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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0863

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Durch die Post bezogen im
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die dreispalt. Petitzeile 2kr.

Die Republik.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner «.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Hs" 213. Dienstag, 12. Dezember. 1818.

Abschicdsbrief Robert Blrrrn's an seine
Gattin.
Jetzt erst ist der Abschicdsbrief Robert Blum's an seine
Gattin in Leipzig angelangt. Er lautet:
»Mein theures, gutes, liebes Weib, lebe wohl! wohl für
die Zeit, die inan ewig nennt, die es aber nicht sein wird.
Erziehe unsere, jetzt nur Deine, Kinder zu edeln Menschen,
dann werden sie ihrem Vater nimmer Schande machen. Unser
kleines Vermögen verkaufe mit Hülfe unserer Freunde. Gott
und gute Menschen werden Euch ja helfen Alles,
was ich empfinde, rinnt in Thränen dahin, daher nur noch-
mals: leb' wohl, theures Weib! Betrachte unsere Kinder als
theures Vermächtnis, mit denen Du wuchern mußt, und ehre
so Deinen treuen Gatten. Leb' wohl, leb' wohl! Tausend,
tausend, die letzten Küsse von Deinem Robert. Wien, den
9. Nov. 1848 Morgens 5 Uhr; um 6 Uhr habe ich vollen-
det. — Die Ringe hatte ich vergessen; ich drücke Dir den
letzten Kuß auf den Trauring. Mein Siegelring ist für Hans,
die Uhr für Richard, der Diamantknopf für Ida, die Kette für
Alfred als Andenken. Alle sonstigen Andenken vertheile Du
nach Deinem Ermessen. Man kommt! Lebe wohl, wohl!

Bereinigte Staaten von Dentschland.
kJ) Heidelberg, 8. Dez. Mit Pius dem IX. stürzt
der größte Repräsentant der Politik des guten Willens.
Die Politik des guten Willens ist aber die vorherrschende ge-
wesen bei allen revolutionären Negierungen dieses Jahres.
Sie hatten den besten Willen von der Welt die zahllosen em-
porgekommencn und gestürzten Regierungen, und eben weil sie
nichts Besseres hatten, als ihren guten Willen, sind sie zu
Grund gegangen und haben ihren Fall mit in die Revolution
verwickelt. Die Negierung des guten Willens datirt aber vor
Len ersten Reformationsversuchen Pius der IX. Wo hat der
gute Wille der Negierung sich so unleugbar, so wiederholt, so
unermüdlich, so langmüthig gezeigt, als bei Pius? Immer
gab er nach, immer war er bei der Hand, um-zwischen den
Wünschen des Volkes und dem, was er für das Beste des
Volkes hielt, zu vermiltttu, immer suchte er mit der Bewe-
gung Schritt zu halten. Schwach, schwankend, aus lauter
Vorsicht, bald rechts, bald links die Gränzcn der Klugheit
überschreitend, aber immer voll der wärmsten Liebe zu seinem
Volke, war Pius das Ideal des regierenden „guten Willens."
Ohne die Februarrevolution und die folgenden europäischen
Stürme wäre Pius als großer Mann gestorben. Aber die
Zeit ist ihm, wie unseren früheren Volksmännern, plötz-
lich über den Kopf gewachsen und der gemächlichste
Patriarchen-Fürst von Europa, in ein fremdes Element geris-
sen, fand es gerathen, sich an das konservative Ministerium

Rossi anzuklammern — dieser fand seinen Tod — der
Pabst seinen Untergang. Nachdem der volksfeindliche
Rossi aus der Welt geräumt war, mußte das Fremden-Mini-
sterium beseitigt, die fremden Truppen, die Schweizer entfernt
werden, und Pius selbst fand es für gerathen, derVolkeswuth
durch Flucht auszuweichen. Ohne Rücksicht auf den guten
Willen wurde er, der die Bewegung veranlaßte, ebenso von
dieser Bewegung bei Seite geworfen, wie sein ausgeprägtester
Gegensatz Louis Philipp. Der gute Wille und der böse sind
gleich vor der Revolution!
Daher kommt es auch, daß gute und schlechte Fürsten in
der Revolution gleich behandelt werden. —
Die römische Revolution liefert den Beweis, daß heut
zu Tage keine Staatsform mehr möglich ist, die an die Stelle
des allmächtigen Volkswillens irgend einen Pri-
vatwillen setzt — und sei es auch der königliche Wilhelm
IV. oder der junge Willen des Kaisers Franz Josephs I. —
Die Zukunft wird cs lehren — die Revolution hat in Rom
den Anfang gemacht — Frankreich und Deutschland durch-
braust — jetzt ist sie wieder an ihrem Ausgangspunkt ange-
kommen—sie wird ihre mächtigen Wogen wieder nach Deutsch-
land wälzen — und die Klippen niederwerfcn, die hindernd
-sich dem gewaltigen Lauf des wilden Elements entgegenstellen!
A<;lasterba«sett, 8. Dez. Bei der hier abgehaltenen
Todtenfeier für Robert Blum wurde eine junge Eiche zu
Blums Andenken gesetzt, damit auch dieses äußere Zeichen in
spätern Jahren unsere Kinder und Kindeskinber täglich und
stündlich sich des Manneö erinnern, der für ihre Freiheit ge-
storben.
II Bo» der Bergstraße. Der Herr Ministerpräsi-
dent Bekk hat sich unlängst sehr beleidigt gefunden, als der
Abgeordnete Brentano die Saumseligkeit unserer Untersuchungs-
richter berührte. Es scheint, daß sich der Herr Minister noch
nicht viel um den Gang der Untersuchung gegen die politischen
Gefangenen bekümmert hat, denn sonst hätte er nicht so barsch
gegen Brentano auffahren können, und zum Beweis, wie sehr
Letzterer die Wahrheit gesprochen hat, führen wir zu den vie-
len auch ' och nachstehende Thatsache an.
In Nr. 283 der Mannh. Abendzeitung heißt es in ei-
nem Artikel von der Bergstraße, daß in Weinheim Leute we-
gen einer Mcinungäußerüng oder wegen eines Traumes ihrer
Freiheit beraubt wurden. So unglaublich dieses auch klingt,
so wird man aber die Wahrheit dieser Aussage nicht länger
bezweifeln, wenn wir die Versicherung geben, daß von Schriest
heim drei Bürger durch Schandarmen abgeholt wurden, die
nicht einmal etwas hochverräterisches geträumt, sondern einzig
und allein das Verbrechen (?) begangen hatten, daß sic gerade
an jenem Tage, vor der Nacht in welcher die Eisenbahnschie-
nen ausgehoben wurden, Geschäfte in Weinheim hatten und
deßhalb dahin fuhren. Auf einige elende, ganz aus der Luft
gegriffene Denunziationen hin müssen besagte drei Bürger ab-
solut Theilhaber an dem bekannten Eisenbahn-Attentat sein?
 
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