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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0317

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Die Republik erscheint
täglich. Preis in Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l fl.
IN kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzeile 2kr.



Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Nenner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

77. Donnerstag, 22. Juni. 18L8.
Mit dem ersten Julr beginnt ein neues Quartal der „Republik"; sie wird wie bisher, so auch in
Zukunft ein Organ der strengsten demokratischen Richtung bleiben, und mit aller Entschiedenheit für die
Verwirklichung derjenigen Staatsform arbeiten, die ihr Titel bezeichnet. Bestellungen darauf bitten wir
recht bald zu machen, damit die Auflage danach ermessen werden kann; weiter ersuchen wir unsere Gesinnungs-
genossen, ihre Aufmerksamkeit dem Blatte durch Zuweisung von Inseraten, durch Zusendung interessanter Beiträge
in prosaischer sowohl als in poetischer Form, zuzuwendeu, und dadurch dessen Forterscheinen zu sichern. — Alle
Postämter des In- und Auslandes nehmen Bestellungen darauf an.
Die Redaktion.

Ist das Volk reif für die Freiheit?
Von allen Seiten hören wir noch gegenwärtig die
Einführung republikanischer Staatsformen mit der Behauptung
für unmöglich erklären, daß das Volk nicht reif dafür sei.
Die Könige berufen sich bei dieser Behauptung vorzüg-
lich auf den beschränkten Unterthanen-Verstand, sind aber zu
sehr Partei in der Sache, als daß ihr Urtheil nur die min-
deste Beachtung verdiente. Die gelehrten und vornehmen Leute,
der Adel, die Beamten, Hofläthe, Professoren, Pfaffen und
Kriegskncchte glauben ebenfalls zum größten Theil, daß das
Volk nicht reif sei für die Republik; sie sind zwar der Theo-
rie nach, so weit sie aufrichtig ihre Meinung auesprechen und
denkende Leute sind, — und von solchen ist hier allein die
Rede — für den Staat der Freiheit; aber in der Praris
scheint ihnen derselbe nicht durchführbar, denn, sagen sie, zur
Republik braucht man Republikaner, ebeüso, wie mau
zum Fluß Wasser braucht, und wo bleiben die Tagenden eines
Cato in unserem Zeitalter? Aus Cicero und Seneka beweisen
sie sehr gelehrt, daß der bei uns herrschende Lurus allein schon
einer Republik schnell den Untergang bereiten müßte, und er-
innern dabei aus Neid an Welcher und Eisenmann, als
Männer, die lange ihrer republikanischen Gesinnung wegen
hochgeachtet und verfolgt worden seien, jetzt aber eben doch
auf die faule Seite sich neigen; und zuletzt fragen sie mitlei-
dig, so man das sieht am grünen Holz, was soll am dürren
werden?
Andere machen auf die Umstände aufmerksam, unter de-
nen diese bessere Staatsform eingeführt werden müßte, sie be-
schreiben mit den schreiendsten Farben Len schrecklichen Bürger-
krieg, welchen eine solche Maßregel zur nothwendigen Folge
haben müßte, stellen Feuersbrünste, Hungersnoth, Pestilenz, ja
den Teufel und seine Großmutter, und endlich als brüllenden,
Alles verschlingenden Löwen das Gespenst des Kommunismus
in Aussicht.
Zn dieses Lied stimmt alles Ungeziefer im Volke mit ein,
die Getdsäcke, die Knechtsseelen, die Simsenläufer und Suppen-

verdiener, deren es überall gibt, und die um einen Groschen
sich sieben Mal kurz und sieben Mal lang machen. Sie Alle
schreien im Chor: Wir wollen keine Republik, das Volk ist
noch nicht reif dazu, und Jeder nimmt sich pflichtschuldigst von
diesem Volke, von der Canaille aus.
Man sieht, das Volk hat keinen leichten Stand, um sich
Gehör und Recht zu schaffen. Die Leute, welche berufen sind,
für dasselbe zu sorgen und zu denken, zeigen sich beinahe
sammt und sonders als seine geschworenen Feinde, gerade da
es gilt, seine heiligsten Interessen zu wahren sie alle erklären
es für unreif zur Freiheit, sie hehandeln es wie der Vormund
einen Mündel, der nie zur Mündigkeit gelangen soll; das
Volk ist für diese scharfsinnigen Politiker immer zur Freiheit
bestimmt, aber niemals reif. „Es ist der Besitzer der
Souveranetät, aber niemals soll eö diese selbst ansüben. Der
Mündel hat ein schönes Vermögen, aber niemals bekommt er
es in die eigenen Hände; er hat freilich auch ein schönes Alter,
— aber —nun — Alter schützt nicht vor Thorheit, und man
kann nie weise genug werden, besonders bei der Erziehung,
die der Mündel erhält/'
Wer sollte aber auch den klugen Herren zumuthen, daß
sie vom Ruder abtretcn und ein Gnt aus den Händen geben,
das ihnen so reiche Zinsen getragen hat und noch trägt? Ha-
ben sie nicht so lange Jahre sich bei Verwaltung desselben ge-
mästet und sollten sie plötzlich einer Herrlichkeit entsagen, :a
deren Besitz bleiben zu dürfen sie immer gehofft hatten? Ent-
setzliches Schicksal!
Und doch werden die Herren in den sauren Apfel beißen
müssen. Denn das Volk ist reif, cs hat sich selbst mündig
gesprochen schon im Jahr 1813, wo Tausende von Freiwilli-
gen zu den Waffen strömten, als eö galt, für die höchstzm
Güter des Lebens, für Freiheit, Selbständigkeit und Vater-
land zu streiten. Wie können nun die Fürsten von geistiger
Unreife, von beschränktem Unterthanenverstand mit so souve-
räner Verachtung reden! Deßhalb etwa, weil die Völker sich
gefallen ließen, daß z. B. der Preußenkönig in der Prokla-
mation von Kalisch die Freiheit und Unabhängigkeit zwar ent-
 
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