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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0497

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Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden I st.
IO kr. Bei Inseraten kostet
die drcispalt. Petitzcile2kr.



122. Sonntag, 27. Mugnst.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Bnch-
druckcrei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

18«8.

Sitzung der konstitrnrenden National-
versannntnng.
Donnerstag, den 24. August 1848.
Anfang der Sitzung ^10 Uhr. ' Anwesende: Neichsmi-
nister Mohl, v. Schmerling, v. Beckerath. Das Pro-
tokoll vom 22. d. wird ohne Reklamation genehmigt. PH.
Schwarzenberg verliest den Schluß des Berichtes über den
Antrag Dietsch von Annabcrg, die dem Publikum entzogenen
Räume demselben wieder zu eröffnen. Der Antrag der Ma-
jorität geht dahin, diese Räume zwar dein Publikum zurück-
zugeben, allein das Bureau zu veranlassen, Einrichtungen zu
treffen, daß die Ordnung dort aufrecht erhalten werden könne.
Die Minorität will dies aus die Hälfte des Raumes be-
schränken.
Ein Bericht v. Soiron über den Schodcrffchen Antrag
auf Verminderung der Civillisten, beantragt Ucbcrgang zur
Tagesordnung. (Gelächter von der Linken.)
Roß berichtet über den Antrag Micheffens, die Errich-
tung deutscher Consulate betreffend, derselbe soll der Central-
gewalt überwiesen werden.
Zachariä aus Göttingen berichtet über daö Zurückzie-
hen der einzelnen deutschen Gesandtschaften. Sein Antrag geht
ebendahin.
Man geht zur Tagesordnung. Sepp besteigt die Red-
ner bühne und blamirt sich. Nach ihm folgt Na uw erk: der
vorige Redner habe einen eigenen Begriff von Freiheit der
Kirche; und es sei ihm neu, aus dessen Mund und dem sei
ner Glaubensgenossen die politische Freiheit rühmen zu hören,
da sse nicht nur die politische, sondern auch die sittliche und
religiöse Freiheit bisher unterdrückt hätten, z. B. Dculschkatho-
liken, Gustav-Adolpff Verein re. Jetzt wollt ihr Trennung der
Kirche vom Staat, warum habt ihr sie nicht gegeben, als ihr
mit dem Ministerium Abel es konntet? Ja damals war der
Staat der erste und vorzüglichste Jesuit. (Beifall, Heiterkeit.)
Er komme daher auf die Vcrmuthung, daß dieses lebhafte
Verlangen sich nach den Umständen richte. (Gut, sehr gut.)
Die Demokratie sei großmüthig, sie gibt euch jetzt die kirchliche
Freiheit, euch, deren geistigen Väter die Ihrigen verfolgten
und verbannten. (Beifall.) Wenn man sage, der Staat solle
keine Religion haben, so heiße das nicht, er solle die Unsitt-
lichkeit oder das Unrecht proklamiren, sondern nur die Reli-
gion dem innern Bewußtsein und Glauben eines jeden Ein-
zelnen überlassen. Je höher die Religion stehe, desto mehr
müsse sie vor unbefugten Eingriffen gesichert werden. Bisher
knechtete der Staat die Menschheit im Namen der Erde, die
Kirche im Namen des Himmels, dies sei die so beliebte Zwei-
heit dieser beiden gewesen, die aufhören müsse. Freiheit sei
in jeder Beziehung daö Beste, auch den Jesuiten wolle er sie
geben, weil für sie die Freiheit der Tod sein werde.
Wenn Sepp und Genossen von der Kirche sprächen, so
meinten sie in der Regel damit die hohe Geistlichkeit, dies sei
aber eben ein so großer Unterschied, als Kirche und Religion,
nicht letztere, sondern erstere habe sein Freund Vogt abgeschafft

wissen wollen und damit sei er einverstanden. Man habe von
einem Hirten und einer Heerde gesprochen, es sei aber hohe
Zeil, daß die Schaafe ihre Weide frei sich selbst suchten und
die Hirten in die Schule nähmen, wer das nicht sieht, dem
ist freilich nicht zu helfen. Die Hoffnung aus Vereinigung
theile er nicht. Freiheit sei die Mutter der Mannichfaltigkeit.
Die Gemeinden müßten ihre Freiheit wieder haben. Eine
Usurpation des geistlichen und weltlichen Absolutismus sei es
gewesen, daß man ihnen ihre Beamten und Seelsorger im
Namen Gottes gesetzt habe, das Recht freier Wahl müßten
sie zurück erhalten. Noch weist der Redner einige Einwürfe
gegen die von ihm verlangte Freiheit zurück. Alle Hierarchie
sei nur gefährlich im Sumpfe des Geheimnisses, aber niemals
im freien Licht der Oeffentlichkeit. Weiter warnt er davor,
die Jesuiten zu Märtyrern zu machen. Der Teufel ist erst
dann recht gefährlich, wenn er den Märtyrer spielen kann,
wenn er weint. (Sehr gut.) Durch die Grundrechte aber
müßten die Jesuiten gründlich vernichtet werden; aber ohne
Polizcimaßregeln. Unabhängigkeit der Kirche vom Staate
heiße nicht Unabhängigkeit vom Gesetze. Unter dem Gesetz
stehe Alles, so sehr die Hierarchie sich dagegen sträube; ihm
müsse Alles gehorchen; das Gesetz sei das Heiligste. Der
Staat habe Strafgesetze, er kann der Erbschleichern begegnen,
er kann auch dem unbefugten Hausirhandel mit der ewigen
Seligkeit entgegenlreten — vor allen aber kann er die Schule
und ihre Einrichtung zu seiner Sache machen. Wer Trenn-
ung der Kirche vom Staate wolle, müsse auch Trennung der
Kirche von der Schule wollen, es gäbe keine christliche Mathe-
matik, keine gläubige Naturgeschichte; räumt man die einmal
ein, so kommt man bald auch dazu zu decrctiren, die Sonne
gehe und die Erbe stehe still. Noch ein Wort an die Aengst-
lichen: Zittern Sie nicht vor der vollständigen Freiheit, als
könne sie Gefahr bringen; ich will lieber eine gefahrvolle
Freiheit als eine ruhige Knechtschaft; nur in der Freiheit liegt
die Gerechtigkeit, nur in der Freiheit kann die Wahrheit
liegen.
v. Rado Witz: Wir (?) haben hier manche Vcrdächti-
tigung und Verletzung vernommen, wir (?) werden aber nicht
so antworten, wir (?) werden, das hoffe ich, die Sache
ferner ruhig erwägen. Auch er ist für Trennung der Kirche
vom Staat, für Abschaffung der bisherigen Polizcigewalt des
letztem in kirchlichen Dingen und für den Entwurf des Aus-
schusses, den er gegen einige dawider ausgesprochene Befürch-
tungen vertheidigt; wobei er u. A. auch auf die Jesuitenfurcht
kommt (Zuruf: Sind schon da), er trage kein Bedenken, offen
auszusprechen, was wir (?) über die Jesuiten denken. Sie
seien einst Bcdürfniß gewesen, aber für Deutschland seien sie
jetzt kein Bedürfniß mehr. Der Nutzen, den man (wer?)
sich von ihnen versprechen könne, sei ohne Verhältniß zu den
Störungen, die ihre Einführung herbeiführen würde. Wenn
irgendwo der Versuch gemacht würde. Jesuiten in einen deut-
schen Staat einzuführen (Zuruf: Sind schon da!), so würden
wir ihm entgegentretcn. Auf die Frage, wer dieses wir sei?
 
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