Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Republik — 1848

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0859

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l st.
IO kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzeile 2kr.

212.

Die Republik.

Sonntag, Itt. Dezember.


Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

18«8.

So treibt S die Reaetio» in Italien:
8 Mailand, 29 Nov. Trotz der verbreiteten Gerüchte,
dem auch wir in unserem gestrigen Blatte zur Rettung eines
schwachen Funkens von Recht und Gesicht des grauen Degens
Radetzky einigen Glauben schenken wollten, baß er die in sei-
nem Erlasse ausgeschriebenen Brandschatzungen wieder zurück-
nehme, ist bis jetzt nichts Bestimmtes bekannt geworden. Im
Gegcntyeil, Radetzky fährt fort, die Braueichatzungen einzu-
treiben und die erpreßten Gelber nach seiner KnegSkasse, Cou-
trada di Brera schleppen zu lassen. Die platte Räuberei, die
in diesem Verfahren liegt, ist siir Jedweden sichtbar.
Der Bando (Brandschatzungs - Edikte) erklärt in ächter
Soldaten-Logik: da die Neichen ausgewanbert seien, so fehle
den Armen alle Unterstützung und deshalb solle die Steuer
Armenfonds liefern, und doch wird der Mailänder Hospital
stlbst — der beste Zufluchtsort der Armen — mit 400,000
Zwanzigern gebrandschatzl.
Was thut Radetzky weiter? Er läßt nicht nur die ge-
wöhnlichen Steuern, sondern den doppelten nno dreifachen Be-
trag erheben. Die Lombardei, Venedigs Gebiet gar nicht ge-
rechnet, hat vom 5. August bis zum 15. Roo. nach offiziellen
Berichten über 27 Millionen Lire gezahlt. Die meisten Giss"
ter haben seit dem ö. August V. ihres Ertrags an Steuern'
zahlen müssen.
Seine Pascha's (Unter-Tyrannen) erpressen an allen Ecken
und Enden noch lokale Brandschatzungen, die ans Unerschwing-
liche grenzen. Endlich tritt Radetzky selbst noch aus mn seinem
Plan der Brandschatzung, die den Zweck hat, der Lombardei
und dem Vcnenanischen über hundert Millivnen Fran-
ken ihrer industriellen und im Ackerbau angelegten Betriebs-
kapital zu Gunsten der österreichischen Räuberchefs und des
österreichischen erschöpften Schatzes zu confisciren. So schätzt
der legale Näubcrgeneral das Eigenthum — die Sicherheit
der Personen garantiri er dadurch, daß er sie erschießen läßt.
Die Reichen, erklärt Radetzky, sind auSgcwandert und
entziehen sich dadurch der Steuerzahlung. Gut. Auch dieser
Fall wird ächt soldatisch abgcurtherlt. Radetzky versteht die
Sache so: Der Kaiser hat eine Amnestie erlassen, also ist es
Pflicht aller Lombarden, zurückzukehren. Wer nicht hcimkommt,
dem confiscirt er das Vermögen, und um die Amnestie recht
anschaulich zu machen, werden an allen Orten Fisiladen (Er-
schießungen) angestellt.
Um das Ganze würdig zu krönen, erklärt Radetzky alle
Kauf- und Schuldenverträge, die seit dem 18. März abgeschlos-
sen sind, für ungültig. Natürliche Säbelschlußfolgeruug! Wie
konnten die Mailänder sich auch unterstehen, etwas zu kaufen,
zu verkaufen, vorzuschießen oder verhypotheziren, ohne den all-
mächtigen, allgewaltigen Zwingherrn Radetzky zu fragen! Eine
weitere Probe, was man im Oesterreichischen unter Garantie
des Eigenthums versteht. Man könnte glauben, Radetzky habe
sein Völker- und bürgerliches Recht bei Karl Moor oder dem
SchinberhanS studirt. Aus diesem vor Augen gestellten Ver-

fahren der Reaktion, diesem Völker würgenden Tiegerthicre,
mag die zaghafte und schwankende Bourgeoisie, die immer
„Ruhe und Ordnung" im Munde führt, die freilich die Ruhe
der Kurse und die Ordnung der Papiere hauptsächlich darun-
ter versteht, — die den Fluch des Mißlingens des Sieges der
Freiheit auf sich lud, sehen, wohin Feigheit und Verrath führt,
— ihr Heiligstes, woran ihr Herz, wenn eines noch vorhan-
den ist, mit allen Fühlfäden hing, der Geldsack, wird die
Beute des Eroberes.
Was für ein großer, hoher Mensch ist gegen euch der ost
verhöhnte Proletarier, den ihr so oft als Gefährder des Ei-
genlhums beleidigt, der sein Herzblut im edlen Kampfe ver-
sprizt und euch die Beute des Sieges überläßt. Er besteigt
mit Wagniß und Gefahr den Baum der Freiheit und schüttelt
euch die goldenen Früchte, die ihr einsackt und für euch allein
behaltet.

Vereinigte Staate» von Deutschland.
* Heidelberg, 8. Dez. Nicht blos wir Badner, son-
dern auch die meisten andern deutschen Länder werden durch
ganz und gar nutzlose Einquartierungen bald erdrückt. Aus
Hiiburghaufen schreibt man: Selbst die früheren schrecklichen
Kriegszciien sind nicht so hart und drückend für die Stadt
Hiiburghaufen gewesen, als die jetzige Einqurtierung der
Reichotruppen. Denn seit dem 11. Oct. liegen fortwährend
starke Korps hier, zuerst Baiern mit Geschütz, dann Sachsen
mit Infanterie, Kavallerie und Artillerie, nebst dem General-
stab, und nun, da heute diese abziehen und nach Gorha und
Arnstadt marschiren, ziehen sofort wieder 450 Mann Weimaraner
ein und in manchem einzelnen Hause liegen 4 und mehr Mann
oder mehrere Offiziere, da der Kommandeur die Kaserne nicht
will beziehen lassen. Viele Unbemittelten müssen ihre schmalen
Bissen noch mit Soldaten theilen; auch die größten NeichSsteu-
ren waren nicht so brückend, und noch ist kein Ende abzuse-
hen. Die Klagen sind laut.
Wohin wird diese Solvatcnwirthschaft noch führen? Man
zwingt von Oben das Volk zum Acußersten!
.Heidelberg, 8. Dez. Zu den Schänd- und Buben-
streichen der Reactionsparthei in Wien, die wir letzthin mittheil-
ten, fügen wir nachträglich aus dem Baseler Jntelligenzdlatt,
einem servilen Blatte, folgendes noch hinzu:
Herr Specker von Sankt Gallen war Direktor einer' gros-
sen Maschinenfabrik, die vor der äußersten Zolllinie Wiens,
am Tabor, ganz vereinzelt stand. Er wie seine Arbeiter und
Werkmeister, sämmtlich Schweizer, hatten weder am Kampfe
Theil genommen, noch Waffen im Hause behalten. Es blie-
ben nur 15 Arbeiter zum Dienste der im Hofe aufgestellten
Feuerspritze in der Fabrik. Beim Anrücken des Militärs gab
der General Wy ß, Berner Patrizier und Chef des österreichi-
schen Generalstabs, Hrn. Specker sein Ehrenwort, wenn er
keine Waffen habe und nicht aus seiner Fabrik geschossen werde.
 
Annotationen