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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0069

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Die Republik erscheint
täglich. Preis in Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l st.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die drcispalt. Pctitzeile2kr.



M- 13.

Sonntag, 1«. April.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u-
Wolff und bciKaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten-

1848.

Vorschlag zu einer Wahlordnung für die deutsche con-
stituirende Versammlung.
Die vorbereitende Versammlung zu Frankfurt hat be-
schlossen, daß die deutsche constituirende Versammlung, welche
sich am 1. Mai 1848 zu Frankfurt versammeln wird, von
Abgeordneten besucht werden soll, welche unverzüglich vom
Volke gewählt werben müssen. Man fand es ganz recht, daß
das Volk selbst, das heute allein souverän ist (das heißt,
dessen Wille das Gesetz für ganz Deutschland vorzuschrciben
hat) auch die Männer selbstständig wähle, welche das Ver-
trauen besitzen, daß sie keinen Willen wahrhaft aussprcchen.
Das Volk besteht aber aus der ganzen Bevölkerung, und deß-
halb soll auch die Bevölkerung den Maaßab für die Zahl der
Abgeordneten geben. Auf eine Bevölkerung von 50,000 See-
len wird nämlich ein Abgeordneter gewählt. Jeder Deutsche
der nach den Gesetzen des Landes volljährig ist, kann und soll
mitwählen, und ebenso soll jeder volljährige Deutsche als Ab-
geordneter gewählt werden können. Auf den Wohnort, den
Glauben, oder gar eine bestimmte Steuer kommt es dabei gar
nicht an. Der deutsche Handwerker z. B., der in Hannover
gebürtig ist, aber in Wiesbaden in Arbeit steht, kann sich durch
Vorzeigung seines Geburtsaktes bei der Wahlbchörde melden
und da der Hannoveraner nach den Land-sgesetzen erst mit 25
Jahren volljährig wird, so kann er in Wiesbaden mitwählen,
wenn er 25 Jahre zählt. Der Nassauer ist nach dem Nas-
sauer Gesetze schon mit 23 Jahren großjährig — steht er in
Hannover in Arbeit, so kann er dort mitwählen, sobald er
nur 23 Jahre alt ist. Ebenso kann z. B. der Oesterrcicher
einen Preußen, und der Preuße einen Oesterreicher als Abge-
ordneten wählen.
Die Versammlung hat wohl cingesehen, daß wenn man
recht sicher erfahren wolle, auf welchen Mann das Volk das
größte Vertrauen hat, cs seinen Abgeordneten selbst, also ohne
Dazwischenkunft dritter Personen, sogenannter Wahlmänncr
oder Bevollmächtigter, wählen müsse. Wem also die meisten
Wähler ihre Stimmen geben, der soll Abgeordneter sein. Das
ist auch natürlich, denn wenn die Wähler erst eine Zahl von
Wahlmännern wählen, die dann den Abgeordneten zu ernen-
nen haben, so ist es nicht das Volk, sondern es sind eigent-
lich die Wahlmänner, welche den Abgeordneten für sich und
nach ihrem Gutdünken wählen. Wer kann dann aber sagen,
daß diese Wahlmänner auch wirklich im Sinne und im wah-
ren Interesse des Volkes handeln? Es kann auf sie eingewirkt
werden — sie können andere Interessen haben, und es kanu
an einer Stimme hängen, ob sie so wählen, wie es das Volk
Wirklich gethan haben würde.

Weil nun aber von manchen Seiten behauptet worden
ist, daß die allgemeine Wahl durch das Volk selbst in vielen
Gegenden schwierig sei — auch daß das Volk hier und dort
noch nicht so politisch gebildet sei, um eine gute Wahl zu tref-
fen, so hat die Versammlung zu Frankfurt ausgesprochen, es
sei zwar im Grunde wünschenswerth, daß überall sogleich vom
Volke der Abgeordnete gewählt werde — in den Staaten
aber, wo dies nicht thnnlich sei, solle es der Behörde über-
lassen sein, zuerst Wahlmänner und durch diese den Abgeord-
neten wählen zu lassen. Es läßt sich aber doch gar nicht
denken, daß sich das deutsche Volk in irgend einem Staate
unfähig erklären lassen will, seinen Abgeordneten selbst zu wäh-
len. Man muß ihm doch sagen, zu welchem Zwecke es Wahl-
männer wählen soll, und wenn es diesen Zweck begreift,
so kann es gewiß ebenso gut grade darauf losgehen, und statt
hundert Männer, die nach seinem Wunsche handeln sollen,
einen einzigen wählen. Nun weiß man wohl, daß die
Regierungen gern überall werden durchsetzen wollen, daß das
Volk nur die Wahlmänner wählen soll. Mit diesen, denkt man, wird
man schon eher unterhandeln können! Schlimm genug, wenn
es^rn irgend einem Staate so geschehen kann — aber in den
Staaten, wo das Volk sein Recht kennt und selbst schützr, da
wird es nicht zugeben, daß man ihm in dieser Weise seinen
freien Willen beschränkt. Das kann es in Volksversamm-
lungen aussprechen, und dann wird sich die Regierung hüten,
ihm geradezu zu erklären, daß es nicht selbst so einsichtsvoll
sei, den Vertreter seiner wahren Meinung herauszusinden.
Auch ist es gar nicht schwer, die unmittelbare Wahl durch
das Volk vornehmen zu lassen, und alles, was man für das
Gegentheil aufstellt, beruht nur auf falschen und nichtssagen-
den Behauptangen. In allen Staaten gibt es Bevölkerungs-
listen — d. h. man weiß ziemlich genau, wie viele Einwoh-
ner — Männer, Frauen und Kinder in jedem Orte wohnen.
Man vereinigt daher nach den zuletzt aufgestellten Listen so
viele Gemeinden in einen Wahlbezirk, daß ihre Gesammtbe-
völkerung 50,000 Seelen betragt. Aus emige hundert kommt
es dabei nicht an, wenn in dem andern Wahlbezirk einige
hundert mehr sind.
In der größten und best gelegenen Stadt, oder in dem
größten und best gelegenen Dorfe eines solchen Wahlbezirkes
wird nun eine Wahlkommiffion errichtet.
Diese muß bestehen aus einem oder mehreren von der
Regierung bestellten Eommifsarien, welche aber keine Staats-
beamte sein dürfen, sondern Männer, die das Vertrauen des
Volkes besitzen — namentlich solche, welche unbesoldete Ge-
meindeämter bekleiden. Die Commissionen müssen verstärkt
werden durch Männer, welche das Volk selbst in deßhalb M
veranstaltenden Versammluugen erwählt.
 
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