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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0565

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Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden I fl.
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die dreispalt. Petitzeile 2kr.



Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner ».
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

139.

Samstag, 1Es. September.

1848

Tagesbericht aus Deutschland.
Frankfurt, >4. Scptbr. (77. Sitzung der National-
versammlung.) Zu Anfang der Sitzung verkündigte der Prä-
sident die Namen der beiden in den Marineausschuß gewähl-
ten Mitglieder, nämlich Möbring mit 2l3 und Dröge mit
154 Stimmen. An der Tagesordnung ist die Berachung
über den Waffenstillstand mit Dänemark. Die Anträge der
Mehrheit und Minbcrbeit der vereinigten Ausschüsse, so wie
jene mehrerer Mitglieder werden verlesen. Hierauf beantragt
Wesendon k, daß auch die Adressen, welche Zustimmung zu
dem Beschlüsse der Nationalversammlung vom 5 d. auespre-
chen, und dieselbe zur Verwerfung des Waffenstillstandes auf-
fordern, verlesen werden. Präsid. bemerkt, daß allein heute
50 solcher Adressen euigegangcn seien. Es wird beschlossen,
daß nur die Adressen summarisch (und zwar zu Anfang der
morgenden Sitzu gj angezeigt werden sollen. Hierauf begrün-
dete v. Linden au seinen Antrag, welcher Annahme des Waf-
fenstillstanees unter gewissen Bedingungen bezweckt. Heck-
scher empfiehlt in zweistündigem erläuterndem Vortrag das
Minoritätsgutacbtcn. Venedep spricht für Verwerfung;
Arndt für Annahme; Eisenmann für vorläufige Verwer-
fung und Anknüpfung neuer Unterhandlungen; Franke und
v. Mallzahn für mobifizirte Annahme; v. Herrmann
für Verwerfung. Nach einigen mehr persönlichen Bemerkun-
gen v. Schmerlings wurde die Berathung (über welche wir
morgen ausführlicher beuchten) gegen 4 Uhr geschlossen und
die Forschung auf morgen anbcraumt.
Bruchsal, 10. Sept. Bürger Hollinger (Allvogt
Andres) aus Waltshut ist endlich >einer Haft aus dem hiesi-
gen Zellengefängniffe entlassen worden, nachdem er zwanzig
Wochen wegen nichtiger Anschuldigungen darin geschmachtet
hatte. Er kehrt erkrankt, doch ungebeugten Sinnes, zu sei-
ner zahlreichen Familie heim, um ihr von der Ehr- und Ge-
rechtigkeitsliebc der konstitutionell-monarchischen Justiz zu er-
zählen.
Vom Oberrhein. Im Amte Kenzingen ist die Ge-
schwornenliste bereits fertig, und es liefert dieselbe den klarsten
Beweis, daß der dortige Beamte, Herr v. Jagemann, die
Regierung mit ihrer Gesetzesvorlage ganz richtig verstanden
habe; denn diese Liste prangt mit allen jenen Namen, welche
sich von jeher als Feinde der Volksfreiheit und als willfährige
Werkzeuge der Regierung berüchtigt gemacht haben. Over wer
kennt nicht die Namen Schwören, Fingado, Frevler, Fuchter,
Naudascher u. dgl. als solche, deren Träger sich um jeden
Preis an die Negierung verkauft und in politischen Dingen
lcdigtich keinen eigenen Willen haben? Wie aber aus der
Amtestadt selbst, so werden auch aus den Amteorten die Kan-
didaten für das Geschwornengcricht ausgewählt. Nirgends
traf die Wahl einen auch nur kunstitutionell freigesinnlen
Mann, geschweige denn Jemanden, der sich zur demokratischen
Richtung bekennt, sondern die ganze Liste mußte vielmehr —
>o wollte es der gnädige Herr Oberamtmann — aus politi-

schen Reaktionären, abhängigen Menschen oder karakterlosen
Figuranten bestehen.
lind warum wollte er es so? Weil das betreffende Ge-
setz ganz dazu eingerichtet ist, daß die Wahlen auf diese Weise
ausfallen, jeder einzelne Beamte also ohne besondere Instruk-
tion leicht wissen kann, wie es die freisinnige badische Negie-
rung haben will.
Welcher Beamte wird es aber wagen, hier dem Sinne
der Negierung entgegen zu handeln und die Geschwornen-Liste
auch nur theilweise aus den Liberalen seines Bezirks zu rekru-
tiren, wenn er sich nicht der Verfolgung der crstern aussetzen
will? Weiß doch so mancher Beamte noch davon zu erzählen,
wie cs ihm erging, wenn er nur die Wahl eines liberalen
Kammerhelden nicht zu Hintertreiben vermochte, um wieviel
mehr wird er sich also hütnn, Geschworene zu stellen, denen
man die Freisprechung der bei der Regierung so sehr verhaßten
angeblichen Hochverräter auch nur entfernt zutrauen könnte?
Um wieviel mehr wird er sich, sage ich, nicht hier hüten
müssen, wo es nach dem Gesetze selbst vollkommen in seiner
Hand liegt, die Wahl nach Gutdünken zu leiten? Eben des-
halb aber wird unser Tadel für schlechte Zusammensetzung der
Geschwornen Gerichte weniger unsere abhängigen und einge-
schüchterten Beamten, als die Negierung selbst treffen müssen;
denn diese, glauben wir, hätte sich scheuen sollen, durch Vor-
lage eines Gesetzentwurfes über Geschworenen-Gerichte dem
Volke in unfern Tagen ein solches Schcingut zu bieten und
damit zu beweisen, daß cs ihr mit ihren in den Märztagen
gemachten Verheißungen nicht Ernst ist.
Bezüglich der Wahl im Amte Kenzingen verdienen je-
doch auch die Bürgermeister des Bezirks, welche solche insge-
sammt haben mit berathen helfen, unfern ernstlichen Tadel;
denn an ihnen wäre es gewesen, den reaktionären Vorschlä-
gen des Beamten entgegen zu treten, und dadurch eine durch
solche Wahl entstehende Schmach von einem Bezirke abzuwen-
den, der sich durch seine jüngste Dcputirtcnwahl nach langem
Schlummer endlich wieder einmal kräftig erhoben und zu schö-
nen Hoffnungen für die Zukunft berechtigt hatte
Mögen riese Zeilen dazu dienen, diejenigen Bürgermei-
ster und Bürger anderer Bezirke, welche zur Aufstellung der
Geschwornen Listen künftig noch bcigezogcn werden, wach zu
halten, damit nicht am Ende diese Listen so schlecht ausfallen,
daß die unglücklichen Freischärler unsere gewöhnlichen Hofgc-
richte solchen Geschworenen verziehen müßten!
(Schutterbote.)
Weimar, 11, Sept. (F. I.) Die Prozesse wegen po-
litischer und Preßvcrgehen nehmen hier seit kurzem auf eine
ungewöhniiche Weise überhand und werden flottweg noch dem
alten geheimen Gerichtsverfahren abgeurthcilt. Eben so sind
eine Menge Untersuchungen gegen Mitglieder demokratischer
Vereine eingcleitet wegen freier Meinungsäußerungen, welche
meistentheils in die Kategorie des Hochverraihs und der Ma-
lestätsbeleidtgung verwiesen sind. Was aber verstiht man
denn eigentlich unter Hochverrats! und Majestätsbeleidigung?
 
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