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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0481

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ganzen Großh. Baden 1 ff.
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die dreispalt. Petitzeile 2kr.

118.


Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Mittwoch, SS. Angnft.

18L8.

Erinnerungen an das Kölner Dombarifest.
Es bat vor einigen Jahren dem König von Preußen ge-
fallen, mit Hülfe des Herrn Geh. Raths Schelling ein
Pietist zu werden, um seinen Thron mit derjenigen Philosophie
zu stützen, welche ihre Fahne auf den Trümmern des Christen-
thumS aufzupflanzen beabsichtigte. Der König ging, wie es
scheint, dabei von dem Grundsatz aus, daß der Pietismus, so
gut als der Romanismus sich dazu brauchen lassen werde,
um den Tbron auf Gottes Gnade nicht nur zu stützen, son-
dern aufs Neue nach dem historischen Recht zu begründen.
In Folge dieser Ansicht betheiligte sich der Hohenstaufe
bei dem Ausbau des Kölner Domes, de» die Geistlichkeit am
Rhein so gut als die an der Tiber für ihre Zwecke förderlich
betrachteten. Ein preußischer Fürst entblödete sich nicht, seinen
Geschmack für das Mittelalter und für das Papstthum in der
Weise kund zu geben, daß er nicht bloS den Ausbau einer al-
ten Kirche aufs Thätigste und Kräftigste mit Geld unterstützte,
sondern er setzte sich auch mit der Er-Majestät von Baiern
in Verbindung, um mit Hülfe dieses stockkatholischen Regenten
und Dichters den Fortbesitz seiner Krone zu sichern. Wir sind
keineswegs der Meinung, daß die Kunst nicht in aller Weise
gefördert werken solle — denn die Republik bedarf deren so
gut wie das Köm'gthum — wir begreifen auch, daß der Preus-
senkönig die Einheit Deutschlands, d. h. die Vereinigung der
deutschen Staaten unter seinem Szepter am ersten zu errei-
chen hoffen konnte, wenn er die verschiedenen Neligionspar-
theien unter einen, d. h. unter seinen Hut zu bringen suchte;
es ist uns völlig klar, wie ein absoluter Monarch seine Inte-
ressen verfolgt, aber wir begreifen nicht, wie die Nationalver-
sammlung zu Frankfurt sich unterstehen durfte, ihre Sitzungen
zu vertagen, um einem Feste bcizuwohnen, welches den Bewe-
gungen der Zeit geradezu Hohn spricht.
Die neue Zeit und in ihr die Menschen beschäftigen sich
mit ganz anderen Dingen als mit dem Ausbau eines Tem-
pels in welchem eine Lehre gepredigt wird, die den Menschen
auf die Zukunft verweist, und ihm für irdische Drangsale eine
ungewisse Seligkeit im Himmel verspricht. Die Menschen der
Jetztwelt verlangen, und das von Gottes und Rechtswegen,
schon auf Erden einen Zustand, in welchem es ihnen vergönnt
sein soll, so glücklich zu sein als es des Menschen Bestimmung,
und ihm möglich ist. Sie wollen insbesondere, daß das Chri
stenthum ihnen Mittel und Wege an die Hand gebe, durch
welche die Bildung, der Wohlstand und die Freiheit Aller ohne
Ausnahme erreicht werden kann. Die Nationalversammlung
ist durch den allgemeinen Willen des Volks berufen, diesen Zu-
stand zu erstreben und wo möglich herbeizuführcn, sie hat ihr
Mandat nicht von Gott, nicht von Monarchen, sondern aus
allerhöchster Gnade des souveränen Volkes erhalten; sie soll
den deutschen Stämmen dazu verhelfen, daß sie endlich ein-
mal zu Demjenigen gelangen, was ihre Bestimmung als Bür-
ger der Erde mit Nothwendigkeit erheischt. Diesen Beruf aber
hat die Nationalversammlung auf's Neue verfehlt, indem sie

die Verathung über die Grundrechte unterbrach, um eine Ver-
gnügungsreise nach Köln zum Dombaufeste zu machen.
Was nutzt dem deutschen Volke ein steinerner Tempel in
Köln, was liegt ihm daran, wenn dort ein katholischer Prie-
ster einen Triumph feiert, weil einige Millionen mehr zum
Weiterbau des Domes verschwendet worden sind. Sein Gott
ist auch von dieser Welt, sein Gott will, daß allen Menschen
geholfen werde, so lange sie im Fleische wandeln, und nicht
erst wenn sie verfault sind. Die Nationalversammlung aber
hat ihrem Beruf keine Rechnung getragen, indem sie einem
Feste anwohnte, bei welchem das Königthum der Klerisei die
Hände zu einem Bunde reichte, der gegen das Freihcitsbewußt-
sein des Volkes gerichtet ist.
Da die Nationalversammlung, wie schon ihr Name be-
sagt, nichts anders sein kann, als der Ausdruck des Volks-
willens, so können wir nicht unterlassen, unsere gerechte Ent-
rüstung darüber auszusprechcn, daß es der Mehrheit derselben
gefallen hat, sich der Wallfahrt nach Köln anzuschließen, wäh-
rend das Volk mit Ungeduld nach Frankfurt blickt, und seine
Interessen gefördert sehen will, nicht die Interessen des Clerus.
Die Zeiten der Fcftzüge, Schaugepränge und Bacchanalien lie-
gen hinter uns, unsere Zeit hat eine ernstere Aufgabe, und
diese Aufgabe zu lösen, sollte die Nationalversammlung sich
zur ersten Pflicht machen. Oder sollen etwa die Arbeiten in
der Paulskirche mit Willen gehemmt und verzögert werden,
damit die Reaktion (die der Hexenmeister Welker roch ge-
bannt hält) Zeit gewinnt, ihren Zug gegen das erwachte
Sclbstbewußtsein des Volkes zu organisiren?
Im Angesicht der Gefahren, die dem Volke von innern
und äußern Feinden drohen, unv im Angesicht der bisherigen
Leistungen der Nationalversammlung, wäre es nicht ganz am
unrechten Platze, wenn das Volk über den Eingang der Pauls-
kirche schriebe, was nach Dante auf der Pforte der Hölle ge-
schrieben steht: „Wir lassen alle Hoffnung fahren."

Einheit oder Freiheit.
„Einheit!" tönt es von einem Ende Deutschlands zum
andern, und das Dröhnen dieses Rufes ist so überwältigend,
daß das dazwischcnklingende Haschen nach Freiheit und Siche-
rung der Volksrcchte fast in dem Getöse erlischt. Es liegt et-
was Gefährliches in dieser Erscheinung; denn sind die, welch«
am lautesten jenen Ruf nach Einheit erheben, nicht gerade
Diejenigen, welche die treuesten Diener des alten Systems ge-
wesen sind, mit Rath und That es unterstützt und zusammen-
gehalten haben, bis es vor der Erhebung des Volkes zusam-
menbrach, wie morsches Bauwerk? Und diese Leute sollten
sich nicht bewußt sein, daß in der so laut und dringend be-
gehrten Einheit eine Handhabe gefunden werden könne, das
alte Spiel zu erneuern und die Nation um den Preis ihrer
Erhebung, um den Preis ihrer Kämpfe und Opfer zu betrü-
gen? Schwerlich!
Auch wir wünschen nichts sehnlicher, als daß sich Deutsch-
 
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