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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0389

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ganzen Großh- Baden l ff.
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die dreispalt. Petitzeile 2kr.

K- UI.


Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briese
werden frankirt erbeten.

1848.

Gründlichste Berathung der Grundrechte.
Die Nationalversammlung hat jüngst beschlossen, eine
zweimalige Berathung der Grundrechte eintreten zu lassen.
Einige behaupten aus dem sehr löblichen Grunde, die ein-
mal bcrathcnen Grundrechte vor ihrer definitiven Annahme
den Negierungen zur Genehmigung vorzulegen.
Wir haben eine gründliche Berechnung angestellt über
die Zeit, welche diese doppelte Berathung erfordern wird,
wobei wir die bisherige Erfahrung über die Nedewuth, über
das Amendementsfieber und über den Antragsausschlag der
Nationalversammlung zu Grunde gelegt, den volkswirthschaft-
lichcn Ausschuß als competcnt angehört, mit einigen statisti-
schen Freunden uns berathen, und endlich Adam Riessen's
Rechenbuch als Norm angenommen haben.
Der Entwurf der Grundrechte enthält nach genauer Zäh-
lung .48 Paragraphen.
Hierzu Zusätze des volkswirthschaftlichen
Ausschusses .......... 40 „
Amendements (nach höchst mäßigem An-
schläge) . 350 „
Im Ganzen. 438 „
Nach den bisherigen Erfahrungen dürfen wir auf jeden
Punkt wenigstens 10 Redner rechnen.
Wir werden also den unbeschreiblichen Genuß, haben
über die Grundrechte 4380 Reden zu hören.
In einer Sitzung können höchstens 15 Redner gehört
werden. Wir sind demnach genöthigt, über die Grundrechte
292 Sitzungen zu halten.
Da wöchentlich hierüber 3 Sitzungen gehalten werden, so
dauert unsere Berathung 97 Wochen; — es wird also die
1. Berathung im April 1850 geschlossen werden.
Da doppelte Berathung beschlossen ist, so wird die 2.
Debatte im Januar 1852 zum Schlüsse uno zur Abstimmung
reif sein.
Die Diäten der Nationalversammlung betragen, im ge-
ringsten Anschläge, täglich 3000 Gulden; mithin werden die
Grundrechte dem deutschen Volke kosten (1288 Tage zu 3000
Gulden) 3,864,000 Gulden!
Das Veto des unverantwortlichen Reichsvermoderers ist
hierbei nicht in Anschlag gebracht!!! Wenn dieser sich gründ-
lich über die Gründe der Grundrechte wird besonnen haben,
dann deutsches Volk wirst du diese theuern Grundrechte
erhalten.
(Reichstagsz.)

Tagesbericht aus Deutschland.
Heidelberg, 11. Juli. Nachfolgender Protest zirku-
lirt hier und in der Umgegend, und wird in den nächsten
Tagen, mit zahlreichen Unterschriften bedeckt, an die National-
versammlung abgeschickt:
Hohe Nationalversammlung!
Mit Erstaunen haben die Unterzeichneten vernommen,
welcher Gegenstand die Nationalversammlung in ihrer jüngsten
Sitzung beschäftigt hat. Wir wundern uns nicht, wenn der
sterbende Bundestag „wegen der gefährlichen Zeitumstände"
eine Vermehrung der stehenden Heere um das Doppelte be-
gehrt; aber wir erstaunen über die Gründe, mit welchen ein
gleicher Antrag in der Nationalversammlung motivirt werden
sollte. So eben hat das preußische Ministerium officiell er-
klärt, daß Deutschland keinen Angriff von Rußland zu gewär-
tigen habe; in dem französischen Volke aber sicht das deutsche
Volk keinen Feind, sondern einen Freund und Bundesgenossen,
und die Nationalversammlung selbst hat offen und feierlich den
Freundesgruß Frankreichs erwiedcrt. Jener Antrag ist im Wi-
derspruch mit den Aussprüchen des deutschen Volks sowohl als
deutscher Negierungen , und die Nationalversammlung geräth
mit sich selbst in Widerspruch, wenn sie ihm Folge gibt. Die
Unterzeichneten hoffen keinen Schutz der nationalen und politi-
schen Freiheit Deutschlands von einer Vermehrung des stehen-
den Heeres, sondern sie erwarten ihn von der Begeisterung
des deutschen Volkes für eine wahrhaft volksthümliche und
zeitgemäße Gestaltung seiner öffentlichen Verhältnisse. Die
Unterzeichneten protestiren daher gegen einen derartigen Be-
schluß Angesichts der verheißenen Verminderung seiner Lasten,
insbesondere der stehenden Heere, Angesichts der in den mei-
sten Bundesstaaten gesetzlich beschlossenen, wenn auch leider
an wenigen Orten thatsächlich begonnenen, auf Volksbewaff-
nung gestützten Verbesserung des Militärwesens; sie protesti-
ren dagegen Angesichts der wiederholten Frevelthaten, welche
sich Offiziere und Soldaten der stehenden Heere gegen wehr-
lose Bürger erlauben dürfen; sie protestiren dagegen endlich
Angesichts der Sprache derjenigen Blätter, die sich Organe der
Majorität der Nationalversammlung nennen lassen, — und
welche die Regierungen offen zum Festhalten am Einzclinte-
resse und zu Gewaltstreichen gegen die demokratische Parthei
aufrufen!
Weinheim. Ein seltenes Glück wird uns von Zeit
zu Zeit zu Theil. Der Volksvertreter Mathy, dessen Familie
seit einigen Wochen hier wohnt, schleicht öfter ganz im Stillen
durch unsere Straßen der Wohnung seiner Familie zu, und
entfernt sich eben so heimlich wieder, er thut das offenbar, um
kein Aufsehen zu erregen, da er weiß, daß seiner großen Ver-
dienste um des Volkes Wohl wegen, dessen Huldigungen (?)
nicht auöbleiben würden. Trotz seines bescheidenen Herein-
schleichens wurde seine Anwesenheit ohnlängst bekannt, und
schnell entschloß sich der hiesige Liederkranz, denselben mit Pau-
 
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