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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0445

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ganzen Großh. Baden l ff.
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die dreispalt. PetitzcileAr.




Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner n.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Freitag, 28. Jnli.

1828

Der Centralausschuß der Demokraten Deutsch-
lands an das deutsche Volk.
Mitbürger!
Wenn der große Fortschritt zweifelhaft wäre, den das
deutsche Volk in den letzten Monaten gemacht hat, so würde
er uns durch eine einzige Thatsache zum sicheren Bewußtsein
gebracht, — durch das offene Auftreten der politischen Par-
teien.
Die Zeit ist vorbei, wo man dor diesem Worte erschrok-
kcn ist, — wo man das Bestehen politischer Parteien für
gleichbedeutend hielt mit Zerrüttung und Auflösung des Staa-
tes, mit Anarchie und Bürgerkrieg. Dem Absolutismus frei-
lich mußte cs so erscheinen. Wo Keiner eine Meinung haben
sollte, damit die Autorität mit ungestörter Sicherheit über Alle
herrschen könne, da mußte die Organisation der Meinungen
das herrschende System mit dem Untergang bedrohen. Wo
aber einmal freie Meinungen bestehen dürfen und wirklich be-
stehen, da ist auch eine Verschiedenheit der Meinungen unver-
meidlich, und diese Verschiedenheit, weit entfernt, dem Leben
der Gesellschaft gefährlich zu sein , ist vielmehr zu dessen Fort-
bildung unentbehrlich, denn aus ihrer Wechselwirkung muß sich
die Wahrheit entwickeln und Las Gute gestalten.
Diese Wechselwirkung ist keine Anarchie. Sie hat, wie
alle Vorgänge im Reiche der Natur und des Geistes ihre noth-
wendigcn Gesetze, und nur, wenn diese gewaltsam aufgehoben
werden, sucht sich das gestörte Gleichgewicht der Kräfte auch
gewaltsam wieder herzustellen.
Ein Hauptgcsetz des politischen Lebens ist es, daß die Partei
der Mehrheit im Staate herrsche, die der Minderheit aber unter-
dessen sich der unbeschränkten Freiheit bedienen könne, ihre Ansichten
und Zwecke durch die theoretischen Mittel der Rede, der Schrift
und der Vereinigung auszubreitcn, bis es ihr gelingt, so viele
Anhänger für sich zu gewinnen, daß sie ihrerseits zur herr-
schenden Mehrheit wird. So sollen sich im Parteikainpf die
geistigen Kräfte messen und auf dem Gebiete des Gedankens
soll ausgemacht werden, was in der Wirklichkeit zur Gestal-
tung kommen soll. Nur wenn dieses Grundgesetz des politi-
schen Lebens verhöhnt wird, wenn eine herrschende Partei sich
weder der Entscheidung der Mehrheit im Volke unterwerfen,
noch die Freiheit der theoretischen Agitation anerkennen will,
nur dann geht unvermeidlich der Kampf vom geistigen auf das
materielle, vom theoretischen auf das praktische Gebiet über.
Auf diese Grundsätze stützt die demokratisch republikanische
Partei Deutschlands ihr Verhalten. Sie sind die Grundsätze
eben des politischen Systems, dessen Herrschaft sie erstrebt, —
die Grundsätze, in deren Namen sic sich vereinigt und orga-
nisirt hat.
Um diese Vereinigung und Organisation cinzuleitcn, wa-
ren in den Tagen vom 14. bis 17. Juni zu Frankfurt am
Main die Abgeordneten von 88 demokratischen Vereinen, ver-
stärkt durch 42 gleichgesinnte Männer aus verschiedenen Thej-
!en des Vaterlandes versammelt. Dieser Congreß stellte an

die Spitze seiner weiteren Beschlüsse folgendes Glaubensbe«
kenntniß:
„Es gibt nur eine für das deutsche Volk haltbare
Verfassung, die demokratische Republik, d. h.
eine Verfassung, in welcher die Gesammtheit die
Verantwortlichkeit für die Freiheit und die Wohlfahrt
des Einzelnen übernimmt."
Unter dieser Formulirung des demokratischen Prinzipes,
von dessen Wahrheit wir auf das Tiefste durchdrungen sind,
hat die demokratisch republikanische Partei ihre Organisation
begonnen. Sie hat sich einen Central-Ausschuß erwählt, hat
diesem seinen Sitz in Berlin angewiesen und ihm ihre Einig-
ung und Verstärkung zur Aufgabe und die Unterhaltung einer
geordneten Verbindung unter allen ihren Gliedern zur Pflicht
gemacht.
Als die Männer, denen diese Aufgabe übertragen und
diese Pflicht auferlegt worden ist, wenden wir uns hiermit an
Euch, deutsche Mitbürger! — wenden wir uns an das deutschd
Volk, um offen unsere Zwecke und Mittel zur Aller Kenntniß
zu bringen, — um von Denen, die zu unserer Partei gehö-
rest, kräftige Unterstützung unserer Bestrebungen, und von De-
nen, Vie zu unseren Gegnern gehören, die ungestörte Freiheit
eines ungestörten Wirkens in Anspruch zu nehmen, welche die
herrschende Partei uns nicht vorenthaltcn kann, ohne sich der
Gewaltthat und des gröbsten Unrechts schuldig zu machen.
Mitbürger! Fassen wir die Lage unseres Vaterlandes
klar ins Auge!
Sie ist eine gefahrvolle! — Schwarze Gewitterwolken
hängen über unserem Haupte und umhüllen unseren Horizont.
Eine große und folgenschwere Bewegung hat die europäischen
Völker ergriffen und führt die Welt unaufhaltsam neuen Ver-
hältnissen und Formen des Lebens entgegen. Was im Zu-
sammenhang der großen Bedingungen der Geschichte, dem be-
schränkten Blick verborgen, seit lange sich vorbereitet, — was ..
in den letzten Jahrzehnten von den Denkern unseres Volkes in-^
seiner Nvthwendigkeit erkannt wurde, und was sie im Voraus
vernünftig zu gestalten suchten, was unsere Dichter prophetisch
verkündet haben und was im Gemüth nothbcdrängter Volks-
massen als dunkle Ahnung oder dämmernde Hoffnung voraus-
gewirkt hat — es ist da — es hat uns wirklich ereilt! —
Ein moralisches Erdbeben ichüttelt die untaugliche Ordnung
einer alten Bildungsform zusammen. Wir alle haben seinen
ersten Stoß gefühlt: es wird sein zweiter, sein dritter folgen.
Die Schichten der Gesellschaft werden sich umkehren, wie sich
einst die Schichten der Berge umgekehrt haben, und auch jetzt,
wie damals, wird die Gestalt der Erde eine andere werden.
Welche Nolle wird das deutsche Volk in den Begeben-
heiten spielen, die unaufhaltsam herannahen? Die erste, müs-
sen wir antworten, oder eine der letzten! Dies ist in der
Natur unserer Bildung, in unserer ganzen historischen Stel-
lung begründet.
Ohne Dünkel können wir es behaupten, daß wir in theo-
retischer Bildung allen andern Völkern der Erde voraus sind.
 
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