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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0421

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Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l fl.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die vrcispalt. Pctitzeile 2kr.



Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

108. Freitag, 21 Juli. 18L8.
Bestellungen auf die Republik, 3. Quartal, vom ersten Juli an, können fortwährend
noch gemacht werden.

Uebsr Vereine gegen bestehende Staatsformen.
Es gibt Menschen, die nicht taubstumm aber wohl taub
und blind sind, oder höchst vergeßlich. Mir thun noch Augen
und Ohren weh von dem Donnern und Blitzen, unter welchem
die Stimme der Revolution auo dem Himmel der Geschichte
— all' die künstlichen Staatö-Kartcnhäuser zusammenblasend —
uns abermals aufforderte zur Anbetung der Volksherrlichkeit
— und schon hoffen jene Menschen wieder, dem Sturm der
Geschichte mehr Respekt vor ihren neuen Gebäuden einznfiößen,
wenn sie die Gegenpartei mit Drohungen in ehrfurchtsvoller
Entfernung von dem schon wurmstichigen konstitutionellen
Sparrwerk halten!
Denkt ihr damaligen Machthaber denn wirklich, daß ihr
weiser, glücklicher sein werdet, als alle die Gesetzgeber vor
euch? Zur heiligenden Befestigung ihrer Herrschsysteme haben
diese die Götter vom Himmel herabkommen lassen - und all'
ihre ewigen unantastbaren Verfassungen sind spurlos verschwun-
den! Was ihr gebaut habt und noch baut — untergehen
wird cs, noch könnt ihr indessen die Art des Untergangs be-
stimmen! Wünscht ihr Sturmpetitionen oder wilde Gewalt,
dann macht es wie früher und stellt zu drei Unzufriedenen
einen Polizisten mit sechs Soldaten; wenn ihr aber die fried-
liche Reform vorzieht, d. h. daß das Volk laut sprechen darf,
so daß es die Kammern hören und darnach die Staatsein-
richtungcn ändern können, so schafft hier in Baden die alte
Vereinsgcsctzgebung ab! Nicht -der zeitweilige Minister soll
einen Verein auflösen können, wenn er ihm staatsgefährlich
d. h. seinem System gefährlich dünkt, sondern nur das Gericht,
sofern der Verein verbrecherische Absichten hat! Welche Ver-
eine sind aber verbrecherisch in Bezug aus den Staat? Etwa
die, welche durch geistige Einwirkung auf die Deputaten und
ihre Wahlen die Aenderung der ganzen Staatsform in gesetz-
licher Weise bezwecken, — vielleicht die Republik zur Monar-
chie oder die Monarchie zur Republik machen wollen? Wer
hierzu ja sagt, erklärt entweder die bestehende Staatsform für
heilig und unveränderlich — siehe oben — oder er gestattet
zwar Veränderung, aber verbietet den Versuch zu Verände-
rungen.
Ich behaupte, gegen den Staat als Staat gibt es kein
anderes Verbrechen, als die verunglückte Anwendung von Ge-
walt. Verbrecherisch ist daher ein Verein nur dann, wenn er
gewaltsamen Umsturz bezweckt.
Angreifen überhaupt kann ich den Staat ja nur mit Ge-
walt oder durch die Acußerung von Gedanken; gegen. Gedan-
ken verliert aber Strafe und Polizei ihre Wirkung! Dock-
nicht die Gründe meiner Ansicht will ich zeigen — sondern
ihre Folgen.

Ein Hauptgrund, weshalb wir im Staate in geordneter
Gesellschaft leben wollen, ist der Wunsch, möglichst viel gegen
äußere Gewaltthätigkeiten unserer Rebenmcnschen gesichert zu
sein! Will irgend Jemand zuschlagen, so rufe ich ihm zu:
Halt ein! Entweder ist dein Wille der Meisten, bann brauchst
du dich nicht weiter zu bemühen — ich nehme die Prügel für
empfangen und gebe nack — oder du bist in der Minderheit,
dann hast du vom Prügeln nichts als das Prügeln und die
Prügel!
Dies Beispiel will so viel sagen: In demjenigen Staate
wirb man sich am wenigsten zu äußerer Gewalt verleiten lassen,
wo man im freien Verein sich seiner Stärke oder Schwäche
bewußt werden, wo jede Partei die Nutzlosigkeit des Kampfes
sehen kann.
Ferner ist Dreinschlagen für den Ueberlegsamen immer
eine mißliche Sache — es ist leicht zu beweisen, daß selbst die
Armen bei Unordnung, ja bei etwaiger Plünderung keinen
Vortheil haben. Es fragt sich nun, wo ist trotz dem größere
Versuchung drein zu schlagen, wenn die Möglichkeit, meinen
Willen durch friedliches Bekehren und Vereinen durchzusetzen,
erweitert oder beschränkt ist? Es gibt nun einmal Menschen,
die auf Durchführung ihrer Ideen versessen sind; besteht eine
Vereinsfreihcit wie ich sie will, ist die Staatsform wie ein
nasses Gewand, das sich an die Formen des Volkogeistes an-
schmiegt — dann werden jene Männer durch Einfluß auf die
Gesetzgeber-Wahlen in Ruhe und Frieden zu siegen suchen —
wie bei den großartigen Reformen in Nord-Amerika und Eng-
land; — wenn man aber solches Agitiren wie früher, verbietet,
was war sind wird die Folge sein? Ueberlistung der gcsamm-
ten — ich weiß nicht hoch oder hochwohllöblichen — gehei-
men Polizei, Verschwörungen und schmähliche Empörung, wenn
die Uuruheköpfe in der Minderheit, ruhmvolle Revolution,
wenn die Volksfreunde in der Mehrheit sind!
Kann man denn die Bestrebungen eines Vereines über-
haupt durch seine Aufhebung hindern? Märtyrer heißt auf
deutsch Zeuge — macht nur Märtyrer — weiter könnt Ihr
nichts mit eurer Polizei-Gewalt — und ihr Zeugniß macht
euch sicher den Prozeß verlieren! Ich glaube an keine Reak-
tionärs — an keine Rückgängigmacher — aber Vorwärtsdrän-
ger - vorwärts in die himmelblaue unendliche Anarchie —
solche Leute gibt es — und dazu gehören gerade Die, welche
durch Präventiv-Polizei das Unmögliche — die geistige Propa-
ganda hindern — wollen und dadurch die so leicht umgangenen
Gesetze vollends um die Achtung bringen — welche sich über
ehrenwerthe Offenheit entsetzen, statt sich ihrer zu freuen und
unter unverfänglichem Namen dieselbe Sache erlauben zu wol-
len scheinen! — Da lobe ich mir den alten Solon; bei Ver-
lust des Bürgerrechtes mußte Jeder seine Meinung offen aus-
sprechen.
 
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