Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0137
DOI Heft:
Nr. 15
DOI Artikel:Binhardt, Georg: Alexander Charpentier †
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1909 —-■, JOURNAL DER GQLDSCHMIEDEKUNST . .— 119
Rljcinföüiter modelliert von Prof. Rudolf ITlaison, ITlündjen
Zur Erläuterung will ich einiges über die Technik der
Medaille anführen.
Wir wissen, dass der Arbeitsprozess, der zur Her-
stellung einer Münze oder Plakette führt, mühsam und
kompliziert ist. Um eine Figur z. B. auf dem kleinen
Raum einer gewöhnlichen Münze zu bilden, gibt es Medail-
leure, die für diesen Zweck erst ein freistehendes, rundes
Modell schaffen. Nach diesem Modell, der sogenannten
Maquette, wird die Form ins Relief übertragen. Das Relief
hinwiderum wird in grossem Massstabe modelliert und in
Alabaster gegossen. Hier wird es dann sorgfältig durch-
geführt und gewisse Feinheiten, wie z. B. Stoffbehandlung
etc., die sich nicht korrekt genug modellieren lassen, erst
eingeschnitten. Dann wird das Alabastermodell in Hart-
metall gegossen, alsdann mit der Maschine verkleinert,
um als Guss- oder Prägemodell endlich fertig zu sein.
Die maschinelle Verkleinerung bringt eine detaillierte
Ausführung zu Stande, die von der Hand nie erreicht
werden könnte; die Übertragung des runden Modells ins
Relief verbürgt richtige Zeichnung und Verkürzung.
Charpentier kannte diesen ganzen Prozess und hat ihn
— vermieden — und zwar aus stilistischen Gründen.
Seine Sachen sind stets in der Grösse modelliert, in der
sie ausgeführt werden; stets nach dem Eindruck der Natur
direkt ins Relief gesetzt. Deshalb sind sie massstäblich
richtig und sitzen gut im Raum; deshalb sind seine kleinsten
Sachen gross und monumental. Seine Medaillen stehen
selbständig neben den alten, die wir heute mehr denn je
bewundern. Die früheren Meister kannten keine Maschine,
daher waren sie glücklicherweise nicht in der Lage, auf
den Rand eines Fingerhutes einen reichen Figurenfries zu
bringen. Sie konnten nur das machen, was Auge und Hand
ermöglichen. Ihre Kleinplastik war nicht nur verkleinerte
Form, sondern vor allem vereinfachte; sie war im kleinen
Raum gross. Die Alten hatten einen Stil, den erst Char-
pentier wieder erlangt hat.
Chaplain und Roty haben uns die Maschine schätzen
lernen; Charpentier hat uns wieder von ihr befreit. Ihm
ist es zu danken, dass wir nach langem wieder dahin ge-
kommen sind, unsere Münzmodelle in der wirklichen Grösse
zu fertigen, dass wir wieder einen Medaillenstil haben.
Dem Einfluss des grossen französischen Meisters haben
wir indirekt unsere Künstler wie Römer und Dasio zu
danken.
Es ist nicht meine Absicht, der Reduktionsmaschine
die Verwendbarkeit abzusprechen. Man soll aber nicht
am Kunstwerk die Leistungsfähigkeit der Mechanik zum
Ausdruck bringen wollen. In der Medailleurkunst darf
die Maschine nicht mehr sein, als was die Ätzung für
den Lithographen ist.
Rljcinföüiter modelliert von Prof. Rudolf ITlaison, ITlündjen
Zur Erläuterung will ich einiges über die Technik der
Medaille anführen.
Wir wissen, dass der Arbeitsprozess, der zur Her-
stellung einer Münze oder Plakette führt, mühsam und
kompliziert ist. Um eine Figur z. B. auf dem kleinen
Raum einer gewöhnlichen Münze zu bilden, gibt es Medail-
leure, die für diesen Zweck erst ein freistehendes, rundes
Modell schaffen. Nach diesem Modell, der sogenannten
Maquette, wird die Form ins Relief übertragen. Das Relief
hinwiderum wird in grossem Massstabe modelliert und in
Alabaster gegossen. Hier wird es dann sorgfältig durch-
geführt und gewisse Feinheiten, wie z. B. Stoffbehandlung
etc., die sich nicht korrekt genug modellieren lassen, erst
eingeschnitten. Dann wird das Alabastermodell in Hart-
metall gegossen, alsdann mit der Maschine verkleinert,
um als Guss- oder Prägemodell endlich fertig zu sein.
Die maschinelle Verkleinerung bringt eine detaillierte
Ausführung zu Stande, die von der Hand nie erreicht
werden könnte; die Übertragung des runden Modells ins
Relief verbürgt richtige Zeichnung und Verkürzung.
Charpentier kannte diesen ganzen Prozess und hat ihn
— vermieden — und zwar aus stilistischen Gründen.
Seine Sachen sind stets in der Grösse modelliert, in der
sie ausgeführt werden; stets nach dem Eindruck der Natur
direkt ins Relief gesetzt. Deshalb sind sie massstäblich
richtig und sitzen gut im Raum; deshalb sind seine kleinsten
Sachen gross und monumental. Seine Medaillen stehen
selbständig neben den alten, die wir heute mehr denn je
bewundern. Die früheren Meister kannten keine Maschine,
daher waren sie glücklicherweise nicht in der Lage, auf
den Rand eines Fingerhutes einen reichen Figurenfries zu
bringen. Sie konnten nur das machen, was Auge und Hand
ermöglichen. Ihre Kleinplastik war nicht nur verkleinerte
Form, sondern vor allem vereinfachte; sie war im kleinen
Raum gross. Die Alten hatten einen Stil, den erst Char-
pentier wieder erlangt hat.
Chaplain und Roty haben uns die Maschine schätzen
lernen; Charpentier hat uns wieder von ihr befreit. Ihm
ist es zu danken, dass wir nach langem wieder dahin ge-
kommen sind, unsere Münzmodelle in der wirklichen Grösse
zu fertigen, dass wir wieder einen Medaillenstil haben.
Dem Einfluss des grossen französischen Meisters haben
wir indirekt unsere Künstler wie Römer und Dasio zu
danken.
Es ist nicht meine Absicht, der Reduktionsmaschine
die Verwendbarkeit abzusprechen. Man soll aber nicht
am Kunstwerk die Leistungsfähigkeit der Mechanik zum
Ausdruck bringen wollen. In der Medailleurkunst darf
die Maschine nicht mehr sein, als was die Ätzung für
den Lithographen ist.