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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0265

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Die Republik erscheint
täglich. Preis in Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden 1 fl.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Pctitzeile 2kr.

Die Republik.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

62. Donnerstag, 8. Juni. 1828.

Die Ausnahme-Gesetze des alten Bundestags von den
Jahren 1819, 1824, 1831 und 1834.

Schon ain 2. April d. I. verlautete in glaubhafter Weise
in Frankfurt a. M. (S. die 3 Aktenstücke über das Verhalten
der Minorität auf den Volkstagen zu Frankfurt a. M. vom
3l. März bis 5. April) daß alle, seit der neuen Bewegung
nicht ersetzten Bundestagsgesandten sofort ihre Entlassung nach-
suchen würden, und daß der Bundestag am folgenden Tage
sich von allen verfassungswidrigen Beschlüssen lossagen würde.
Die Versicherung dieser Thatsache erfolgte am 3. April
gleich im Anfang der Sitzung durch den damaligen Präsiden-
ten Mittcrmaier in offizieller Weise. Heute sind es 2 Mo-
nate, daß diese feierliche und öffentliche Erklärung in jener
deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt gemacht wurde
und nun haben wir seitdem vergeblich auf die öffentliche Er-
klärung des sogenannten neuen Bundestags gewartet, daß
alle, und welche? jene ältern Bundestagsgesandten ausgetre-
ten und abgercist seien, und daß der Bundestag sich regene-
. i.t- habe, auch daß alle verfassungswidrige, vöm alten Bun-
destag gemachten Ausnahme-Gesetze von den Jahren 1819,
1824, 1831 und 1834 wieder vollkommen zurückgenommcn
und bereits aufgehoben seien.
Trotz jener offiziellen Kundgebung des Präsidenten Mit-
termaier in der Sitzung der deutschen Nationalversammlung
vom 3. April ist aber bis heute das Publicandum des resur-
girten Bundestags unsers Wissens nicht erschienen. Die Re-
gierungen handeln immer noch nach jenen verwünschten Aus-
nahmegesetzen und verheimlicht gewesenen Wiener Protokollen
von 1834, ohne daß die ehemaligen, sonst unermüdlich gewe-
senen Eiferer gegen den alten Bundestag und gegen jene Aus-
nahmegesetze, diese nunmehrigen regenerirten Herren Bundes-
tagsgesandten Welcker, Jordan, Römer ic. in der jetzt
in Frankfurt versammelten deutschen konstituircnden Versamm-
lung auch nur ein einziges Wort hierüber gesprochen oder
daß diese höchste Versammlung jene regenerirten Herren an
die öffentliche Erfüllung jener offiziellen Kundgebung erinnert
haben.
Ist dem souveränen deutschen Volk diese Erscheinung nicht
höchst auffallend? oder war jene Versicherung des Präsidenten
vom 3. April etwa nur eine Lockspeise gewesen, damit man
nicht damals schon nachhaltig verläugnen möge, was hätte
geschehen sollen , nämlich daß überhaupt der durchlauchtigste
Bundestag förmlich und definitiv aufgelöst werde? dieser im
deutschen Volke niemals gewurzelte, und daher in der einge-
tretenen Wärme der neuen Bewegung alsbald verdorrte Baum
der Erkcumniß des Bösen im Vaterlande.

2? Heidelberg, 6. Juni. Die ganze deutsche Welt, ja
Europa ist gegenwärtig in zwei große Lager getrennt. In
dem einen werden die Grundsätze der Monarchie, d. h. die
Herrschaft des Säbels, der Frohnvögte, der geistigen und leib-
lichen Bedrückung, die Herrschaft der Pfaffen und Amtleute,
in dem andern werden die Grundsätze der Freiheit, der Gleich-
heit, der Brüderlichkeit, des Wohlstandes, der Bildung für
Alle ohne Unterschied erfochten.
Das Lager der Gewaltherrscher ist das ausgedehnteste,
das bedeutendste, weil eine Jahrhunderte währende Uebung
eine tadelnswürdige Nachgiebigkeit von Seiten der sog. Unter,
thanen den sogen. Herren alle materiellen Kräfte zur Verfüg-
ung gestellt hat; und es ist in der That zu verwundern, das
trotz dieser lange geübten Knechtschaft im Volke noch ein Funk,
von Selbstgefühl und Menschenwürde übrig geblieben ist; er
ist beinahe unbegreiflich, daß in ihm der Sinn für seine un-
veräußerlichen Rechte noch nicht vernichtet werden konnte, daß
es noch ein anderes Lager gibt, in welchem die Flamme der
Humanität fortwährend ihren Altar besitzt.
Wenn die Menschheit umzubringen wäre, so hätte das
der Zwangs- oder Polizei-Staat, die Religion der Dehmuth,
d. h. der christlichen, im Verein mit der Tyrannei der Tyran-
nen längst zuwege bringen müssen. Aber Solches ist nicht
möglich und das Volk beweist eben durch seinen fortgesetzten,
wenn auch oft stillschweigenden Widerstand gegen die moral-
ische Vernichtung seinen göttlichen Ursprung, seine Bestimmung
zu innerer, sowohl als äußerer Freiheit.
Das Volk mag durch den offenen Druck, durch die
Schlauheit und Hinterlist, welche von allen Seiten her auf
dasselbe losstürmen, in seinen edelsten Regungen und Streb-
ungen gehemmt und auf eine solche Bahn gebracht werden,
aber es thut doch über kurz oder lang immer wieder kund, daß
es der unverwüstliche Phönir ist, von welchem die alten Fabel-
bücher sprechen. Wenn das Volk auch noch nicht überall zu
einem vollkommen klaren Bewußtsein dessen was es will, ge-
kommen ist, wenn es sich auch noch nicht Mann für Mann
erhoben hat, um das Scepter in die Hände zu nehmen, das
ihm und ihm allein gebührt, so zeigt sich doch sein richtiges,
durch keine Künste der Bosheit irre zu führendes Gefühl,
sein Instinkt für die Freiheit dadurch , daß es offen die Vor-
fechter derselben für seine Lieblinge erklärt. Im Volke besteht
zwar noch der andressirte, von Vater und Großvater über-
kommene Respekt für einen Gelehrten, für die Träger der
bestehenden Gewalt, noch immer übt der Soldatenrock, die
schwarze Tracht der Geistlichen, eine Krone, ein Purpurmantel,
ein Orden und dergleichen Kindereien den hergebrachten Ein-
fluß; aber laut und geheim verehrt das Volk doch diejenigen
 
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