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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0505

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Heidelberg in der Buch-
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Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
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werden frankirt erbeten.

H" 12«. Mittwoch, 3«. Angnst. 18«8.

Deutschland und Italien.
Seit Mailand gefallen, darf Karl Albert von Sardinien
für Schimpf und Schande nicht sorgen; allgemein wird er als
der absichtliche Verräther der Lombardei erklärt. Wir glauben,
daß man ihm hierin Unrecht thut, denn ein König treibt die
Vcrrätherci in der Regel nicht so weit, daß er seine eigene
Krone in so große Gefahr setzt, wie Karl Albert dies gethan;
auch zeigen alle Umstände seiner Schlacht und seiner Flucht,
daß eS ihm mit Bekämpfung seiner Gegner wohl Ernst gewe-
sen, daß er aber in der Schlacht durch die Bewegungen der
österreichischen Truppen und ihre erbitterte Tapferkeit überwun-
den wurde, worauf die rasche Verfolgung des Sieges durch
Radetzky einen panischen Schrecken in die italienische Armee
brachte, so daß sie nirgends mehr Stand hielt, wie wir dies
auf unverhoffte Niederlagen ja schon bei allen Völkern häufig
wahrgenommen haben, wenn kein überlegener Feldherr ihre
Heere führte. Karl Albert konnte vielleicht in Mailand sich
halten, allein damit wäre der Stadt selbst am schlimmsten ge-
dient gewesen, denn ohne Zweifel hätte Radezky sie anzünven
und plündern lassen. Der Waffenstillstand ist nun hergestellt
und die sechswöchentliche Dauer desselben soll zu Friedensun-
terhandlungen benutzt werden. England und Frankreich wer-
den vermitteln, d. h. den Frieden diktiren, dessen Grundlagen
schon festgesetzt sein sollen. Ein Thcil der Lombardei falle an
Sardinien, der andere an Toskana, Venedig bleibe mit einem
Thcil seines Gebietes bei Oesterreich, und die Lombardei über-
nehme einen Theil der österreichischen Staatsschuld, lind hie-
bei wird es auch verbleiben, ob sich nun das deutsche Reichs-
ministerium der Sache annehme oder nicht. Ein Fetzen Land
mehr oder weniger für Oesterreich, einige Millionen auf oder
ab, das wird der Kern des Streites sein. Denn ob auch die
Nückschrittspartei in Wien schreit: Elsaß um Italien, ob auch
die Rückschrittsmänner aller Orten rufen: jezo habe man die
Lombardei wieder, nun müsse man sie behalten; in Wien selbst
spricht sich die radikale Presse, ein Theil des Ministeriums
und der überwiegende Theil der Nationalversammlung für Ab-
tretung der Lombardei aus. Lamartine aber, der romantische
Schwätzer, beweist bereits, daß Oesterreich Venedig und das
Gebiet nicht lassen können. Schwerlich dürften also den Ver-
handlungen über den künftigen Frieden unüberwindliche mate-
rielle Hindernisse entgegentreren, es wäre denn, daß die Lom-
barden und Venctianer sich solcher Verschacherung wrdersezten,
was aber nun bei der Lage Mailands gar nicht zu erwarten
ist. Allein wir fragen, ob dies dem Grundsätze des Rechts
jedes Volkes auf Freiheit und Selbstbestimmung entsprechend
ist, den die französische Nation bei ihrer Erhebung ausgespro-
chen, dem das Vorparlament zu Frankfurt beigcpflichtet hat,
den das deutsche Volk für sich wie für andere Länder bean-
sprucht und anerkennt? Wir sagen: Nein! Eine solche Schlich-
tung der italienischen Sache ist die Niedertretung des Grund-
satzes der Völkerfreiheit, ein Eintreten in die Fußstapfen der
alten verworfenen Diplomatie, welche Länder und Völker als

willenlose Dinge behandelte und verhandelte, Feindschaft, Fluch,
Krieg und Knechtschaft auf Jahrhunderte zwischen die Völker
pflanzte. Dieser Handel aber wird auch heute wieder dieselbe
Wirkung äußern, wie jederzeit; zuvörderst indcß wird Deutsch-
land diese Nachtheile empfinden. Auf ihm wird der Haß des
italienischen Volkes ruhen, ihm wird es die Schuld an der
neuen Zerstückelung geben; während es Frankreich und Eng-
land seinen wird als Schutzherren, welche wenigstens seine
gänzliche Unterordnung unter das deutsche Joch verhinderten",
wird Deutschland der Fluch treffen, seine Theilung und Be-
raubung verschuldet zu haben.
So pflanzt die Blindheit der deutschen Rcichsversamm-
lung Deutschland Feinde rings umher; als ob es ihr Amt
wäre, Frankreich und England in die Hände zu arbeiten, hin-
dert sie das Erstehen eines starken Italiens, setzt die gespalte-
nen Staaten in Abhängigkeit von dem ehrgeizigen und ruhm-
begierigen Frankreich und dem selbstsüchtigen englischen Krämer-
volke es hält durch die dem italienischen Blute aufs Innerste
widerstrebende Einverleibung Venedigs an Oesterreich am adrr-
atischen Meere eine Wunde offen, durch welche jede Seemacht,
welche Deutschlands Gegner ist, bei jedem Krieg in das Herz
Italiens einfallen und sich mit Italien gegen Deutschland ver-
binden kann, während Italien auch zu Land Jeden als Freund
aufnehmen wird, welcher kommt, um ihm die verhaßten Deut-
schen von seinem Boden zu vertreiben. Ein schwaches zerrisse-
nes Italien ist eine Lockspeise für Eroberer, also für alle Völ-
ker eher, als für das deutsche; ein starkes einiges Italien
wäre eine weitere Veste für Vertheidigung der Unabhängigkeit
aller Völker, denn auch Italien hat weder die Neigung, noch
die Verlockung oder Bestimmung, Eroberungen zu machen.
Man spricht von dem Nützlichkeitsgrundsatz in Handelsbezieh-
ungen, der durch Venedigs Einverleibung an Oesterreich für
Deutschland gerettet werde, man weist auf den Handelsflor
hin, welchen viele oberdeutsche Städte ehemals durch den Ver-
kehr von und nach Venedig erworben, allein gerade diese
Blüthe der deutschen Städte verdankten dieselben jener Zeit,
da Venedig im vollsten Genüsse der Freiheit und Unabhängig-
keit war; ein Beweis, daß keineswegs eine Einverleibung
desselben, sondern lediglich freundschaftliche Verkchrsbeziehungcn
nöthig sind, um zu beiderseitigem Vortheile auszuschlagen.
Uebrigens wäre cs eine ungemeine Thorheit, zu glauben, der
Flor Venedigs — selbst angenommen, er würde wicderkeh-
ren, wenn der ostindische Handel wieder seinen alten Weg ein-
schläge — könnte die Wirkung auf die deutschen Städte äus-
ser», wie ehemals. Abgesehen davon, daß die Erzeugung
jener bedeutenden Ausfuhrartikel, welche im 14. und 15. Jahr-
hundert den Reichthum jener Städte begründeten, und wovon
wir die Lcinwandfabrikation zur vordersten rechnen, durch
gänzlich veränderte Verhältnisse der Erzeugung und Absatzwege
Deutschland für immer verloren ist, wird auch der einst so
wichtige Durchfuhrhandel nach Nord- und Mitteldeutschland
nie mehr die Bedeutung von ehemals erhalten; denn während
dieser Handel bei der Segelschifffahrt und den Frachtfuhrwerkm
 
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