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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0033

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K- 6.

Ob und von wem ein Tyrann geliebt werden kann.

Derjenige, der Alle ungestraft beleidigen, aber selbst nicht
ungestraft beleidigt werden kann, wird nochwendigerweise sehr-
gefürchtet und demnach nochwendigerweise auch sehr verabscheut
werden. Aber, da derselbe in gleicher Weise auch Jedem, der
ihm besonders zusagt, mit Wohlthaten überhäufen, bereichern
und ehren kann, so muß auch derjenige, der von ihm Gnaden
empfängt, wenn er nicht auf die niedrigste Weise undankbar
und schlechter, wie der Tyrann selbst sein will, ihn lieben.
Ich antworte hierauf, daß Alles völlig wahr ist, aber noch
wahrer und begründeter ist die Thatsache, daß der von einem
Tyrannen eine Gunst Empfangende im Herzen stets undankbar
gegen ihn und daher noch schlechter als er zu sein Pflegt.
Müßte ich die Gründe dafür angeben, so würde ich sa-
gen, daß der grenzenlose Unterschied zwischen dem, was der
Tyrann geben und was er nehmen kann, nochwendigerweise
den Abscheu der zahlreichen Beleidigten grenzenlos und die
Liebe der wenigen Begünstigten heuchlerisch und kümmerlich
n-.achi. Der Tyr ar,« ranu Zieichthümer Macht und eingebil-
dete Ehren verleihen, aber er kann Alles, was er gegeben nnd
dazu auch noch das Leben und die wahre Ehre rauben; Dinge,
die Jemanden zu geben nie in seiner Gewalt stehen wird.
Bei Allein dem ist es wohl möglich, daß die gänzliche
Unkenntniß der eigenen Rechte bei einigen Menschen leicht den
unglücklichen Jrrthum hervorzubringen vermag, denjenigen auf
eine gewisse Art zu lieben, der sie der heiligsten Vorrechte des
Menschen beraubend, ihnen doch nicht den Besitz anderer ge-
ringfügiger Dinge nimmt, was er nach ihrer Meinung mit
demselben Rechte, oder doch ungestraft thun könnte. Es ist
dies in der That eine sehr sonderbare Liebe und in jeder
Hinsicht mit der zu vergleichen, die man für einen Tiger ha-
ben würde, der uns nicht verschlingt, obgleich er es könnte.
Diesen thörichten Leidenschaften werden rohe und arme Men-
schen zum Opfer werden, die keine andere Glückseligkeit be-
sitzen, wenn nicht die, daß sie den Tyrannen nicht sehen, und
noch weniger kennen; aber eben diese werden ihn auch nur
wenig fürchten, da ihnen nichts oder wenig zu verlieren übrig
bleibt. Wenn ihnen daher in seinem Namen auch nur die
geringste Gerechtigkeit erwiesen wird, so bilden sie sich in ih-
rer gedankenlosen Unwissenheit ein, daß sie ohne den Tyran-
nen auch nicht einmal diese Halbgcrcchtigkeit erhalten haben
würden. Aber nimmer werden diejenigen in dieser Weise von
«hm denken können, die sich ihm alle Tage nähern und dessen
Unfähigkeit, sowie Strafbarkeit kennen, wenn sic auch selbst
von ihm Glanz, Ehren und Neichthümer zu Thcil erhalten.
Diesen Wenigen ist zu sehr die ungeheuere Macht des Tyran-

1848.

nen bekannt, zu werth sind ihnen die von ihm empfangenen
Neichthümer, um nicht denjenigen aufs Höchste zu fürchten, der
sie ihnen in gleicher Weise wieder nehmen kann. Fürchten
und Hassen sind zwei gleichbedeutende Worte.
Jene Furcht aber, die an den Höfen die Larve der Liebe
annimmt, erzeugt eine vielartige, ungestaltete und abscheuliche
Leidenschaft, die der Tyrannen, die sie erwecken, sowie der
Sklaven, die sich dazu bekennen, gleich und wahrhaft würdig ist.
Derselbe SejanuS, der in der wankenden und dem Einstürze na-
henden Grotte mit offenbarer Lebensgefahr das Leben des Tiberius
rettete, verschwor sich doch gegen ihn, obgleich er seitdem un-
zählige Gunstbezeugungen erhalten hatte. Ich frage: Liebte
Sejanus den Tiberius in dem Augenblicke, in welchem er sich
in die augenscheinlichste Gefahr stürzte, um ihn zu retten?
Gewiß nicht! In eben diesem Augenblicke diente Sejanus
nur seinem eigenen berechnenden Ehrgeize in derselben Weise
in der wir alle Tage in unseren Armeen die glänzendsten,
weichlichsten und verdorbensten Offiziere dem Tode trotzen se-
hen, aus keinem andern Grunde, als um ihrem kleinlichen Ehr-
geize zu genügen und sich die Gunst der Tyrannen zu erwer-
ben. Verabscheu« Sejanus in dem Augenblicke, als er gü-
gegen Tiberius verschwor, denselben mehr als in dem Augen-
blick, wo er ihn rettete? Er verabscheute ihn gewiß nachher
noch weit mehr, wenn er bedachte, mit welchen unermeßlichen
Ncichthümern ihn Tiberius überhäuft und welche unermeßlichen
Neichthümer er ihm demzufolge auch wieder nehmen konnte.
Da er daher für seine und seines Mammons Sicherheit fürch-
tete, wenn er die einzige Macht, die ihn vernichten konnte,
nicht selbst vernichtete, so zögerte er keinen Augenblick weiter
und unternahm es, ihn mittelst reiflich überdachten Planes aus
der Welt zu schaffen. Einem Tiberius, zu waö immer für
einer Zeit und was immer für einem Orte er auch geboren
werden mag, werden nie andere Freunde zu Thcil werden.
Wenn der Tyrann also selbst von denen, die er mit Wohl-
thaten überhäuft, im höchsten Grade verabscheut wird, wie mag
er dies erst von denen, die er mittelbar oder unmittelbar be-
leidigt und beraubt, werden? Nur die gänzliche Dummheit
der Armen, Unwissenden und von ihm entfernt Lebenden ver-
mag also eine Art Liebe für den Tyrannen zu erzeugen, da
Niemand von ihnen denselben je gesehen noch kennt, und diese
Art Liebe kann nur als ein Grad geringeren Abscheus ausge-
legt werden. Jeder Mensch kann ebenfalls aus einer thörich-
tcn und schändlichen Prahlerei vorgeben, daß er den Tyrannen
liebe, aber nimmermehr wird dies in Wahrheit je stattsinden.
Eine solche gemeine lügenhafte Prahlerei findet sich nur bei
den größten Schurken, die den Tyrannen am meisten fürchten
und ihn darum auch am meisten verabscheuen.

Freitag, 7. April.
 
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