270 --■_ JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST ■-JW3I
-■-M-SSS’S-----B-
Das neue Gesetz über den unlauteren Wettbewerb
und die Gold- und Silberwarenbranche.
(Nachdruck verboten.)
Solche Fälle unwahrer Angaben sind bekanntlich auch
in unserer Branche keine Seltenheit, es sei nur an die an-
geblichen „Gelegenheitskäufe“ erinnert, mit denen gewisse
Bijouteriewarenhändler Käufer für ihre Waren anzu-
locken suchen; an die immer wiederkehrenden Angebote
zu angeblich „herabgesetzten Preisen“ und Angaben, wie
„Partiewaren“, „Konkursmassen-Waren“ usw.; des weiteren
die hier gar nicht aufgeführten zahlreichen anderen
Fälle, in denen unwahre oder übertriebene Angaben ge-
macht werden, um die Leute anzulocken. Die hohe Geld-
oder Gefängnisstrafe für Vergehen dieser Art, die das neue
Gesetz bestimmt, dürfte nach dieser Hinsicht jedenfalls
sehr reinigend wirken und den reellen Handel von einer
ganzen Anzahl Reklamemanövern unlauterer Konkurrenten
befreien. Der Gesetzentwurf hatte für diesen Paragraphen eine
etwas andere Fassung vorgeschlagen, nach der nur unwahre
Angaben „tatsächlicher Art“ getroffen werden sollten. Der
Reichstag hat jedoch die Worte „tatsächlicher Art“ ge-
strichen, so dass unter diesen Paragraphen ausnahmslos
alle Angaben unwahrer Natur fallen, gleichviel ob es sich
um Angaben tatsächlicher Art oder nur solcher persönlicher
Auffassung handelt. Wie bedeutungsvoll die Neu-Fassung
des angeführten Paragraphen, soweit sie in der Streichung
jener beiden Wörtchen besteht, für die Beurteilung des
geschäftlichen Wettbewerbs werden kann, lehrt folgender
Fall, der auch in den Beratungen über das neue Gesetz
eine grosse Rolle spielte: In einer Stadt Westfalens hatte
ein Geschäftsmann sein Warenlager als „Hamburger Engros-
Lager“ bezeichnet, obwohl weder die Ware aus Hamburg
stammte, noch das Geschäft nach Art eines wirklichen
Hamburger Engroslagers eingerichtet und betrieben wurde.
Ein gewerblicher Verein erstattete dieser unwahren Angabe
wegen Strafanzeige gegen den Betreffenden wegen un-
lauteren Wettbewerbs, begangen durch eine wissentlich
unwahre Angabe tatsächlicher Art. In erster und zweiter
Instanz wurde der Angeklagte auch verurteilt, vom Reichs-
gericht jedoch freigesprochen mit der Begründung, dass
es sich bei der fraglichen Bezeichnung nicht um eine An-
gabe tatsächlicher Art, sondern nur um eine Angabe per-
sönlicher Auffassung handele. — Zu diesem Votum, das
jedem Gerechtigkeitsgefühl Hohn spricht, war das Reichs-
gericht gezwungen infolge der einschränkenden Worte:
Angaben „tatsächlicher Art“. Nach dem neuen Gesetz
sind derartige Hintertüren ein für alle Mal verschlossen.
Keine Berücksichtigung hat in dem neuen Gesetz dagegen
die seitens des „Journal der Goldschmiedekunst“ in der
erneuten Petition vom 18. Februar 1909 an die Reichstags-
kommission gegebene Anregung, dass die Bezeichnungen
„Diamant“, „Brillant“ und „Juwelen“ nur für die in Frage
kommenden echten Edelsteine gebraucht werden dürfen,
gefunden. Dennoch aber dürfte auch hierin das neue
Gesetz einen Schritt zur Besserung bringen. Denn einer-
(Schluss.)
seits zeigt sich das Gesetz in seiner ganzen Fassung von
der Tendenz beherrscht, dem Richter einen grösseren
Spielraum zu geben, um unlautere Geschäftspraktiken zu
fassen, auch da, wo solche Praktiken nicht ausdrücklich
durch den Buchstaben des Gesetzes gekennzeichnet sind,
und andererseits dürfte auch nach dieser Hinsicht die
Streichung jener beiden Wörtchen „tatsächlicher Art“ be-
deutungsvoll werden. Denn bisher liessen die Gerichte
in den Fällen, in denen Imitationswarenhändler wegen der
Bezeichnung, „Diamant“, „Brillant“ usw. für unechte
Waren oder in Verbindung mit solchen angeklagt waren,
die Angeklagten vielfach deswegen laufen, weil sie keine
unwahre Angabe tatsächlicher Art, sondern eine solche
persönlicher Auffassung vor sich zu haben meinten. Da
nach dem neuen Gesetz auch unwahre Angaben dieser Art
straffällig sind, so dürfte es sicher sein, dass das Bestreben,
gegen derartige Geschäftsgebaren einen gesetzlichen Schutz
zu erlangen, jetzt mehr Erfolg haben wird wie leider bis-
her. Auf alle Fälle bringt das neue Gesetz auch dem
Goldschmiedegewerbe eine, neue und sehr aussichtsvolle
Möglichkeit, erfolgreich gegen vielerlei Auswüchse vorzu-
gehen.
Um nun aber auch noch eine allgemeine Waffe gegen
Fälle unlauteren Wettbewerbs, die in den bisher angeführten
Paragraphen noch nicht einbegriffen sind, zu schaffen und
weil man sich auf den sehr richtigen Standpunkt stellte,
dass ein gerissener Geschäftsmann schliesslich doch immer
neue Formen unlauterer geschäftlicher Praktiken erfinden
kann, hat sich der Reichstag veranlasst gesehen, dem
Gesetzentwurf der Regierung noch eine sehr wesentliche
Zusatzbestimmung hinzuzufügen, die alle Fälle unlauteren
Wettbewerbs dieser Art einbezieht. Der Reichstag hat
den Zusatzparagraphen als § 1 an die Spitze des ganzen
Gesetzes gestellt und ihm folgenden Wortlaut gegeben:
„ Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wett-
bewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten
Sitten verstossen, kann auf Unterlassung und Schaden-
ersatz in Anspruch genommen werden“. Mit diesem
Paragraphen ist dem Richter ein ziemlicher Spielraum ge-
geben, um möglichst auch alle die Fälle unlauteren Wett-
bewerbs zu fassen, die in dem Gesetz noch nicht einzeln
detailliert, nichtsdestoweniger aber doch unlauteren oder
unsittlichen Charakters sind. Man hat die Befürchtung
ausgesprochen, dass dieser Paragraph dem Gerichte eine
zu weitgehende Macht verleihe und zur Lahmlegung auch
einwandfreier geschäftlicher Betätigung führen könne, wenn
diese nach der persönlichen Meinung eines Richters „un-
sittlich“ sei. Wir glauben jedoch, dass diese Befürchtungen
unbegründet sind, denn ein Richter wird sein Votum wohl
stets auf das Gutachten geeigneter Sachverständiger, der
Handelskammern oder sonstiger berufener Vertreter des
Gewerbes stützen müssen, die dadurch einer falschen
-■-M-SSS’S-----B-
Das neue Gesetz über den unlauteren Wettbewerb
und die Gold- und Silberwarenbranche.
(Nachdruck verboten.)
Solche Fälle unwahrer Angaben sind bekanntlich auch
in unserer Branche keine Seltenheit, es sei nur an die an-
geblichen „Gelegenheitskäufe“ erinnert, mit denen gewisse
Bijouteriewarenhändler Käufer für ihre Waren anzu-
locken suchen; an die immer wiederkehrenden Angebote
zu angeblich „herabgesetzten Preisen“ und Angaben, wie
„Partiewaren“, „Konkursmassen-Waren“ usw.; des weiteren
die hier gar nicht aufgeführten zahlreichen anderen
Fälle, in denen unwahre oder übertriebene Angaben ge-
macht werden, um die Leute anzulocken. Die hohe Geld-
oder Gefängnisstrafe für Vergehen dieser Art, die das neue
Gesetz bestimmt, dürfte nach dieser Hinsicht jedenfalls
sehr reinigend wirken und den reellen Handel von einer
ganzen Anzahl Reklamemanövern unlauterer Konkurrenten
befreien. Der Gesetzentwurf hatte für diesen Paragraphen eine
etwas andere Fassung vorgeschlagen, nach der nur unwahre
Angaben „tatsächlicher Art“ getroffen werden sollten. Der
Reichstag hat jedoch die Worte „tatsächlicher Art“ ge-
strichen, so dass unter diesen Paragraphen ausnahmslos
alle Angaben unwahrer Natur fallen, gleichviel ob es sich
um Angaben tatsächlicher Art oder nur solcher persönlicher
Auffassung handelt. Wie bedeutungsvoll die Neu-Fassung
des angeführten Paragraphen, soweit sie in der Streichung
jener beiden Wörtchen besteht, für die Beurteilung des
geschäftlichen Wettbewerbs werden kann, lehrt folgender
Fall, der auch in den Beratungen über das neue Gesetz
eine grosse Rolle spielte: In einer Stadt Westfalens hatte
ein Geschäftsmann sein Warenlager als „Hamburger Engros-
Lager“ bezeichnet, obwohl weder die Ware aus Hamburg
stammte, noch das Geschäft nach Art eines wirklichen
Hamburger Engroslagers eingerichtet und betrieben wurde.
Ein gewerblicher Verein erstattete dieser unwahren Angabe
wegen Strafanzeige gegen den Betreffenden wegen un-
lauteren Wettbewerbs, begangen durch eine wissentlich
unwahre Angabe tatsächlicher Art. In erster und zweiter
Instanz wurde der Angeklagte auch verurteilt, vom Reichs-
gericht jedoch freigesprochen mit der Begründung, dass
es sich bei der fraglichen Bezeichnung nicht um eine An-
gabe tatsächlicher Art, sondern nur um eine Angabe per-
sönlicher Auffassung handele. — Zu diesem Votum, das
jedem Gerechtigkeitsgefühl Hohn spricht, war das Reichs-
gericht gezwungen infolge der einschränkenden Worte:
Angaben „tatsächlicher Art“. Nach dem neuen Gesetz
sind derartige Hintertüren ein für alle Mal verschlossen.
Keine Berücksichtigung hat in dem neuen Gesetz dagegen
die seitens des „Journal der Goldschmiedekunst“ in der
erneuten Petition vom 18. Februar 1909 an die Reichstags-
kommission gegebene Anregung, dass die Bezeichnungen
„Diamant“, „Brillant“ und „Juwelen“ nur für die in Frage
kommenden echten Edelsteine gebraucht werden dürfen,
gefunden. Dennoch aber dürfte auch hierin das neue
Gesetz einen Schritt zur Besserung bringen. Denn einer-
(Schluss.)
seits zeigt sich das Gesetz in seiner ganzen Fassung von
der Tendenz beherrscht, dem Richter einen grösseren
Spielraum zu geben, um unlautere Geschäftspraktiken zu
fassen, auch da, wo solche Praktiken nicht ausdrücklich
durch den Buchstaben des Gesetzes gekennzeichnet sind,
und andererseits dürfte auch nach dieser Hinsicht die
Streichung jener beiden Wörtchen „tatsächlicher Art“ be-
deutungsvoll werden. Denn bisher liessen die Gerichte
in den Fällen, in denen Imitationswarenhändler wegen der
Bezeichnung, „Diamant“, „Brillant“ usw. für unechte
Waren oder in Verbindung mit solchen angeklagt waren,
die Angeklagten vielfach deswegen laufen, weil sie keine
unwahre Angabe tatsächlicher Art, sondern eine solche
persönlicher Auffassung vor sich zu haben meinten. Da
nach dem neuen Gesetz auch unwahre Angaben dieser Art
straffällig sind, so dürfte es sicher sein, dass das Bestreben,
gegen derartige Geschäftsgebaren einen gesetzlichen Schutz
zu erlangen, jetzt mehr Erfolg haben wird wie leider bis-
her. Auf alle Fälle bringt das neue Gesetz auch dem
Goldschmiedegewerbe eine, neue und sehr aussichtsvolle
Möglichkeit, erfolgreich gegen vielerlei Auswüchse vorzu-
gehen.
Um nun aber auch noch eine allgemeine Waffe gegen
Fälle unlauteren Wettbewerbs, die in den bisher angeführten
Paragraphen noch nicht einbegriffen sind, zu schaffen und
weil man sich auf den sehr richtigen Standpunkt stellte,
dass ein gerissener Geschäftsmann schliesslich doch immer
neue Formen unlauterer geschäftlicher Praktiken erfinden
kann, hat sich der Reichstag veranlasst gesehen, dem
Gesetzentwurf der Regierung noch eine sehr wesentliche
Zusatzbestimmung hinzuzufügen, die alle Fälle unlauteren
Wettbewerbs dieser Art einbezieht. Der Reichstag hat
den Zusatzparagraphen als § 1 an die Spitze des ganzen
Gesetzes gestellt und ihm folgenden Wortlaut gegeben:
„ Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wett-
bewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten
Sitten verstossen, kann auf Unterlassung und Schaden-
ersatz in Anspruch genommen werden“. Mit diesem
Paragraphen ist dem Richter ein ziemlicher Spielraum ge-
geben, um möglichst auch alle die Fälle unlauteren Wett-
bewerbs zu fassen, die in dem Gesetz noch nicht einzeln
detailliert, nichtsdestoweniger aber doch unlauteren oder
unsittlichen Charakters sind. Man hat die Befürchtung
ausgesprochen, dass dieser Paragraph dem Gerichte eine
zu weitgehende Macht verleihe und zur Lahmlegung auch
einwandfreier geschäftlicher Betätigung führen könne, wenn
diese nach der persönlichen Meinung eines Richters „un-
sittlich“ sei. Wir glauben jedoch, dass diese Befürchtungen
unbegründet sind, denn ein Richter wird sein Votum wohl
stets auf das Gutachten geeigneter Sachverständiger, der
Handelskammern oder sonstiger berufener Vertreter des
Gewerbes stützen müssen, die dadurch einer falschen