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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0489

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Hl- 12«.

Freitag, 2S August.

18«8.

6Z Sitzung der konstituirenden National-
versammlung.
Montag, den 2 t. August 1848.
(Schluß.)
Wedekind will für die protestantische Kirche eine Cen-
tralgcwalt, entscheidet sich für die Trennung der Kirche vom
Staate als Ideal, in der Praxis aber dagegen, weil sie un-
ausführbar sei. gerade so wie er als Ideal Handelsfreiheit,
im Leben Schutzzölle begehre!!! und bevorwortet einen von
ihm gestellten Antrag.
Welcher erklärt sich gegen alle Amendements und für
die Anträge des Ausschusses. Er verlangt Unterordnung ver-
kirchlichen Gesellschaften unter den Staat, ohne welche man
fürchten müsse, morgen wieder Jesuiten eingeführt zu sehen.
(Beifall.) Darum Freiheit des Glaubens, aber Unabhängig-
keit für die Staatsbürger von allem Einfluß der Kirchengesell-
schaft.
Vogel eifert mit dem größten Feuer für die katholische
Religion, in welcher geboren zu sein er für die größte Gnade
Gottes anerkennt. Er wendet sich dabei zur Linken, diese
ruft: grade aus! Präsident: Sic haben wohl nicht Ursache
sich zu beschweren, wenn der Redner gegen Sie sich wedet!
(Gelächter, die Linke ruft: o ja! doch, doch!) Er will kein
kirchliches Regiment, das ins weltliche eingreife, kein Pfaffen-
regiment, das eine Schande sei (Beifall), aber vollständige
Freiheit für die innere Entwickelung der Kirche. In allen
bürgerlichen Verhältnissen müsse die Kirche unter dem Staate
stehen, in den geistigen aber müsse man Gott mehr gehorchen,
als den Menschen. Er verlangt völlige Unabhängigkeit und
Freiheit der Kirche.
Tafel (von Zweibrücken): Wenn man von Unabhäng-
igkeit der Kirche spreche, so verstehe man meist die Hierarchie
darunter; spreche man aber von der Kirche als von der reli-
giösen Genossenschaft, so lasse sich eine vollständige Trennung
nicht ausführen. In der Kirche nehme der Bürger sein Bür-
thum, in das Staaisleben seinen Glauben mit, Eintracht
zwischen beiden auf dem Boden der gesetzlichen Freiheit sei das
Wüst schenswerthest-, und dieses Irinzip sei In. Len Ausschuß-
anträgen enthalten, für welche er'sich daher verwende. Sein
entschiedenes Verlangen einer vollständigen Gewissensfreiheit,
einer Berechtigung der Gemeinden, ihrs kirchlichen und^Glau-
bensverhältniffe selbst zu regeln, wird durch wiederholten Bei-
fall unterbrochen. Wäre die Kirche ganz unabhängig vom
Staate, so würde die Frage, wer die Bischöfe, die Universi-
tätslehrer der Theologie einsetzen, wer die Ausbildung dec
Geistlichen übernehmen solle, große Bedenklichkeiten Hervorru-
fen, deshalb wolle er den Negierungen, die Macht, jene Stel-
len zu besetzen, erhalten.
Weiter spricht der Redner für die Civilehe und für die
Bestimmung, daß die bürgerliche Trauung der kirchlichen
Trauung vorgehen müßte, so wie für den Wegfall der Ehe-
hindernisse wegen Verschiedenheit der Religion. (Lebhafter
Beifall.)

Die ring er beginnt mit seinem Schmerz darüber, daß
er sich gegen einen katholischen Laien und gegen einen katholi-
schen Geistlichen aussprechen müsse. Es sei ein Beispiel, daß
die Zwangsherrschaft der katholischen Kirche gar nicht so arg
sei, da beide nicht mit der Strafe der Exkommunikation be-
legt seien. (Gelächter.) Jetzt sei man mit Abschaffung des
Polizeistaats beschäftigt, und doch habe man heute die Auffor-
derung gehört, den Polizeistaat der Kirche gegenüber bestehen
zu lassen (Murren). Wenn der Staat über die Kirche domi-
nire, so werde sie eine Kirche des Zufalls, oder wenn man
lieber wolle, eine Kirche der Beamtenhicrarchic. Die Prote--
stanten würden bezeugen, daß es nicht nur eine Kirche, daß
es auch eine Theologie und Philosophie des Zufalls gebe!
Das Recht der Kirche, ihre Diener selbst einzusetzen, sei auf
dem Wege der Gewalt durch Einziehung der Kirchengüter re.
in die Hände des Staates übergcgangen und so ein allgemei-
nes Patronatrccht des Staates entstanden, welches jetzt hof-
fentlich abgeschafft werde. Mit einem Worte, wenn man Un-
abhängigkeit der Kirche forderte, so verlange man, daß alles
das jetzt, was aus dem Polizeistaat herrührt, auch für das
kirchliche und geistige Leben abgeschafft werde. — Schluß.
64. Sitzung.
Dienstag, den 22. August 1848.
Nach Verlesung des Protokolls von gestern und einigen
Verkündigungen motivirt Eisen mann in Gegenwart der
Reichsminister v. Schmerling, v. Beckerath und Mohl seine
gestern angekündigte Interpellation.
Neichsminister v. Schmerling verweist in Beziehung auf
einen Theil derselben auf die nächsten Freitag zu erwartende
Antwort des Kricgsministers und erklärt, daß er auf die
Frage, ob das Ministerium eine allgemeine deutsche Politik
consequent durchführen werde, mit einem lauten Ja antworte,
was dann die Emiren zu lautem Beifall veranlaßt.
Man geht zur Tagesordnung über.
v. Bcisler gibt viel Kirchcngcschi'chte zum Besten, spricht
von der Zeit, wo „unsere Voreltern" Gallien eroberten, will
nicht, daß das Christenthum wie eine Casinogesellschaft ohne
alle Verbindung mit dem Staate bestehe u. dgl. und dann
kommt er auf ven neuesten italienischen Krieg, wo man das
Skandal gesehen habe, daß päpstliche Truppen mit dem Kreuz
geschmückt, Krieg gegen einen christlichen Staat geführt hätten,
einen Staat, der eine Hauptstütze des päpstlichen Stuhls ge-
wesen. Freilich sage man, der Papst habe sich längst ge-
sträubt, ja er habe sich gesträubt wie eine Braut. (Zuruf:
Wie Lola! Allgemeines Gelächter.) Er verlangt eine Refor-
mation der Kirchenverfaffung auf Grund des demokratischen
Prinzips, öcumenische Conciilien und Rcichssynoden, dann
würde Kirche und Staat Hand in Hand gehen. (Bravo.)
Zuletzt kommt er auf den Antrag, an die Stelle des §. 14*)
zu setzen: „Die Angelegenheiten der christlichen Kirche in
*) Neue Rcligionsgesellschaften dürfen sich bilden, einer Aner-
kennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht.
 
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