Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Republik — 1848

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0747

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden I fl.
t(> kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzeile 2kr.

.V 18».



Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Mittwoch, 8. November.

1848.

Inserate für unser Blatt können/ der Bequemlichkeit wegen
auch in der Stadt bei Kaufmann Berner abgegeben werden.

Vereinigte Staaten von Deutschland.
/X Heidelberg, 7. Nov. Die leibes- und geistig-
kräftige Jugend der Turngemeinde von Worms, die nicht in
dem verkrüppelten Jahnhagelthum einer abgekommenen Dcutsch-
Eigcnthümelei stehen blieb, hat ihrem ehemaligen Patrone
eine herrliche Epistel geschickt. In derbkühn offener Sprache
legen sie an den Tag, daß man höher schwören müsse, als
beim heiligen Bart dus Vaters Jahn, der aus einem ehema-
ligen freien deutschen Mann ein schwacher, weinerlicher Lob
redncr der verjährten constitutionellcn Monarchie geworden ist,
ja mit den ungünstigsten Gegenfüßlern der Neuzeit auf glei-
cher Linie steht, und auf seinem eigenen Noßinantie veralt
knabter Deutsch-Ritterlichkeit herumreitct, bis er vollends matt
zur Erde sinkt. Die Adresse lautet wie folgt:
Die Turngemeinde Worms
an den
ehemaligen Turnvater Jahn.
Die Turncrfchaft von Wormö hätte ihnen eigentlich Nichts
mehr zu sagen, da Sie sich durch Ihr ganzes seitheriges Ver-
halten von der . Bahn losgeriffcn, die Sie Ihr ganzes Leben
lang veifolgt. Allein noch heißen Sie der Turnvater Jahn;
Sie führen diesen Namen, obgleich Sie desselben nicht mehr
würdig sind. Dieser Name ist die einzige Ursache, weshalb
wir Ihnen gegenüber eine Meinung aussprcchen und Ihnen
erklären, daß wir Sie fortan nicht mehr als den Unsrigen an-
erkennen. —
Das deutsche Volk hat Sie gehalten und gestützt, als
Sie verfolgt waren von Denen, in deren Sold sie jetzt stehen,
es hat treu bei Ihnen gestanden zur Zeit des Sturms — und
als die Sonne schien, verließen Sie es. Der Sturm wird
wieder kommen, dann suchen Sie Hülfe bei Denen, deren
Brod Sie jetzt essen, die Turnerschaft kennt Sie nicht mehr,
Sie find fortan gestrichen aus unserem Gedächtnisse, es gibt
keinen Turner Jahn mehr. —
Im Namen der aus mehr als 200 Mitgliedern bestehenden
Turngemeinde.
* Heidelberg, 6. Nov. Der Oberpolizeidircktor Eu-
ropas, der Czar Nikolaus hat einen Brief an den Stellver-
treter Gottes, an den Pabst geschrieben, worin er, der russi-
sche Stellvertreter Gottes, dem abendländischen Collegen einen
brüderlichen Verweis ertheilt. Du Pius IX. mit Deinen Neue-
rungen, Du bist eigentlich der Urheber-aller Verwir-
rungen in Europa. Mache Dein Vergehen wieder gut,
dämme die Fluth der Demokratie, an Geld und Musketen soll
es Dir nicht fehlen. — So schreibt der hohe russische Corre-

spondcnt. — Lieber Freund Nikolaus, mit Deiner Pelzkapp
und Deinen großen Stiefeln, Du bist zum Falschen gekommen!
Die Pabstzeiten sind vorbei, vorbei die Zeiten, wo ganze Völ-
ker sich in den Staub werfen und zitternd ihrem Untergange
entgegeuschen, wenn vom »Stuhle Petri» der Bannstrahl ih-
nen drohte, wo Millionen und aber Millionen sich zum Vor-
theile Weniger, in Dummheit und Dunkelheit hüllen ließen,
und wo Tausende sich auf die Schlachtbank führen ließen für
ihn, den sogenannten Stellvertreter Christi. Die Zeiten sind
vorbei.
Der Geist läßt sich nicht mehr durch Lüge und Täuschung
binden, wenn er die Wahrheit und das Recht gesehen, viel-
weniger, daß ihr durch Geld und Musketen die Fluth des All-
gewaltigen dämmen könnt. Lieber Nikolaus, Dein Stündlein
schlägt auch! Keine Musketen, kein Geld und kein Pabst
wird die Bildung auS Deinem Lande fernchalten und der Fluch,
der alle die trifft, die dem Volke und dem mächtigen Geiste
der Wahrheit und Freiheit entgegen waren, wird Dich ereilen,
früher oder später! —
* Heidelberg, 7. Nov. Das Beste, was wir aus
Wien berichten können, ist Das, daß noch immer keine Nach-
richten von dort kommen. Hätte Windischgrätz, wie die Fürsten-
blätter erzählen, so im Vorübergehcn Wien eingenommen, und
besetzt, so etwa, wie man einen Pfannenkuchen zu sich nimmt,
so hätte man sicher schon die genauesten Nachrichten über den
Kampf, den Sieg und die »Heldenthaten der braven Trup-
pen;» so bleiben aber alle Briefe und Zeitungen aus, und
nur die Berliner servilen Blätter wollen Nachrichten von dem
Kampfplatze haben. Was ist natürlicher, als das, daß die
Berliner Blätter, die im Interesse der Fürsten schreiben, nur
Siegesnachrichten bringen? In Berlin, wo jetzt ohnedies die
größte Aufregung herrscht, würde die Nachricht vom Siege der
Volkssache, den Ausbruch der Revolution Hervorrufen, und
selbst wenn die Blätter ganz schwiegen, würde das Volk dies
als verdächtig anschen, darum schreibt man eben einmal dar-
auf los, man beschreibt den Sturm die Einnahme, die Be-
setzung der Stadt, aber zum Unglück das eine Blatt so, das
andere wieder anders. Die einen erzählen, die Stadt soll
am Burgthor zuerst erstürmt worden sein, die Studenten die
Waffen gleich uiedergelegt haben; die Anderen sprechen von
dem ersten Siege am rothen Thor und von der Besetzung des
Schwarzenbergischen Gartens durch die Studenten und die Ar-
beiter rc. re., und das Alles soll am 30. und 31. stattgefunden
haben, und von demselben Tage berichten wieder andere Blät-
ter vom Siege der Wiener. Man sieht, nichts Bestimmtes
nichts Zuverlässiges und wie gesagt: die beste Nachricht ist die,
daß gar keine gekommen ist.
Der Kampf dauert entweder noch fort, oder die Wiener
 
Annotationen