Die Republik (1848)

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Freitag, 17. November. S 8A8.



Deutschland im Jahre 1848 und die erste französische
Revolution.
Als im März d. I. der aus Westen kommende Nevolu-
tionssturm über unser Vaterland, so wie über ganz Europa
dahin brauste, und die allen, unhaltbaren Staatseiurichtungen
in ibren Grundfesten erschütterte, da durchzuckte das deutsche
Volk nur ein Gedanke, der Gedanke an zeitgeiräße Reformen
in politischer und religiöser Beziehung, die ihm schon so lange
fühlbar waren, ohne die Kraft und die Energie zu besitzen,
diese Reformen auf dem sogenannten gesetzlichen Wege seinen
Machthabern abzuringcn. Ermuthigt durch das heroische Aus-
treten unseres heldcnmüthigcn ßfachdarvolkes trat auch das
deutsche Volk in das Stadium der Revolution ein, um dadurch
zu erzwingen, was ihm zu seinem geistigen und materiellen
Nachtheil so lange vorenthalten war. Es zeigte Ernst, ver-
langte und wurde ihm gewährt; Alles, Alles sollt ihr haben,
so lautete das Versprechen Derer, die das Volk schon so oft
betrogen, und auch diesmal zu betrügen die Absicht hatten. —
So wie bas Meer nach dem Sturme noch eine Zeitlang fort-
tobt und sich nur nach und nach beruhigt, so tob,en auch die
schwankenden Volkswogen in Deutschland noch fort, es war
dies bei dem Volke der btcbergang von der Be-
weg ung zur Ruhe, bei dessen Ma chthabern aber
der Uebcrgang vom Versprechen zum Halten. Der
erstere wäre sicher erfolgt, wenn zur Verwirklichung des letz-
tern nicht alsbald alle Hoffnung verschwunden wäre.
Anstatt das Wohl des Volkes, sein Jnterrcfse zu fördern,
seinen Willen zu vollziehen, benutzte die allzeit fertige Neakuon
jenen liebergang vom Sturm zur Ruhe, um ihren halb und
halb verlorenen Boren wieder zu gewinnen, und ihre in dem
Drange der Noth gegebene Versprechungen unter günstigem
Vorwande wieder zurücknehmen zu können; dazu war nun
kein Mirtel zu schlecht, bas ihren Zweck zu fördern versprach:
Sie kirrte die Männer theilweise, die bisher an der Spitze
des Volkes gestanden, daß sie zu Vcrrälhern an denselben,
und zu Werkzeugen ihrer Machinauon wurden; sie wühlte das
Volk auf, anstatt dasselbe durch Erfüllung seiner Wünsche zu
beruhigen, und schob dann bim Wühlerei auf den freisinnig-
sten Theil des Volkes, die Republikaner. Sie seien cs, sagte
man den Aengstlichen im Volke, welche die Anarchie, die Pö°
belhcrrschaft, die See nen der ersten französischen Re-
volution zurückrufen wollten. So schlau wie dieser
Neaktionsplan angelegt war, so glücklich war s:in Erfolg:
Daö Volk wurde entzweit, und der Sieg der Reaktion
war entschieden. So standen die Sachen, als die Reaktion
noch mit Vorsicht zu Werke ging. Aber wie die Mücke das
wohlschmeckende Gift cinsaugt, bis sic betäubt zu Boden sinkt,
und der Säufer des süßen Weins voll, aller Fähigkeiten des
menschlichen Verstandes baar ist, so kannte auch die Reaktion
keine Gränzen mehr, und machte somit das Sprichwort auf
sich anwendbar: »Wer andern eine Grube gräbt, fällt ge-
wöhnlich selbst hinein.» Die Anarchie, die sie den Re-

publikanern in die Schuhe schob, den schrecklichen Zu-
stand der neunziger Jahre, vor dem sie heuchlerisch
warnte, ist herbeigeführt, herbeigeführt durch sie selbst, durch
ihre Herrschsucht ohne Maaß und Ziel, durch ihre Herzlosigkeit,
die von dem Instinkt der Thierc beschämt wird, welche groß-
müthiqer gegen den überwundenen Feind zu sein pflegen. .
Es ist ein Zustand, schrecklicher als je eine Propheten-
stimme ihn vorher zu sagen gewagt hätte. Die Verfassungen
der Einzelstaatcn sind theilweise aufgehoben, durch Beschlüsse
d. r Central^ewalt ergänzt oder verändert. Die Gesetze werden
gehandhabt, wie man es für gut findet. Die Grundrechte sind
noch in Arven. Die Centralgewalt ist mächtig nach Unten und
ohnmächtig nach Oben. In Wien regiert Windisch-Grätz, in
Berlin Wraugcl und Brandenburg; in Baden werden d i e-
jenigen als Hochverräther erklärt, die sich der Majorität in
Frankfurt widersetzen, in Wien wird die Majorität
des Reichstags mit Bomben und Granaten traktirt; in Ber-
lin wird sogar die Majorität als Hochverräther erklärt,
während die in Frankfurt sich hinter ein Schutzgesetz und die
Bajonette der Rerchstruppen verschanzt. Die Kerker sind mit
tausenden von '-'olltischen Verbrechern angefüllt; tausende von
Familien beweinen ihre in das freie Ausland geflüchtete An-
gehörige, die sich den liebevollen Armen der deutschen Justitz
entzogen; die so gefürchtete Guillotine wird unter dem
Namen Standrecht und Belagerungszustand von
Ort zu Ort geführt, und hat in Wien schon die ersten Opfer
ihrer Wirksamkeit erhalten; Städte werden bombardirt, und
während das so vcrschiicenc Proletariat überall das fremde
Eigenthnm heilig hält, dekretirt die Reichsgewalt Millionen
auf den leeren Beutel der Bürger, deren materieller Wohl-
stand durch Steuer - und Einquartirungslast zernichtet ist.
Tausende und aber Tausende verlassen ihr Vaterland um sich
in dem freien Amerika eine neue Hcimath zu gründen, da sie
die Segnungen der Monarchie mit jener der R e p u b lik
vertauschen wollen.
So weit hat es die Reaktion in ihrem Siegesrausch ge-
trieben, und wenn nun denjenigen, die von jenen falschen
Versprechungen sich blenden ließen, die Augen noch nicht ge-
öffnet sind, so mögen sie es auf sich nehmen, wenn der Fluch
ihrer Nachkommen sic trifft, weil sie den Todcngräbern die
Spaten reichen, die das Grab ihres Vaterlandes graben.

Vereinigte Stauten vv» Deutschland.
* Heidelberg, 16. Nov. Wehe, webe König von
Preußen! Ihr wagt zu viel! Preußen ist nicht Oesterreich.
Ihr glaubtet mit einer Stabt, mit einigem Gesindel, wie
Ihr sagt, es zu thun zu haben, und habr'ö mit dem ganzen
Lande, mit einem ganzen Volke zu thun!
In Berlin ist Vie ganze Bürgerwehr, 60,000 Mann,,
gegen Euch, die Stadtverordneten gegen Euch, die Gerichte
sogar, gegen Euch, und das ganze Land erhebt sich wie cm