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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0855

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berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden I fl.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die drcispalt. Petitzeile 2kr.


ie Republik.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.


......—
Samstag, N Dezember.

1828.

Das heilige Whriftkirrdlein -er
Franzosen.
Folgende geistreiche Correspondenz der neuen rheinischen
Zeitung voll Humors und tiefem politischem Urtheile über die
gegenwärtigen Italienischen und Französischen Verhältnisse kön-
nen wir unfern Lesern nicht vorenthalten.
Paris, 1. Dezember. „Kanonendonner und Glocken-
geläute" — wie zu Zeiten des hochsceligen Rcichsverwesers
Johann, als er seinen Einzug in Franlfurt hielt, Kanonen
donner und Glockengeläute!" — der Pabst kömmt nach Paris!
— und das ganze Bourgeois-Paris und die ganze Clique
Cavaignac's und des National ist im Entzücken.
Der heilige Mann kömmt nach Paris und bringt den
Franzosen das schönste Weihnachtsgeschenk mit. Der heilige
Mann hat den Präsidenten in der Tasche; sobald er nach Pa-
ris kömmt, wird er ihn aus der Tasche herausholen, und die
Franzosen damit beschenken. Kann man vom heiligen Christ
ein schöneres Weihnachts Geschenk bekommen, als Cavaignac,
nnd hat Cavaignac nicht Recht, wenn er aus der Ankunft des
Hohenpriesters ein Weltereigniß macht? Der Pabst kömmt
und bringt Cavaignac als gebackenen Brezel-Präsidenten mit.
Er flieht ans Rom, der Hauptstadt der katholischen Welt; er
flieht aus Rom, und kein Hahn kräht um ihn. Cavaignac,
der gallische Hahn, schnappt nach ihm, und die Franzosen
empfangen ihn, wie den Erlöser — Cavaignac's. Der Pabst
hätte statt nach dem verworfenen Babylon eben so gut nach
Jerusalem, nach Syrien, nach Spanien, mit einem Worte
in irgend ein beliebiges anderes Land hinziehen können. Denn
die katholischen Gesandten stellen ihm Alle ihre Schiffe zu Ge-
bote — aber nein, der Pabst geht nach Paris, und will dem
Cavaignac „ein heiliges Christkindchen," mitbringen: das schönste
Weihnachtsgeschenk, das es geben kann, die Präsidentschaft.
Und Cavaignac eilt sich den heiligen Ptann mit der Präsi-
dentschaft in der Tasche in Beschlag zu nehmen, trotz Jerusa-
lem. Sion verhülle dein Angesicht. Paris verbirg deine Gri-
sctten! Der heilige Mann ist bereits wie es heißt, in Mar-
seille gelandet. — Während in Paris feierlich die Glocken er-
tönen, zu seinem Empfang, rauscht die Kriegstrommel in der
ehemals heiligen Noma.
Im ganzen Kirchenstaate herrscht völlige Gleichgültigkeit
bei der Abreise des ehemaligen Weltbeherrschcrs, welcher Kö-
nige und Kaiser zu seinen Füßen liegen sah. Prinzen, Ade-
lige, Kardinäle und selbst die Schweizer — Alles ließ ihn im
Stich. Kein Auge netzte sich um den heiligen Vater, den man
unlängst noch als Ncformatur begrüßte. Nachdem er nach
langem Widerstreben endlich seine Unterschrift nnter die neue
Ministerliste gesetzt, die anfänglich so sehr seinem Gewissen
widerstrebte, rief er aus: »Ich will mein Gebet, das ich un-
terbrochen habe, fortjetzen; sie bedürfen so sehr des Gebetes."
Kein Mensch bekümmert sich um das Gebet; kein Mensch um
die Flucht der heiligen Vaters. Pius IX. stand da wie Louis

Philipp! Die neuen demokratischen Minister erhielten in der
Kammer ein Vertrauensvotum, ganz wie in Paris, ganz wie
der Bourgeois Cavaignac, und dem heiligen Vater bleibt Mie-
ter nichts übrig, als dem Generale, dem "künftigen-- Präsi-
denten zur Reklame, zum Puffe, zum Aushängeschild zu die-
nen. Doch damit ist die Sache noch nicht am Ende.
Wie man weiß, kann man nicht von Cavaignac sprechen,
ohne Bonaparte mit zu nennen. Bisher kannten wir nur die
beiden Bonaparte's in der Kammer, mit dem Louis Napoleon
an der Spitze. Jetzt aber wird die Sache noch drolliger. In
Rom gibis auch einen Bonaparte, das ist der Prinz von Ca-
num, Bruder des Peter Bonaparte, der in der französischen
Kammer sitzt. Beide sind Söhne Lucian's. Dieser Prinz von
Canino nun hat seinem Bruder Peter und seinem Vetter Louis
Napoleon einen entsetzlichen Strich durch die kaiserliche Rech-
nung gemacht, ohne es zu ahnen. Der Prinz von Canino
nämlich war's, der in Rom an der Spitze d?r Verschwörung
stand, mit Flinte und Pistole, und direkt auf die Wohnung
des Pabstcs drang, mit dem Rufe: „Es lebe die Republik!"
Peter Napoleon, in seiner Einfalt, hat selbst die Stelle aus
dem iialienischcn Journal übersetzt, welches die Heldenthaten
seines BrüderS erzählt, um dieselben der französischen Kammer
durch Ponsoulat zur Kunde zu bringen. Run denke man!
Die Ankunft des Pabstes, wie wir gestern gesehen, schadet
dem Napoleon eben so sehr, wie sie dem Cavaignac nützt.
Denn sie führt letzterem die Stimmen der Geistlichen und der
Bauern zu.
Also der Prinz Canino selbst, der Bruder Peters und
der Vetter Louis Napoleons, schickt seiner Familie den Teu-
fel in Gestalt des Pabstcs auf den Hals. Der Dous ox ma-
olloa für Cavaignac wird der DiaboluS für Napoleon. In-
dem die Napoleon'sche Familie der demokratischen Sache för-
derlich war, hat sie der kaiserlichen Sache ungemein geschadet.
Der arme Louis Napoleon hat von seinem eigenen Vetter
einen Hauptstoß erhalten. Gott bewahre uns vor unfern be-
sten Freunden.
Trotz dieses augenblicklichen Mißgeschickes für die naps-
leonische Partei, trotz aller Empfehlungsschreiben von Pabst,
Gott und König (man läßt in der Bretagne einen Brief Louis
Philipps zirkuliren, worin letzterer sich als reuigen Sünder
darstellt, und seinen ehemaligen Mitbürgern dringend die Wahl
Cavaignac's anempfiehlt), trotz aller dieser Mittel, sage ich,
wird Cavaignac nicht durchdringen. Thiers und Giradin, dec
Constitutionuel und die Presse — dazu die demokratischen und
die bonapartistischen Klubs, und vor allem, der zunehmende
Hungernder sich weder mit den Kartätschen Cavaignac's, noch
mit den Hostien des Pabstes abspeisen läßt, dieses Alles tritt
in die andere Wagschale, um die frommen, für Gott und Ca-
vaignac gewonnenen Seelen in die Höhe zu schnellen.
 
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