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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 25
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Leipheimer, Hans Dietrich: Forderungen im modernen Kunstgewerbe, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0225

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1909 ——-«a JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST ji -- 207



Komanisdjer Keldj
Silber vergolbef mit Filigran, Email unb edjfen Steinen
von Hofjuwelier Wiltjelm Kausdjer, Fulba

einen Metallgegenstand handelt. Das hatte ja der Alter-
tümerschwärmerei den vernichtenden Stoss gegeben, dass
so ein Renaissancebuffet eben doch den modernen Be-
dürfnissen allzuwenig Rechnung trug und ebenso wollte
schliesslich der Herr des Hauses lieber einen bequemen
als einen reichverzierten Schreibtisch haben. Die modernen
Möbel kamen den modernen Bedürfnissen wesentlich besser
entgegen, und das ward auch ganz schnell eingesehen.
Verständige Leute setzen sich jetzt, wenn sie Möbel
brauchen, mit einem Künstler in Verbindung und arbeiten
sozusagen mit diesem zusammen ihre Möbel nach ihren
ganz speziellen Bedürfnissen aus. Das muss naturgemäss
das Gesamtniveau heben. Wird ein solches Interesse, durch
die Erziehung zur Materialkenntnis und zum Verständnis
der Technik, wie wir das soeben ansführten, auch einmal
auf alle anderen Gebiete wieder lebendig, so werden auch
diese zur Fixierung fester Grundsätze kommen und sich
dadurch im Ganzen heben. — Vielleicht wird dies auf
dem Spezialgebiet des Schmuckes, über welches hier noch
einiges gesagt werden soll, am frühesten der Fall sein.
Hier spricht leider noch allzusehr die Mode mit, was
gleichbedeutend mit einer Abhängigkeit von Paris ist.
Die deutsche Frau ist nicht so graziös, nicht so biegsam
in ihrer Erscheinung wie die Französin. Ob das ein
Nachteil unter allen Umständen ist, bleibt doch mindestens
fraglich. Ich persönlich und gewiss mit mir die über-
wiegendste Mehrzahl der Künstler wird glatt nein sagen,

die deutsche Frau leider sagt ja und sucht durch möglichste
Anlehnung in der Kleidung der Französin wenigstens nahe
zu kommen. Es wird wohl sehr langsam nur eine Besserung
eintreten, aber der Anfang ist auch hier schon gemacht,
und ein Zurückgehen gibt es auch auf diesem Gebiete so
wenig wie auf irgend einem anderen. Die Zukunft gehört
auch hier der Kunst, der auf festen Grundsätzen sich auf-
bauenden künstlerischen Gestaltung und nicht der sinnlos
waltenden Mode. — Bis unsere Frauen reif genug sind,
dem entwürdigenden Zustande der Abhängigkeit von fremder
Willkür ein Ende zu machen, wird wenigstens die Ein-
sicht Platz greifen, dass ein Schmuckstück an sich nicht
die Kraft hat, die fehlende Grazie zu ersetzen. Die kapri-
ziösen Formen des französischen Schmuckes passen nicht
zu unseren Frauen, sie sollten daher nicht für den deut-
schen Schmuck massgebend sein. Die deutsche Schmuck-
warenindustrie hat noch die schöne und dankbare Aufgabe,
einen für die Durchschnittserscheinung der deutschen Frau
passenden Schmuck zu finden. Vielleicht wird dieser
deutsche Schmuck uns helfen, von der Mode abzukommen
zur persönlichen Bekleidung. Es ist durchaus möglich
und richtig, ein Kleid in Rücksicht auf einen vorhandenen
Schmuck zu entwerfen und ausführen zu lassen. Ich selbst
habe das wiederholt getan und befinde mich da in bester
Gesellschaft. Man sehe nur einmal die Frauenbildnisse
aus der italienischen Renaissance daraufhin an. Hier ist
oft der einfachste Schmuck durch die Resonanz des zu-
 
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