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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0815

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Erscheint Montags ausge-
' nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l st.
IN kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzeile 2kr.

Die Republik

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner n.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

2«L.

* Wer sieht jetzt die Reaktion noch nicht?
Man spricht und träumt von Reaktion, sprach unlängst
einer der Abgeordneten in Frankfurt, ich sehe keine. '/Die
Rechte und Freideiten des preußischen Volkes, wie aller andern
deutschen Länder, sollen unverkümmert bleiben" ruft das deut-
sche NeichSministerium dem Volke zu. Nun, so laßt uns ein-
mal einen Blick hinter die Karten der „hohen Herrschaften",
thun und die Früchte ihrer Wirksamkeit in den letzten Wochen
anschaucn.
In Wien hat das Volk nicht mehr verlangt, als das,
was die geängstigten Fürste» im März versprochen, und wie
hat man die Bitten um tos Versprochene, das Festhalten am
schon Errungenen beantwortet? Man erlasse uns das Blut-
bad, die Mord- und Gräuelszenen in der österreichischen Haupt-
stadt zu schildern, man erlasse uns, von Neuem das unendliche
Unglück und Elend, das Windischgrätz mit seinen fremden Hor-
den angerichtet, darzustcllcn. Genug, die freie Constitution ist
gebrochen, devch'andtag aus der Hauptstadt in die Verbannung,
in ein unbekanntes Most verlegt, in dem er weder eine Presse
für die Veröffentlichung der Beschlüsse, noch ein passendes Lo-
kal für die Sitzungen, noch Wohnungen für die Abgeordneten
finden wird. Im konstitutionellen Staate haben die Beschlüsse
der Abgeordnctenversammlungen Gewalt, Kraft, in Oesterreich
beantwortet man die Anträge der Dcputirten mit Kanonen.
Die Presse ist noch mehr unterdrückt als vor dem Sturz des
metternichschen Systems. Den Buchhändlern öffnet man die
Ballen und entfernt die guten Werke, und im Hauptlager zu
Hetzendorf sitzt der hohe Censor, der die mißliebigen Zeitungs-
blätter aus dem Auslände zu Tausenden den Pferden zur
Streu vorwerfcn läßt. Der Bürger ist entwaffnet, die schwarz-
rothgoldne Fahne in den Koth getreten, und auf dem Ste-
phansthurme weht die schwarz-gelbe Fahne der Camarilla. Die
Nationalversammlung in Frankfurt wurde verhöhnt, ihre Ab-
scndlinge mit Fußtritten beehrt und Volksabgeordnete wider-
rechtlich ermordet. In den Kaffeehäusern und Wirthschaften
wagen es die Gäste kaum zu sprechen, denn die geringste Be-
merkung über die Verhältnisse Oesterreichs bringt sie vor das
Standgericht, dessen Ürthcile mit Blut geschrieben und dessen
Beweisgründe die Kugeln und der Strang sind.
So, hört man alle Leute sagen, haben wir's in Wien
nicht erlebt, die früher« Zeiten, selbst die schlimmsten, waren
Gobd gegen die fetzigen! Und ihr seht keine Reaktion?
In Berlin hat man mit Freuden den guten Erfolg der
österreichischen Gcwaltstreiche, der Reaktion gesehen ; gleich wird
auch dort die Sache versucht. Die Negierung verlegt auch
dort auf Geradewohl die Nationalversammlung in eine andere
Stadt und hofft dadurch Widerstand im Volke zu erregen, sie
hofft einen Straßenkampf in Berlin hervorzurufen, uuv dann,
mit dem aus Schleswig-Holstein schon vor längerer Zeit zu-
rückgerufencn Wrangel das Volk zusammenzukartätschen, um
als Sieger dem Besiegten seine Rechte entziehen zu können,

1848.

weil, wie der bekannte Ausdruck sagt, die Rechte mißbraucht
worden seien.
Das Volk ging nicht in die Falle; aber die Gewalt-
streiche gegen das Volk waren einmal begonnen, fetzt setzt
man sie auch fort. Die Bürgerwehr ist entwaffnet, die Presse
erdrückt, Verhaftungen werden ohne Richter, ohne Gründe, an
Jedem, der dem Militär nicht gefällt, vorgcnommen. Das
ganze Volk spricht sich gegen dieses Verfahren auS, die Re-
gierung bekümmert sich nicht mehr umsVolk, erklärt das ganze
Land in Belagerungszustand und erdrückt jede freie Regung.
Ist das keine Reaktion?
In Baiern weist man deutsche Brüder je nach Belie-
ben aus den Städten, verfolgt Jeden, der nur frei denkt und
spricht, und füllt die Kerker mit den Redakteuren freisinniger
Blätter. Die gerechten Forderungen der Bürger weist der
König ab, weil sie nicht nach seinem Sinne, nach dem Sinne
des Reaktionärs sind, und in der Hauptstadt sammelt man ein
mächtiges Heer, das schlagfertig dem Volke gegenübersteht. Ist
das keine Reaktion?
In Baden verbietet man Volksversammlungen, beschränkt
das Vcreinsrccht und sucht durch Hunderte von Prozesse die
Presse zu unterdrücken. Alle Kerker sind gefüllt, unsere besten
Bürger und muihigsten Freiheitskämpfer liegen in Ketten; den
gegründeften und rechtlichsten Bitten des Volks um Auflösung
derKammcrn, und um eine konftituirende Versammlung schenkt
man kein Gehör, und ein ganzes Reichshecr hat das Land
überschwemmt. Ist das keine Reaktion?
In Würtemberg sind die Gefängnisse ebenfalls über-
füllt und der erste freie Beschluß der Kammer, nämlich die
Verminderung der Civillistc des Fürsten, findet starken Wider-
stand. Das Ministerium hält mit den Reaktionärs der Kam-
mer geheime Versammlungen und scheint energische Schritte
gegen die Vertreter des Volks versuchen zu wollen, wenn sie
nicht gesonnen sind, nach dem Pfeifen der Nückschrittspartei
tanzen zu wollen. Ist das keine Reaktion?
Im Herzen Deutschlands, in dem schönen Thüringen,
saugt man die Bauern durch ein mächtiges Heer aus, und
verhaftet ohne Erbarmen jeden Mißliebigen. Die Demokraten
schmachten in den Kerkern und die Inquisition erhebt ihr bluti-
ges Haupt. Ist das keine Reaktion?
Nun-und in Frankfurt selbst hat man so viele eingc-
kerkert, daß die andern Staaten noch mit Untersuchungsrichter
aushelfen müssen, um nur mit den Verhören fertig zu werden.
Das Recht der Volksversammlungen ist dort gebrochen, sechs
Stunden im Umfang darf keine solche abgehalten werden, und
selbst dem friedlichen Aibeiterkongreß verbietet man die Siz-
zungcn. Ist das keine Reaktion?
Das russische Barbarenhcer steht an der Gränze, in Wien
und Berlin lacht man den Mördern der polnischen Nation
freundlich entgegen, und ihr seht keine Reaktion?
Sie ist da, die Reaktion in vollem Glanze und euch, die
ihr sie nicht sehen wolltet, haben wir das unendliche Unglück
zu verdanken, das über unser Vaterland kommt; aber glaubet

Dienstag, 28. November.
 
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