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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0767

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Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden I fl.
M kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzcile Ar.

K- 18».


Dienstag, 1Ä November.

An Friedrich Ludwig Jahn, Mitglied der National-
versammlung zu Frankfurt a. M.
Hanau, den 8. Oktober. Deine Schwanenrede und
dein Antrag in der Nationalversammlung: die ganze Linke in
Anklagestand zu versetzen:c. veranlaßt mich, der ich früher dich
hochschätzte, einige Worte dir zuzurufen:
Deine Zuschrift nennst du Schwancnrede und schickst sie
hinaus in die Welt in dem Glauben, dadurch deinen Vcrrath
zu bemänteln, und daß Keiner der Lüge dich zeihe. Es lohnt
sich freilich nicht der Mühe, einen alten abgestumpften Mann,
der mit dem einen Fuße bereits im Grabe steht, vor das
strenge Gericht der öffentlichen Meinung zu ziehen, aber dein
Auftreten in der s. g. Schwancnrede trägt das Gepräge des
Verraihs und des blinden Parteihasses, lind Mancher, im
deutschen Vaterlande, der dein Schwaneumachwerk liest und
dich selbst nicht kennt, möchte im Herzen dir Recht geben.
Daher will ich dir die Maske abnehmen, Baler Jahn, eine
Maske, binter welcher nicht die von dir zu erwarten gewesene
Ehrlichkeit hcrvorlcuchten dürfte.
Abgesehen von dem radebrechenden Style deiner Schwa-
ncnrede ist dir vorzuwcrfcn
1) doppelter Vcrrath, und
2) Verläumdung und gemeines Schimpfen gegen eine
Partei der du selbst noch vor wenigen Monaten wenigstens
scheinbar angehört hast.
Vorest gereicht es dir nicht zur Ehre, gegen einen deut-
schen Biedermann unter der Bezeichnung: „Reinecke Fuchs»
leszuziehen. Jtzstein ist ein reiner unbefleckter politischer Cha-
rakter, dem du in deiner fetzigen Gestalt die Schuhriemen zu
lösen nicht würdig bist; und einen solchen Mann beschuldigst
du der Jakobinerschaft; gegen ihn und seine politischen Freunde
spielst du den Verräthcr eines angeblichen geheimen PlancS,
den du erfahren haben willst, wie man verlorene Sachen fin-
det. — Das sind die Wege aller Spione, Verräther und
heimlicher Angeber.
Dein größter Vcrrath aber liegt darin, daß du noch vor
wenigen Monaten zum Sturze aller Regierungen, ja sogar zu
Verschwörungen in dem „rolhschwärmenden» Hanau aufge-
fordcrt und animirt hast, und fetzt einen Spießträger der be-
kanntlichcn öffentlichen Ruhe und Ordnung abgibst. Ich will
die, Alter, deine Worte in das Gcdächniß zurückrufen, welche
du vor nicht langer Zeit in einer Volksversammlung zu Lan
genselbo.d zu anwesenden Rekruten (des 3. kmhessischcn Jn-
fantcrie-Rcgnnents) aus einem Fenster herab gehalten hast:
„Ihr Rekruten, geht nicht in den Dienst; sagt Eurem
Kurfürsten, daß fetzt das ganze deutsche Volk bewaffnet werde,
daß man keine Soldaten, keine stehenden Heere nicht brauche;
sagt Eurem Kurfürsten, Ihr ginget nicht mehr in den Dienst.
Die stehenden Heere müssen vor allen Dingen aufgelöst, und
und dem Volke die Waffen in die Hand gegeben werden.

18L8.

Die Offiziere taugen nichts, die haben noch immer ihre Kasten-
Ehre und glauben etwas Besseres zu sein als wir. Wir müs-
sen dies alles umwerfen u. s. w."
Hast du vergessen, was du in dem „rothschwärmenden»
Hanau im dortigen Schauspielhause vor einer großen Volks-
menge, Hanau lobhudelnd, ausposauntest? Ich will es dir
sagen, Vater Jahn:
„Die erste und edelste Stadt in Deutschland ist Euer
Hanau! Die konstituirende Rcichsversammlung gehört nach
Hanau und nicht nach Frankfurt wo die Geldsäcke Hausen.
Wenn Hanau für die Parlamentsmitglieder nicht genug Logis
hat, so muß sich jeder Hanauer cinschränken, seine beste Wohn-
ung hergcben; und wenn auch diese nicht ausreichen, so habt
Ihr zwei unbewohnte (kurfürstliche) Schlösser, die müssen zu
Wohnungen für die Parlamentsmitglieder hergegeben werden;
da wird nicht viel gefragt; wer viel fragt, geht viel um. —
Vor allen Dingen muß sich das Volk bewaffnen, Büchse und
Sense sind die besten Waffen. — Die Soldaten werden nicht
gegen Euch, sondern mit Euch gegen die Fürsten ziehen. Es
lebe Hanau, das die glorreiche Revolution begonnen hat."
Weißt du, Alter, auch davon nichts mehr, daß du die
Hanauer Turner aufgefordcrt hast, mit allen Turnern in
Dcusschland sich für die Freiheit des Vaterlandes zu ver-
schwören? Ist cs dir senifallen, daß du den Turnern einen
Plan mitgethcilt hast, die Bundesfcstung Mainz zu nehmen?
j und daß tu dabei bemerktest, diesen Plan von einem höheren
prcuß. Offizier erhalten zu haben?
Du bist schwach geworben, dein Gedächtniß hat dich ver-
lassen wenigstens in den Punkten, die ein schlechtes Licht auf
dich werfen. Wo wären unsere Turner, wenn sie deinem
unsinnigen Rathe gefolgt? Du würdest sie aber wahrscheinlich
selbst denunzirt haben, damit dein Verdienst um die bekannte
öffentliche Ruhe und Ordnung desto größer, und dein Lob und
Lohn vielleicht desto hellklingender geworden wäre.
Vervollständige, Alter, hiernach deine Schwanenrede;
füge bei, was ich dir hier in das Gcdächniß zurückrufe, und
dann ist cs für Niemand schwer, deinen jetzigen Werth zu
schätzen.
Du bist erbost, daß dich ein Haufe wüthenden Volkes
in ein Dachkämmerlein gejagt hat, und daß du eine Nacht in
Todesangst dich hast versteckt batten müssen; aber lieber Alter,
wer hat denn Schuld daran? der Reinecke Fuchs nicht; dessen
Freunde auch nicht; die Linke auch nicht. Ich meine, du
selbst müßtest die Schuld des. Hasses und der Verachtung
tragen, die dir fetzt im Volke zu Theil werben. Denn der
Verr äth e r a m" Vo l ke kann keine ruhigeStunde
mehr Huben.
' Uub hiernach kannst du dir deine Grabschrift umändcrn
und diese meine Worte als Leine Leichenrede bewachten.» —
Wir können nur staunen ob solcher Anklage und würden
Alles für eitel Verläumdung halten, wenn uns die Wahrheit
nicht verbürgt worden wäre. (Han. Z )
 
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