beit die Praxis
bereichern,
damit die Welt
einst wieder
voneiner„deut-
schen Gold-
schmiede-
kunst" bewun-
dernd spricht,
wie ehedem!
Prof. Karl Grofz.
 
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