Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Republik — 1848

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0887

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l fl.
io kr. Bei Inseraten kostet
die drcispalt. Petitzcilc Ar.

ML 21».

Die Republik.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Dienstirg, IS Dezember.

1848.

Die Oktroyirung einer Verfassung
für Preußen.
Das Unglaubliche ist geschehen; der König von
Preußen hat die National Versammlung aufgelöst, und dem
Volke aus eigener Machtvollkommenheit eine Verfassung ge-
geben.
Was wird die deutsche Nationalversammlung zu einem
Beginnen sagen, dessen Consequenz ihr selbst das Dasein
raubt? Als der König von Preußen die Nationalversamm-
lung verlegte und zu dem Behufs vertagte, da war man in
Frankfurt zwar darüber einig, daß diese Maßregel, zumal sie
von dem unpopulären Ministerium Brandenburg und mit un-
gesetzlicher Gewalt ausgeübt worden, tadelnewerth sei, ob da-
rin aber eine Rechtsverletzung enthalten sei, das hielten die
gelehrten Verthcidiger des positiven Rechtsbodens, welche in
der Majorität der Nationalversammlung sitzen aber mindestens
für zweifelhaft, indem kein Gesetz bestehe, welches der Krone
das Recht, die Nationalversammlung zu verlegen, absprechci
— Dian wies darauf hin, daß die Verpflichtung der Krone
nach dem Patente vom April d. I., nur darin bestehe, inst
den Abgesanten des Volkes eine Verfassung zu vereinbaren,
eine solche Vereinbarung aber auch an einem anderen Orte
alö in Berlin erfolgen könne. — Nun steht die Sache an-
ders. — Die Krone hat die Nationalversammlung aufgelöst,
und selbst — einseitig — eine Verfassung gegeben. Wir
mußten erwarten, daß diejenigen Mitglieder der Nationalver-
sammlung, welche jedem entschiedenen Fortschritte, den die
linke Seite beantragte, das Recht der Krone oder der privile-
girten Stande entgegenhielten, um sich mit gleicher Entschie-
hcit dem Rückschritte der Krone und der Kamarilla durch die
Hinweisung auf das verbriefte Recht Les Volkes, mit der
Krone eine Verfassung zu vereinbaren, entgegensetzen würden.
Aber wie täuschten wir uns! Wir mußten cs erleben, daß
daß der graue Weicker, der sein Leben hindurch für das Recht
und die Ehre des Volkes gekämpft hat, mit höhnischem Tri-
umpfe auf die nothwendige Auflösung der Nationalversamm-
lung und auf das Gelingen dieses Staatsstreiches hinschaut
und das begangene Unrecht durch Hinweisung auf den Jubel
eines Theiles des durch Gesetzwidrigkeit aller Art unterdrückten
preußischen Volkes zu beschönigen sucht? Sir geben zu —
diese Männer deö Rechtsbodens, daß das geschriebene Gesetz
durch die Oktroyirung einer Verfassung verletzt worden sei;
aber sie getrosten sich ob dieser Rechtsverletzung, weil sie aus
Rücksicht auf das Gesammtwohl nothwendig gewesen sei, und
das Volk auch auf diesem Wege diejenigen Rechte und Frei-
heiten erlangt habe, welche einem freien Volke gebühren. —
Warum war denn, um hierauf näher einzugehen, die
Auflösung der Nationalversammlung und die Oktroyirung einer
Verfassung nothwendig? — Weil,, antwortet man uns, eine

Vereinbarung mit der Nationalversammlung wegen ihrer schlech-
tcn.Richtung nicht möglich war. — ES ist so viel schon darüber
gesprochen und geschrieben worden, ob wirklich die National-
versammlung alle die Vorwürfe, die ihr so häufig gemacht
werden, verdiene? ob sie sich wirklich gegen Herstellung der
Ordnung in Berlin, gegen Sicherung der Abgeordneten der
rechten Seite vor Mißhandlungen u. s. w. gesträubt habe? ob
die Weigerung der Mehrzahl in die Verlegung nach Branden-
burg sich zu fügen in Ordnung? ob der Beschluß, daß das
hochverräterische Ministerium Brandenburg nicht befugt sei,
über Staatsgelder zu verfügen und Steuern zu erheben, ge-
rechtfertigt gewesen? Wir wollen eine nähere Erörterung über
diese Fragen, worüber dereinst die Geschichte das durch keine
Parteileidenschaft getrübte Urtheil fällen wird, unterlassen; aber
so viel ist gewiß, daß, selbst der Fall gesetzt, die National-
versammlung wäre im Unrecht, die Negierung noch weniger
von dem gleichen Vorwürfe freigesprochen werden kann.
Was hat zuerst den Keim des Mißtrauens zwischen Krone
und Nationalversammlung gelegt? Nichts anderes, als das
Bestreben des Ministeriums Camphausen, dem Volke von den
durch die Zeit geforderten und von der Regierung in den
Märztagen verheißenen Rechten und Freiheiten, so wenig als
möglich zu gewähren. — Wenn es wahr sein sollte, daß die
preußische Naiionalversammlung ihrer Pflicht zur Sicherung
ihrer in der Minderheit befindlichen College« nicht nachgekom-
men ist, warum hat die Regierung es unterlassen, die geeigne-
ten Maßregeln zu treffen, und die Ordnung in Berlin wie-
derhcrzustellen? Wenn die Beschlüsse der preußischen Natio-
nalversammlung dem Könige nicht gefielen — was beiläufig
gesagt, noch nicht als Vorwurf für jene dienen kann, — wa-
rum Hal derselbe durch die Ernennung eines im ganzen Lande,
mit Mißtrauen angesehenen Ministeriums die Kluft zwischen
sich und dem Volke erweitert? Wenn die Verlegung der Na-
tionalversammlung der Regierung nothwendig erschien, warum
ist ersterer nicht eine Vorlage gemacht worden, und dadurch
der Versuch, eine Ausgleichung herbeizuführen? War es er-
laubt, das jedenfalls zweifelhafte Recht zur Verlegung, durch
Gewalt gegen die Vertreter des Volkes, durch gesezwidrige
Militärherrschakt, durch Suspension der Presse und des Ver-
eins- und des Versammlungsrechts, durch Niedersetzung außer-
ordentlicher Gerichte durchzusetzen und dadurch zu dem minde-
stens zweifelhaften Rechte das offenbarste Unrecht zu fügen?
Und kann die Negierung sich beklagen, wenn die Vertreter
des Volkes in der festen Ueberzeugung von ihrem Rechte und
in der begründeten Besorgniß vor dem Eintritte der Reaktion,
alle Mittel erschöpften , um von dem guten Rechte des Volkes
Nichts zu vergeben, und wenn sie am Ende, wie Msscthäter
von einem Orte zum andern gejagt, von dem letzten Mittel
> des Volkes gegen Rechtswidrigkeiten der Regierung, von dem
Rechte der Steuerverweigerung Gebrauch machten? Und als
Vie Mehrheit der Nationalversammlung, um die ungesetzliche
Maßregel der Einberufung der Stellvertreter zu verhindern^
sich bereit erklärte nach Brandenburg zu gehen und dort dNL
 
Annotationen