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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0185

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Die Republik, erscheint
täglich. Preis in Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden 1 fi.
lO kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzeile 2kr.


ML

Mittwoch, 17. Mui.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten-

1848.

Folgender Auszug aus dem Werk des, jetzt im Funfzi-
gerausschuß in Frankfurt sitzenden Dr. Wilhelm Schulz,
ehemal. großh. Hess. Offizier, betitelt:
Deutschlands Einheit
durch
Nationalrepräsentation.
ist für die Gegenwart und also auch für unsere Leser von be-
deutendem Interesse, weshalb wir ihm hier gerne Raum
gönnen:
Nachdem im Vorhergehenden die Vortheile der National-
repräsentation ausführlich entwickelt und auf diese Weise im
Voraus jeder Bedenklichkeit gegen die Behauptung derselben
begegnet worden ist, mag die direkte Widerlegung noch einiger
Einwendungen, die auf besonderen Gründen fußen, um so
kürzer gefaßt werden.
Diese Einwendungen kommen von den beiden äußersten
Enden der Parteien, in welche Europa gespalten ist. Die
Einen, die bequemen Anhänger des Bestehenden, ziehen sich
scheu vor jeder Neuerung zurück und meinen, das Bestehende
mit allen seinen Mängeln vertheidigt zu haben, wenn sie ei-
nige haltlose Zweifel gegen die in Aussicht gestellten Vorthcile
der beabsichtigten Reform äußern. Die Anderen mögen
überhaupt von dem Bestehenden nichts wissen und glauben
nicht eher etwas gewonnen zu haben, bis entweder die Mehr-
heit aller deutschen Verfassungen zur Einheit Einer Verfas-
sung sich verschmolzen hat, oder bis wenigstens die monarchi-
schen Verfassungen vom deutschen Boden verschwunden sind
und Deutschland in einen demokratischen Föderativstaat um-
gebildet ist.
Die Anhänger der absoluten Einheit Deutschlands beru-
fen sich darauf, daß dieselbe unbedingt jeder staatlichen Zer-
splitterung vorzuziehen, und nicht minder leicht, als eine Eini-
gung der deutschen Volksstämme durch gemeinsame National-
vertretung, zu erringen sei. Sie suchen Lies mit der Behaup-
tung zu rechtfertigen, daß die Bande, wodurch die einzelnen
Staaten an ihre Fürsten geknüpft werden, seit lange gelockert
seien; daß die vielbesagte alte Treue der Unterthanen gegen
ihre angestammten Regenten nur noch als eine Phrase des
Kanzlcistyls vorkomme, etwa mit derselben Bedeutung, wie
man in Privatbriefen mit „unterthänigster Diener" sich un-
terzeichne; daß die alten baufällig gewordenen Regenten-
häuser auf dem Abbruche stehen und daß nach dem Allem die
Errichtung eines großen deutschen Staatsgebäudes keine

besonderen Schwierigkeiten haben könne. Diese Behauptungen
entbehren nicht aller Wahrheit. Allein sie gelten hauptsächlich
nur für den Theil von Deutschland, wo seit Jahrzehcn
ten die Willkür mit den getreuen Unterthanen Ball gespiel
und sie aus einer hohen Hand in die andere geworfen hat
Sic gelten dagegen nicht für den ganzen Osten unseres Va-
terlandes, für die Bewohner der altpreußischen und der östrei-
chischen Lande; denn wenn gleich xin Theil der Bewohner
derselben, wie z. B. die Mehrzahl der Tprolcr mit der öst-
reichischen Herrschaft wenig zufrieden sein mag, so bildet dock-
gerade dieser Volksstamm ein so eigenthümlicheö, in sich abge-
schlossenes Ganzes, daß er schwerlich geneigt sein dürfte,
seine Besonderheit jener pkojcktirten Einheit aufzuofcrm Sie
gelten ferner nicht für die altbairifchen Provinzen und selbst
nicht für beträchtliche Theile des mittleren und westlichen
Deutschlands. Wer also der Lieblingsidee einer unbedingten
Einheit Deutschlands die Integrität desselben nicht aufopfern
'will, muß schon deßhalb sich bewogen finden, nicht geradezu
auf sein Ziel loszustürmen.
Hier fällt aber noch ein anderes Gewicht schwer in die
Wagschaale. Was vielleicht die alte Gcmüthstugend der Treue
gegen die'angestammten Regenten nicht mehr zu bewirken ver-
mag, wird durch das mächtigere Interesse bewirkt. Ein sol-
ches ist durch die Mehrheit der Regierungen nicht nur für die
verschiedenen Residenzen, sondern auch in größerem oder ge-
ringerem Umfang für die Bewohner rings umher geschaffen
worden; und die hieraus entspringende Macht ist um so be-
deutender, als sich dieselbe in jedem Lande in größerer Masse
konzcntrirt findet,- und durch die längere Gewohnheit eines
von der Residenz ausgehenden entscheidenden Einflusses unter-
stützt wird.
Wir dürfen nur an die große Noch und an die Besorg-
nisse erinrrern, die unter den freisinnigen Bürgern von Kassel
laut wurden, als von einer Verlegung der Residenz die Rede
war, und die kein Billigdenkendcr tadelnswerth finden wird.
Wohl könnte es dahin kommen, wenn einmal die Losung zur
Gewalt gegeben ist, daß in den Momenten eines aufwallenden
Enthusiasnzns die absolute Einheit proklamirt, und daß dieser
Idee selbst ein Theil derjenigen zujauchzen würden, welche
durch Ausführung derselben in der Folge sich verletzt finden
möchten. Allein bald würde die Macht der Interessen und
die lange Gewohnheit der Trennung sich geltend machen.
Ein widerlich verwirrender Kampf, wo in dem heulenden
Sturm gemeiner Leidenschaft die Hoffnungen der wärmsten
Vaterlandsfreunde untcrgingen, würde unser ganzes deutsches
Land zerrütten, und auf blutigen, mit Trümmern bedeckten
 
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