JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST.
Interesse des Lehrherrn in dessen gewerblichem Betriebe
tätig zu sein. Hält der Arbeitgeber den Lehrling von
dem Besuch der Fortbildungsschule fern, weil er ihm für
besonders eilige Arbeiten in seinem Betriebe unentbehrlich
ist, so verletzt er, wenn die Erledigung dieser Arbeiten
nur im Interesse des Arbeitgebers liegt, die ihm gesetzlich
obliegende Pflicht, für die Ausbildung des Lehrlings Sorge
zu tragen und ihn zum Besuch der Fortbildungsschule
anzuhalten. . . . Nur Umstände in der Person des
Lehrlings lassen eine Versäumnis als entschuldigt er-
scheinen. (Dieser Grundsatz findet sich auch noch in
einer neueren Entscheidung des Kammergerichts wieder,
wo ein Bäckermeister in Schweidnitz seinen Lehrling aus
zwingenden Gründen an zwei Tagen die Fortbildungs-
schule versäumen liess.) Ja, selbst Arbeiten, die im In-
teresse der Ausbildung des Lehrlings liegen, können —
nach der Anschauung des Kammergerichts — den Arbeit-
geber zur Zurückhaltung des Lehrlings von der Schule
nur berechtigen, wenn die Ausführung dieser Arbeiten
während der Zeit des Unterrichts unbedingt erforderlich
ist und die Arbeit dem Lehrling zu einer anderen Zeit
nicht gezeigt werden kann. ..." Der Lehrling ist also
nicht dazu bestimmt, im Interesse des Lehrherrn in dessem
gewerblichen Betriebe zu sein, darin gipfeln die Aus-
führungen des Kammergerichts. Es beweist dies eine
erstaunliche Weltfremdheit des erkennenden Senats, die
bei der ausserordentlichen Bedeutung, welche die Erkennt-
nisse des Kammergerichts für unsere gesamte Recht-
sprechung nun einmal haben, aber eine grosse Gefahr für
die ganze Frage der Lehrlingsausbildung bedeutet.
Welcher Prinzipal möchte wohl, wenn dieser Grundsatz
des Kammergerichts weiter Boden gewönne, überhaupt
noch Lehrlinge annehmen? Unser gesamter kaufmännischer
und gewerblicher Nachwuchs wäre damit in Frage gestellt
Gewiss soll die Lehre das Interesse des Lehrlings wahr-
nehmen, aber doch nicht ausschliesslich. Jeder auch noch
so humane und selbstlos denkende Prinzipal nimmt einen
Lehrling doch schliesslich an, um sich in ihm eine Hilfe
heranzuziehen, der Lehrling soll ihm im weiteren Verlauf
der Lehrzeit durch seine Arbeitskraft eine Entschädigung
für die anfänglichen Mühen der Ausbildung gewähren.
Wer anders dächte, wäre ein Phantast, aber nie ein Ge-
schäftsmann. Die Ausbildung eines Lehrlings ist aber
auch gar nicht anders möglich, als dass dieser Arbeiten
im Interesse des Prinzipals ausführt, denn alle im Gewerbe-
betriebe vorkommenden Arbeiten (Buchführung, Korrespon-
denz, Expedition usw.) geschehen doch einzig und allein
im Interesse des Geschäftsmanns. Wie denkt sich wohl
das Kammergericht die praktische Ausbildung des Lehr-
lings? Soll diesem etwa alles nur erklärt und gezeigt
werden? Theorie und Praxis sind voneinander sehr ver-
schieden. Durch Erklärung allein wird niemand, ebenso-
wenig wie etwa nur durch Besuch einer Handelsschule,
ein tüchtiger Kaufmann werden. Nur durch praktische
Teilnahme an allen Arbeiten kann der Lehrling etwas
ordentliches lernen. Man kann da aber nicht das Interesse
des Lehrlings von dem des Prinzipals künstlich scheiden.
Sie sind eins und untrennbar. Ein tüchtiger Kaufmann
wird nur der werden, der sich schon als Lehrling be-
müht, das Interesse des Prinzipals zu dem seinen zu
machen. Der Lehrling ist eben nicht ausschliesslich um
seiner selbst willen in einem Geschäft, sondern mindestens
ebenso sehr auch seines Lehrherrn wegen, dieser will von
einem Lehrling als Entgeld für die Ausbildung auch einen
Vorteil haben. So ist es von jeher gewesen, und so wird
es wohl auch weiter bleiben. Es ist ein Handel, bei dem
jeder der beiden Teile sehr wohl auf seine Kosten kommen
kann, auch der Lehrling, wenn er nur Augen und Ohren
bei seiner Arbeit aufsperrt.
Nicht zuletzt im Interesse der Lehrlinge selbst muss
dringend gewünscht werden, dass die besprochene Kammer-
gerichtssitzung nicht das letzte Wort sei, was in dieser
Sache gesprochen ist. Denn jeder Prinzipal würde sich
in Zukunft bestens bedanken, Lehrlinge anzustellen, wenn
er nicht auch Vorteile davon hätte. Für junge Leute wäre
es dann aber ausserordentlich schwer oder nur unter
grossen Opfern möglich, eine passende Lehrstelle zu be-
kommen.
Zum Schluss sei zur Beachtung für die Prinzipale aber
noch auf einen Umstand hingewiesen, der vielfach zur
Vermeidung solcher Entscheidung führen kann. Es ist un-
bedingt erforderlich und wird leider oft verabsäumt, dass
in Dispensationsgesuchen der Grund klar dargelegt wird.
Hier hatte der Prinzipal, wie bei einer Tagung der
Handelskammer zu Oppeln jüngst zur Sprache kam, nur
geschrieben, er brauche den Lehrling dringend. „Dringend
brauchen“ ist nun ein etwas dehnbarer Begriff. Wenn
man bedenkt, dass ja auch Missbräuche seitens der Prinzi-
pale vorkommen, so kann man es dem Vorstand der
Fortbildungsschule nicht verübeln, wenn er sich mit einer
solchen allgemeinen Redensart nicht zufrieden gab. Nach
einer mir vorliegenden Erklärung des Vorstandes der
Breslauer Fortbildungsschule wäre dem Dispensationsgesuch
sicher stattgegeben worden, wenn der verurteilte Prinzipal
den Grund mit wenigen Worten etwas deutlicher zum
Ausdruck gebracht hätte. Wenn also auch der Ange-
klagte von einem Verschulden nicht gänzlich freizusprechen
ist, so werden dadurch die sonderbaren Ausführungen des
Kammergerichts um nichts verständlicher. Sch—ck.
Nachschrift der Redaktion. Besonders interessant ist
es angesichts der obigen Darstellung, dass etwa um die-
selbe Zeit, als das Kammergericht jenes Urteil fällte,
eine ministerielle Verfügung an die Schulvorstände der
Fachschulen erging, worin ausdrücklich anempfohlen
wurde, es möge in besonders dringlichen Fällen, wo ein
Prinzipal den Lehrling im Geschäft nötig hätte, von der
Schulleitung diesem Tatbestände möglichst Rechnung
getragen werde. Leben und leben lassen, das ist unge-
fähr der Standpunkt der ministeriellen Auslassung, die in
so merkwürdigem Gegensatz zu der formalistischen Auf-
fassung der genannten hohen juristischen Instanz steht.
Silberbericht für Dezember 1908.
Bei den geringen Schwankungen des Silberpreises im ver-
gangenen Monat war ein festerer Grundton nicht zu verkennen,
welcher in den letzten Tagen des Monats auch ein Anziehen im
Preise bewirkte. Durch gute Nachfrage von Seiten chinesischer
Banken infolge eines günstigen Exportgeschäftes und durch zeit-
weilig auftretenden Bedarf von Indien, in welchem Lande sich
ebenfalls in der letzten Zeit das Geschäft günstiger entwickelt
hat, sah ein Teil der indischen Spekulation sich veranlasst, zum
Eindecken ihrer Blankoverkäufe zu schreiten, was verbunden mit
einer gewissen Zurückhaltung der ‘amerikanischen Verkäufer eine
bessere Tendenz zur Folge hatte. Wenn durch eine Verschiffung
von ca. £ 700000.— in Silber in der 'Mitte des Monats der
Preis vorübergehend eine kleine Abschwächung zur Folge hatte,
indem dieses zeitweilig eine schwächere Nachfrage von Indien
befürchten liess, so konnte sich der Markt doch vermöge der
festen Grundstimmung bald erholen, zumal man allgemein jetzt
der Ansicht ist, die niedrigsten Kurse gesehen zu haben.
Die Hamburger Notierung lautet auf Mk. 67.50 gegen Mk. 66.25
Geld am gleichen Tage des Vormonats.
Sebaldsbrück, 1. Januar 1909.
Bremer Silberwarenfabrik,
A ktiengesellschaft.