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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0585

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Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.



Freitag, 22. September.

1848.

Das Ergebnis) der Abstimmung über den
Waffenstillstand mit Dänemark in der Sitz-
ung vom 16. Sept.
Mit tiefer Entrüstung, mit dem gerechten Ingrimm ge-
täuschter zuversichtlicher Erwartung wird das deutsche Volk ten
Beschluss seiner gewählte» Vertretung vom 16. September,
diesem neuen, an seiner Sache begangenen Verrath vernehmen.
Es wird sich fragen, wie es möglich war, im Angesichte des
aufs Entschiedenste ausgesprochenen Volkowillens zu dem vie-
len seiner Selbstherrlichkeit angethancn Schimpf, noch den blu-
tigsten von allen zu fügen. Die Aufklärung über diesen lctz-
tcrn Punkt, soweit dieselbe andeutungsweise in diesem Augen-
blick möglich, wird eS lehren, in welchen Reihen es seine er-
bitterten Feinde, die geheimen und offenen Widersacher seiner
Freiheit, seiner Ehre, seiner Macht und wahren Einheit zu
suchen hat.
Wie kam die bei einer solchen Angelegenheit wahrhaftig
obmnächtig zu nennende Majorität von 21 Stimmen zu
Stande? Woraus besteht diese Majorität? Welches Prin-
zip führte sie zusammen? Das Groh bilden zwei Fraktionen,
die der Stockorenßen, oder besser gesagt, die Partei des Prin-
zen von Preußen in der Nationalversammlung, welche von
Eröffnung der Nationalversammlung an darauf ausgegangen
ist, durch ihren Widerstand gegen alle vom Volke laut gefor-
derten Maßregeln, das Beschließen lolcher zu Hintertreiben und
die Nationa Versammlung in den Augen der öffentlichen Mein-
ung zu Grunde zu richten, damit sobald als möglich dieselbe
sich auch faciisch selbst tödte und ihr Erbe, die von ihr ge-
schaffene Gewalt, den Händen ihres Herrn und Meisters über-
antwortet werde.
Ihr zur Seite wirkt die Partei Gagern, die durch die
Majorität mit der Freiheit fertig zu werden wünscht, um eine
Einheit nach ihrem Geschmack zuwege zu bringen und zu Gun-
sten ihres Hauptes und ihrer Creaturen, den Gewinn der Er-
hebung deS deutschen Volkes in die Tasche zu stecken. Es ist
die Partei der macchiavellistischeu Schliche und Kniffe der je-
suitischen Machinationen und der Conuption; ihr reiht sich die
nltramontane Partei an, die da weiß, daß sie nur in solchem
Bündniß ihre Herrschaft wieder fest zu gründen vermag.
Diese letzten und die Mehrzahl der schleswig-holsteinischen
Abgeordneten, welche sich in dieser Angelegenheit mit unaus-
löschlicher Schmach bedeckt haben, — diese sind es gewesen,
welche bei der Abstimmung den Ausschlag gegeben und durch
das Gewicht ihrer Stimmen jene Entscheidung herbcigcführt.
Und was veranlaßt die ultramontane Partei zu diesem Ver-
fahren? Man sagte sich offen, und da sie bei zwei andern
Gelegenheiten gegen den gleichen Preis schon ihre Stimmen
verhandelt hat — so liegt die Vermuthung nahe, daß sie auch
hier ihrer jesuitischen Handlungsweise treu geblieben — man
erzählte sich schon vor der Abstimmung öffentlich, daß die Ul-
tramontanen an die leitende Fraktion der Mehrheit ihre
Stimme gegen die Bedingung verkauft habe, daß man von

jener Seite bei der Schulfrage gegen die Trennung der Schule
von der Kirche stimme. Sieh, deutsches Volk, so opfern die
Pfaffen und Römlinge deine Ehre, um die Fortdauer ihrer
Herrschaft über deine Bildung, deinen Unterricht, deine Ent-
wickelung, deine Einsicht und Aufklärung zu bewahren, um
dich für ewige Zeiten in Geistesknechtschaft zu erhalten! Die
tiefe sittliche Verworfenheit einer solchen Handlungsweise gleicht
nur der Frechheit, womit dieselbe Partei bei dein dritten Ar-
tikel der Grundrechte das Wort Freiheit und wieder Freiheit
im Munde führte. — Nur zwei Mitglieder dieser Partei ha-
ben unseres Wissens nicht Theil an diesem schmachvollen Akt
genommen, indem sie sich entfernt hatten, Lassaulr und Wiest.
Aber nicht weniger, als die Haltung der Ultramontanc»
trug das Verfahren des Präsidiums, d. h. v. Gagern's und
seines Schleppträgcrs Soiron, zu dieser unheilvollen Entschei-
dung bei. Nie ist von dieser Seite kecker allen Gesetzen der
Unparteilichkeit Hohn gesprochen worden, als bei dieser Gele-
genheit. Wir schwelgen davon, daß Gagern am Tage der
Abstimmung das Präsidium an den ersten Vicepräsidenten ab-
gegeben, um mitstimmen zu können und mit dem Rest des
Einflusses, der seinem Namen geblieben, vielleicht noch einige
Stimmen zu seiner Partei herüber zu ziehen; wir schweigen
von der völligen Hintansetzung alles Schicklichkeitsgefühls, die
ihn im Drange der Freude über die Verwerfung des Majori-
tätsantrags auf die Nednerbühne trieb, um die Stelle eines
Vicesecrctärs zu versehen. Aber daß er zuließ und billigte,
daß mit Verletzung aller Logik und der durch ein Unzahl von
Vorgängen festgcstellten Ucbung, die Trennung der beiden Theilc
des Majoritätsantragö nicht als von selbst verstanden, von
dem fungircnden Vicepräsioenten fcstgehalten wurde; daß er
schwieg, als man nach der im Halbdunkel vorgenommencn
Abstimmung durch Zählung über diese vorentscheidende Frage
ein jedem Unbefangenen zweifelhaft erscheinendes Resultat von
einer Stimme Mehrheit verkündigte; daß er später die Tren-
nung des Minoritätsantrags rechtfertigte, — diese Thatsachen
werden als kräftige Urkunden bestehen bleiben, auf wie trau-
rige Weise sich der Charakter eines Mannes bewährt hat, auf
den das Vaterland einst so große Hoffnungen gesetzt. Das
letzte Fünkchen seines früher» Ruhms ist am Abend des 16.
Septembers zu Grab getragen worden.
Wir sollten noch der sieben oder acht Abgeordneten aus
Schleswig Holstein gedenken, die sich das Brandmal des Ver-
raths an der Sache ihres Heimathslandes auf die Stirne ge-
drückt; vor allen jener Waitz, der in dieser Hinsicht das Un-
erhörteste geleistet. Wir verzichten darauf und überantworten
ihre Namen und das Gedächtniß ihres Namens dem Urthcile
der Mit- und Nachwelt, die um so gerechter richten wird, je
unnachsichtiger sie dieselbe mit der solcher That gebührenden
Verachtung strafen. (Nchst.-Ztg.)
 
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