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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0257

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Die Republik erscheint
täglich. Preis in Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l fl.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die drcispalt. Petitzeile2kr.

Die Republik.

»i- «2.

Dienstag, K. Juni.

Bestellung wird gemacht!»
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

18L8.

s Die Halbheit führt zu nichts, dem Muthigen
aber hilft das Glück
Die Lehren der Geschichte, die Lehren der Erfahrung,
selbst des täglichen Lebens gehen an den Menschen vorüber,'
ohne auf sie einen nachhaltigen Eindruck zu machen. Die
welche sich für gebildet halten und gebildet sind, glauben die
Ereignisse nach ihrem Kopfe lenken zu können, die Ungebil-
deten, die Leute, welche nicht nachdenken, lassen die äußere
Erscheinungen entweder nur als etwas Neues auf sich ein-
wirken, oder unterwerfen sie keiner Prüfung und folgen auf
Treu und Glauben dem was Andere ihun oder lassen.
Zu den Leuten der ersten Classe gehört ein großer Theil
des zu Frankfurt versammelten Parlaments, zu den Gleichgül-
tigen oder Nachlässigen der größte Theil des deutschen Volks,
der größte Theil aller Völker. Beide eben berührte Classen
aber sind der Ansicht daß sich für Deutschland eine Freiheit im
Schlafe, oder durch bloßes Geschreibe und Berathen über die
Verfassung erringen lasse. Beide vergessen, was die Geschichte
auf allen ihren Blättexn beweist, nämlich daß kein Volk je
frei geworden ist, ohne große Opfer, Beide denken nicht da-
ran, daß der Einzelne schon nur mit vieler Mühe sich von der
Tyrannei alter Vorurthcile, alten Herkommens, alter Privite-
gicn loesagt, daß Niemand ohne die entschiedenste Hingebung
in irgend welcher Sache etwas Erkleckliches leistet. Aus solcher
geistigen Denkfaulheit, aus Selbstsucht und anderen verwerf-
lichen Gründen hofft eine Menge von Deutschen, daß für ihr
Vaterland ein besonderer Kuchen gebacken werde und daß sie
nur den Mund aufzumachen brauchten um ihn in sich aufzu-
nehmen. Große, gelehrte, berühmte Männer stellen sich vor,
ein besserer Zustand der Dinge als der gegenwärtige lasse sich
auf friedlichem Wege erlangen; ja, ich habe aus dem Munde
des vielgefeiertcn Hrn. v. Soiron bei einer hier gehaltenen
Rede gehört, der deutsche Reichstag werde die Geschicke des
Volkes so zu lenken verstehen, daß von den 35 Regenten nur
noch etwa fünf oder sechs übrig bleiben und daß auch diese
beseitigt werden, sobald das Volk als sein eigener Hausver-
walter auftreten wolle.
Von allen diesen überspannten Hoffnungen, Erwartungen
und Versprechungen ist bis heute nicht eine einzige erfüllt wor-
den. Vernünftige Männer, Kenner der menschlichen Natur,
Leute wie Hecker und Struve, haben sich nicht mit Illusionen ge-
schmeichelt, wie sie Soiren und Andere aussprachen. Sie sahen
voraus, daß daß Nach-Parlament so gut als das sogen. Vor-
parlament nur auf dem Papier Etwas ausrichten werde, sie
lebten der Ueberzcugung, daß nur mit Anstrengung aller Kräfte
eine bleibende Freiheit nach allen Richtungen hin errungen und

erhalten werden könne, sie erkannten, daß die „Einheit"
Deutschlands nicht zu erreichen stehe, so lange 35 Fürsten ihre
Sonder-Interessen verfolgen und ihrem, dem Volkswohl aegen-
überstehendcn Sonderbunde treu bleiben, sie begriffen, datz die
^'Fürsten nicht freiwillig, nicht wohlfeilen Kaufs auf den Besitz
ihrer Throne verzichten, daß die Herren ihre Knechte nicht
beicht frei lassen würden. Sie hatten aus dem Studium der
Geschichte erkannt, daß ein Volk sich von seinen Tyrannen
nur los macht mist den Waffen in der Hand, und darum
griffen sie zur Wehre.
Ihr Unternehmen ist mißglückt, weil man in Baden, wie
anderswo zwar wohl reif war für die Republik, aber noch
nicht begriffen hatten, daß man um den Preis der höchsten
Güter des Lebens, um die Freiheit, um den Wohlstand, die
Bildung für Alle — auch Alles, das Leben selbst einfttzen
müsse.
Die neueren Vorgänge haben nun wohl alle Welt, die
nicht ganz vernagelt ist, belehrt, daß der Teufel durch Beelze-
buben ausgetrieben werden muß. Man hat sich davon über-
zeugen können, daß die frankfurter Versammlung nur eine
papicrne Verfassung in's Leben zu rufen, nicht aber ihren Be-
schlüssen den gehörigen Nachdruck zu geben, im Stande ist,
daß sie zum größten Theil aus Leuten besteht, die entweder
zu alt sind um die Zukunft zu bauen, oder als eingefleischte
Pfaffen, Beamten und dcrgl., mit einem Worte als Herren-
diener, als abhängig von den oder jenen Verhältnissen, Um-
ständen und Rücksichten, eine bessere Zukunft nicht herbeiführen
dürfen und noch weniger wollen. —
Das Parlament, es versteht sich, daß hierbei von dec
Linken nicht die Rede ist, will der Mittler zwischen Göttern und
Menschen, zwischen Fürsten und Völkern machen, es wird ihm
aber nicht gelingen, vielmehr wird es zwischen zwei Stühlen
niederfallen um nicht wieder aufzustehen.
Aber nickt nur die ältere und neuere Geschichte, nicht nur
die Geschichte des Parlaments thut dar, was wir behaupten.
Man hat in Wien besonders, aber auch in Berlin, in Baden,
in Bayern, in Württemberg, ja überall im Vaterlande, sehen
können, daß nur das entschiedenste Auftreten von Seiten des
Volks die Fürsten zur Nachgiebigkeit bewegt, daß sie nur dann
weichen, wenn cs ihnen die äußerste Nothwendigkeit gebietet.
Man wird sich mehr und mehr von dem überzeugen müssen,
was die Bibel (wir verstehen darunter die Weltgeschichte)
wie oben dargelegt, beweist, man wird zu der Einsicht ge-
langen, daß nur die äußerste Anstrengung den Menschen frei
macht, daß nur dieser eine vernünftige, sittliche Staatsform,
der Volksstaat, die Statt der Freiheit, die Republik snt-
sprießen kann.
 
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