Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Republik — 1848

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0775

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden I fl.
IO kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzcile Ar.


INI.

Die Republik.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner n.
Wolsf und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Donnerstag, 16. Nove über. 1848.


ss Die Wiener in Berlin.
Die Wiener Kamarilla, die ihr blutiges vaterländisches Drama
glücklich durchgespielt, in dem der Völkerbändiger Windischgräz
und der Krvatcnhäuptling Jcllachich die Heldenrollen so meister-
haft auSgeführt, puffte ganz wohl, daß das nagelneue Stück:
„die Wiener Kamarilla in Berlin" von dem ersten Schauspieler
und Comödianten Deutschlands gut gefunden und in Berlin zur
Ausführung gebracht würde. Seidelmann der zweite (auch unter
dem Namen Friede. W. IV. bekannt) hatte sich augenblicklich
seine Helden für das königliche Lustspiel und bürgerliche Trauer-
spiel auöersehcn. Die Generale Wrangel und Brandenburg,
zwei Helden ohne Kopf, ohne Herz, ohne Tendenz — sollten die
Bretter betraten, Unteroffiziere als Statisten signrircn, die Mili-
tärmusik spielen, die Trommler raffeln, die „getreuen" Kanonen
krachen — aber das Publikum hat in den noch erinnerlichen
Märztagen allen Geschmack an solchen königlichen Liebhabereien,
allen Sinn für das königliche Schauspiel uud seine Akteurs ver-
loren. Es will die ganze kostspielige Sippschaft sich vom Halse
schaffen, will sie verhungern lassen, dem Schicksal der schlesischen
Weber übergeben; mit einem Wort das lustige Berliner Publi-
kum geht in dieser ernsten Zeit ganz logisch zu Werke: nicht
nur aick die königliche Schauspielcrbande, sondern auf das König-
thum selbst wendet cs seine strengen Schlüffe an. Es sagt, es
gäbe nur noch ein Mittel daö Königthum zu besiegen, daö Mit-
tel, daß man die Quelle verstopft, woraus dasselbe sein fluch-
beladenes Dasein fristet, — daß man ihm die Steuern
verweigert. — Das Königthum kann nicht einmal Eommis-
brod produciren, womit es seine Roß und Reißige füttert, wenn
der Beutel des Bürgers verschlossen bleibt, und wir sind über-
zeugt, daß selbst ein Wrangel, ein Brandenburg, wenn sie mit
den Verhältnissen ihres Volkes und Vaterlandes bekannt wären,
zugcstehcn müßten, daß die Mistgabeln des Landmannes dem
Königthum wesentlichere Dienste geleistet hat, als ihre Degen,
mit denen ein praktischer Mann unserer Zeit, wie man zu sagen
pflegt, keine» Hund aus dem Ofenloch zu jagen im Stande ist.

Wereinigte Staaten von Deutschland.
* »Heidelberg, 15. Nov. Der große Kaiser, '„unser
Schwager," wacht ganz bedenkliche Sachen in seinem Reich.
Mit Schamyl, dem Tschcrkessenführcr, hat er einen Friedens-
vertrag abgeschlossen, die Truppen aus dem Kaukasus läßt er
au die deutsche Grenze marschieren. In Warschau
sollen schon 150,000 Mann angchäuft sein. An der preußi-
schen Grenze stehen 60,000 Mann Russen. Eine außerordent-
liche Militärmacht ist an der Grenze hin concentrirt.
Was sagst du dazu, deutsches Volk?
Deine Vertreter in Frankfurt schweigen, thuen nichts! —
„Deutschland wird entweder ein Kosacken-
reich oder eine Republik!" sagt Napoleon.

TKcinsienn, im November. Das Gefühl der allgemeinen
Entrüstung, das sich in hiesiger Bürgerschaft und im ganze»
Amtsbezirke unverholen über die Art und Weise ausspricht, wie
Amtmann Hcrterich von hier die Untersuchung hinsichtlich der be-
kannten Eisenbahngeschichte — führt, fängt an, diesem aufs
Herz zu fallen! —-
Vor einigen Tagen nämlich suchte er sich vor den: im Rath-
haussaale versammelten Gemeinderäthe und Bürgerausschusse in
Betreff seines Verhaltens in erwähnter Sache in einer Rede zu
rechtfertigen. Er erwähnte dabei anonymer „Drohbriefe", die
ihm gelegt worden seien und verlangte Schutz gegen derartige
und andere Verfolgungen. Die geringste Thätlichkeit, gegen ihn
begangen, bringe Weinheim vollends ins Unglück, habe dessen
abermalige Versetzung in Kriegszustand unabweislich zur Folge
u. s. w.!! Sie können sich denken, mit welchem Hohngelächter
diese überdies; sehr konfuse Rede in den Gesellschaften der Bürger
kritisirt wurde. Man erkannte allgemein darin die Sprache eines
schwer belasteten Gewissens. Wir wissen nicht, wie es sich mit
den „Drohbriefen" verhält; wenn es aber damit seine Richtigkeit
hat, so ist dies sicherlich ein Werk der allhier wohl be - und gc -
kannten Neactionsgcsellschaft, die Amtmann Hertcrich nur als
Werkzeug zu gebrauchen scheint, um ihr Müthchen an den freien
Männern Weinheims fortwährend zu kühlen! Die Männer der
Freiheit verachten derartige „feige" Machinationen. — Fortwäh-
rend senden hier noch Verhaftungen statt! (M. A.)
v Aus dem bad. Oberland, 13. Nov. Die
„Kloake, in die Bassermanii seine Geistesprodukte wirft" (Vogt
nennt so die Oberpostamts Zeitung schreibt über die Stimm-,
ung im Oberlandc, sie sei völlig umgeschlagen, es gingen täg-
lich Adressen der Anhänglichkeit an de» Großherzog aus den
Gemeinden ab. — Liebe „Kloake," so stark hat die Nachein-
druckgebende Einquartierung doch noch nicht gewirkt, und wird
auch nie den gewünschten Eindruck auf das badische Volk ma-
chen. Ein Vock, das für eine Sache sich den Kanonenkugeln
gegenübcrgcstellt, läßt sich durch falsche Kniffe nicht von seiner
Meinung, die es für die richtige erkannt, abbringen! Hun-
gert uns aus, gebt uns noch 60,000 Mann in's Land; wir müs-
sen sie jetzt ruhig tragen, die drückende Last; nie werden wir
aber glauben, daß wir den Republikanern diesen trostlosen
Zustand zu verdanken haben.
Die Verdoppelung der Abgaben in Frankreich, seit Ein-
führung der Republik, sagt ihr, habe uns sehr enttäuscht! —
Nein so täuscht man den gcsundten Sinn eines mündigen Vol-
kes nicht! wir wissen recht gut, daß die hohen Steuern in
der französischen Republik nur zur Deckung der Schulden, der
alten konstitutionellen Wirthschast ausgeschriebenswelden. Alte
Sünden rächen sich furchtbar. In der nordamcrikanischen Re-
publik kennt man keine Steuern, und in der Schweiz weiß
der Bauer beinahe nichts von Abgaben.
Wir sind noch die Alten im Oberlande!
Stuttgart, I I. Nov. Nach den Berichten der Kam-
mer bezog der König Friedrich vom Zahr 1806—1816, also
in 10 Jahre:
 
Annotationen