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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0441

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Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l fl.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzeile 2kr.

K- 1«8.



Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Büch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden fraukirt erbeten.

Donnerstag, 27. Juli.

1848.

Verlangt freies Vereinsrecht!
In Nro. 403 habe ich gezeigt, daß in einem Staate
Vereine gegen die Staatsverfassung bestehen können, sobald
sie nur nicht gewaltsamen Umsturz bezwecken; denn gewaltsa-
mer Umsturz oder unmittelbare Aufreizung dazu ist nach mei-
ner Ansicht das einzige Staatsverbrechen.
Ucbcrhaupt, habe ich gesagt, soll ein Verein nur auflös-
lich sein, wenn die Mitglieder gerade wegen ihrer VercinSthä-
tigkeit gestraft werden können! Dazu schüttelt Mancher den
Kopf. Es ist schon recht, meint er, daß wir Republikaner uns
vereinen dürfen, um für unsere Ansichten geistig zu werben —
aber wenn sich nun Diebe vereinen, wenn die Jesuiten kom-
men! —
Jndcß — die Diebe können sich vereinen zum Stehlen.
Da bedarf cs blos eines Befehls an die Polizei, so wird sich
die verbrecherische Bande auflöscn müssen und ihre Mitglieder
werden nach dem Gesetz bestraft werden können.
Vereinen sich aber Leute, um, wie in London — ihre
Entwcndungsfertigkeit an einem Strohmanne zu üben, der,
von der Zimmerdecke Hcrunterbaumelnd, sich nicht rühren darf,
während seine Taschen geleert werden, so könnt Ihr dies eben
so wenig strafen, wie das Schießen nach menschlichen Figuren
von Gips. Ich würde Euch rathen, seht Euch die Geschichte
ruhig an und merkt Euch die Gesichter Derer, die Euren Do-
sen und Schnupftüchern möglicherweise gefährlich werden kön-
nen. Euer etwaiges Verbot würde leicht und unsträflich um-
gangen werden — denn die Sache selbst könnt Ihr durch
Strafen gar nicht hindern und man lacht Euch aus.
Zum Beweise mögen die Jesuiten dienen. — Nicht wahr,
in Baden sollen keine sein? Und nun frag' ich Euch, ob Ihr
keine habt? Ihr wißt, cs gibt Jesuiten mit langen und kur-
zen Nöcken; die Letzteren sind die schlimmsten — die schreien:
Hoch lebe Luther d. h. hoch oben, und hier unten, denken sie,
herrsche Lopala! Du freilich, sagen sie zu dem, mit dem sie
sprechen — Du bist verständig — aber das Volk! das Volk!
Und so wollen sie Euch umstricken mit dem Mißtrauen gegen
Eures Gleichen und nach und nach gegen Euch selbst, damit
Ihr ihnen endlich zuruft: Herr! ich bin ein Schaafskopf —
sag'Du, was ich thun oder denken soll! So fragt do.b, wen
Ihr wollt: Müßt Ihr Euch jetzt weniger vor Jesuiten und
Jesuilischcm fürchten, als wenn die schwarzen Väter schon über
der Brücke, ein Stück weiter oben, am Neckar säßen?
Laßt sie kommen, sie haben bisher die menschliche Ent-
wicklung nicht hindern können — und werden es in der Zeit
der Preßfreiheit noch weniger vermögen. Wer sie liebt, ver-
trägt seinen Jesuiten im Herzen und Euer rohes Verbieten
nutzt und nutzte nichts! In Nord-Amerika sind sie auch und
nach dem letzten Berichte soll es noch stehen!
Mein verehrter Leser! ich beschwöre Dich, sei prosaisch:
Schreit Dich irgend Einer mit geschwungenem Flambcrg an!
„Auf zur Freiheit! Für Völkerglück und Bürgerwohl! —

„Entschuldigen Sie — antworte Du — in wiefern werde ich
dann besser essen und trinken d. h. wie werde ich mehr ver-
dienen und weniger davon für Steuern brauchen?" Gebt
nichts auf solche bloße Schlagworte! Und doch rufe ich Euch
nun auch ein Schlagwort zu:
Verlangt von Euren Gesetzgebern freies Vereinigungs-
recht — frei vom polizeilichen Bevormundungsgelüste! Legt
Euer ArbeitSzeug zur Seite, kauft Papier ohne Ende und
laßt Euch die Hand führen, wenn Ihr selbst daö Unterschrei-
ben der Petitionen nicht recht zu Wege bringt!
Ihr zaudert — bravo! — D'rum gebt mir Kreide, ich will
Euch erst vorrechnen, was uns das deutsche beschränkte Ver-
cinigungsrecht gekostet hat!
Em wesentlicher Grundsatz der baden'schen Staatsverfas-
sung ist Gleichheit vor dem Gesetz. Angenommen nun, die
Leute wollten durch einen Verein auf gesetzlichem Wege von
Eurer Kammer die Bevorzugung aller Nothköpfe erlangen.
Glaubt Ihr, daß Bekk diesen Verein als staatsgefährlich auf-
lösen wird? Möglich ist Alles — wahrscheinlich aber wird
er sagen: Solcher Blödsinn kann bestehen — denn er findet
keinen Anklang im Volk! Aha! Staatsgefährlich also ist,
w-rs. dem Repräsentanten der Mehrheit (?) — dem Minister
nicht gefällt; was aber Anklang im Volke findet, da ist die
Sache eine andere! Vereine zu solchen Zwecken sind die ge-
fährlichen, die aufzulösendcn!
So viel steht fest, Hecker und seine Ideen haben einen
ungeheuren Anhang im badenschen Volk. — Hätte er einen
Verein gestiftet zur friedlichen Einführung der Republik — der
wäre gerade zweimal so alt geworden, als die Nachricht da-
von bis Karlsruhe brauchte! Das wußte Hecker wohl und so
trieb ihn das polizeiliche, ihm persönlich bekannte Droh-Ge-
spenst der Staatsgefährlichkeit von dem ruhigen Weg der ge-
setzmäßigen Verfassungs-Aenderung auf die dunkle ungewisse
Straße der menschengcfährlichen Gewalt. Auf beiden konnte
er nur zum Ziele kommen, wenn die Mehrheit für ihn war
— glaubt Ihr, daß ein durch seinen Geist so gewaltiger
Mann der Kraft der Fäuste mehr vertraut hätte, als jener,
wodurch er eben die Fäuste für sich gewann, das ist der Kraft
seiner Gründe, daß er auch dreingcschlagcn hätte, selbst wenn
der friedliche Weg nicht versperrt gewesen wäre? Gewiß
nicht! Dann aber frag' ich Euch — nicht ob es jetzt besser
oder schlechter stünde mit den Aussichten der Republikaner —
sondern wie viel Kreuzer mehr Ihr in der Tasche haben wür-
det. Was Euch die Soldaten gekostet, ist das Wenigste —
das Zerstörte aber, der Verlust alles Dessen, was in der Zeit
nicht geschafft wurde und endlich die Folgen des erschütterten
Kredit's — das ist die Hauptsache und gar nicht zu berech-
nen !
Weiter: Vor einigen Jahren bedrückten englische Berg--
wcrkbefitzcr ihre Arbeiter furchtbar; anstatt des Geldes erhielten
diese schlechte Maaren u. s. f. Der Advokat Roberts nahm
sich' ihrer an und brachte einen regelrechten Verein aus 10,000
Arbeitern zusammen. Schränkt Euch ein, sagte er ihnen, Je-
 
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