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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

DOI issue:
Nr. 39
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Bindhardt, Georg: Über das Zeichnen für Goldschmiede
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0353

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30. JAHRG.

LEIPZIG, 25. SEPTEMBER 1909.

Nr. 39.

Säg*"'JOURNAL DERJ”WS
GOLDSCHMIEDEKUNST

0

VERLAG: HERM. SCHLAG NACHE
INH. FELIX HENTZE
LEIPZIG


NACHDRUCK ALLER ARTIKEL OHNE GENEHMIGUNG DER REDAKTION IST VERBOTEN.

UBER DAS ZEICHNEN FÜR GOLDSCHMIEDE
von Georg Bindhardt.

„Vermutlich wurden die allerstrengsten Übungen
im genauen Zeichnen von den Goldschmiedelehr-
lingen, von denen wir wenig hören und wissen, als
etwas ganz Selbstverständliches verlangt. Diesem
Umstande, sowie der Übung und Sorgfalt in der
Bearbeitung kostbarer Metalle, dürfen wir wohl die
höchsten Leistungen der italienischen Bildnerkunst
zuschreiben".
Dies die Worte John Ruskins. Wenn man in
unserem Berufe von der Tatsache, dafz ein Gold-
schmied gut zeichnen können mufz, allgemein auch
ohne weiteres überzeugt ist, so bleibt die Art und
Weise, wie gezeichnet werden soll, resp. wie das
Zeichnen gelehrt werden soll, durchaus von Bedeutung.
Allgemein gesehen, ist das Zeichnen die in Linien
wiedergegebene Erscheinung eines räumlichen Gegen-
standes oder einer bildlichen bezw. plastischen Vor-
stellung. Je nach dem Zweck, der erreicht werden
soll, wird die Zeichnung malerische Effekte festhalten
oder nur den Kontur einer plastischen Erscheinung
zu geben suchen. In der Regel ist sie nur Mittel
zum Zweck, sie dient als Unterlage für die eigent-
liche Ausführung. Wo wir als Goldschmiede zeichnen,
gilt es nur der Arbeit im Material den Weg vorzu-
bereiten, die Disposition und den ornamentalen Ge-
danken festzulegen. Der Wert einer Zeichnung liegt
bei uns immer nur im Inhalt, nie in der äufzeren
bildlichen Erscheinung; sie ist für uns der primitive
künstlerische Gedankenausdruck.
Zum Unterschiede von der sogenannten höheren
Kunst ist unsere Kunst eine rein dekorative; ihr
eigentlicher Wert steckt, aufzer in der formalen Ge-
staltung, in der Erfindung, und zwar der technischen
als ornamentalen.
Der Goldschmied sucht in jedem Gegenstände

neue Ideen zu entwickeln, frühere Arbeiten zu
steigern; nie aber will er sich wiederholen. Bewufzt
erstrebte Originalität gehört zum künstlerischen
Wesen unseres Handwerks. Wir suchen daher
schon bei der Ausbildung des jungen Nachwuchses
neben der Fertigkeit des genauen Zeichnens mög-
lichst bald Kompositionsgabe zu wecken. Da wir
unsere Arbeiten in einem verhältnismäfzig spröden
Material ausführen, in dem die einmal gewonnene
Form sich nur sehr umständlich verändern läfzt, so
müssen wir in der Regel vor Beginn der technischen
Ausführung uns über den Entwurf klar sein. Wir
verlangen also von der Zeichnung, aufzer dem ge-
danklichen Inhalt, eine durchaus präzise Form; dies
sind die zwei Eigenschaften, worauf es bei uns an-
kommt.
Da wir, hauptsächlich in unserer Tätigkeit als
Juweliere, mitunter sehr klein arbeiten, spielt auch
das rein Technische des Zeichnens eine grofze Rolle.
Gerade die Übertragung einer Form in einen stark
verkleinerten Mafzstab erfordert neben einer ge-
schulten Hand viel Geschmack. Eine Darstellung
kann im kleinsten Mafzstabe grofz wirken, wie grofze
Arbeiten sehr kleinlich sein können.
Präzises Zeichnen wird in erster Linie durch
Kopieren erworben; schon durch den Umstand, dafz
Kopie und Original den direktesten Vergleich zu-
lassen. Es gibt Fachleute, die das Kopieren ohne
weiteres verdammen und schon bei den ersten
Zeichenversuchen nur die persönliche Erfindung
achten. Dies ist ebenso unrichtig, wie das über-
triebene Nachzeichnen. Es ist natürlich durchaus
nicht einerlei, was man kopiert. Einen aus unzähligen
Strichlagen bestehenden Stahlstich in Federzeichnung
nachzubilden, ist zwecklos. Eine derartige Arbeit ist
 
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