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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0709

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Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden I fl.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzeile 2kr.



Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.



EmnstetK, 28. E ktobep.

1848.

Badens Rnhe
K Aus dem Badischen. Nur in unserm Lande ist es
ruhig. Man hört von keinen Petitionen, keinen Adressen, kei-
nen Volksversammlungen mehr, alles, alles ist ruhig. Nur
das Knarren der Kerkcrthüre» und das Rasseln der Ketten
unterbricht die Todtenstille. Man hört nur den Jammerruf
der Mutter nach den erschossenen Söhnen, een Hülferuf der
Frauen, denen man den Manu entreißt, der Kinder, denen
man den nährenden Vater in den Kerker schleift, das sind die
einzigen Stimmen, die die traurige Stille unterbrechen. — Es
ist nicht die Stille vor dem Siurme, die auf unserm Lande
liegt, cs ist nicht die Ruhe des arbeitsamen, ruhigen Volkes,
es ist die Stille nach dem Sturme, cs ist die Ruhe des
Kirchhofes!
In Baden herrscht wieder „die Ordnung. „ Ja, sie
herrscht wieder, die alte Ordnung, und war der Preis auch
hoch, durch den sie errungen wurde, die Ordnung ist da: Bad-
ner! sind Euch auch Eure Söhne erschossen, und Eure Väter
in die finstern Kerker der Festungen geworfen; armes Vock!
und dauert dein Elend auch fort: die Ordnung ist hergestellt,
was willst du mehr?
Ein halbes Reichsheer liegt im Lande, das Vereinsrecht
ist beschränkt, das Versammlungsrecht gebrochen; die Redak-
teure aller demokratischen Blätter sind in Preßprozeffe vcrwik-
kelt, die Kerker sind überfüllt, alle Negierungsorgane voll von
Fahndungen und Steckbriefen. Der Ruf des Volkes nach
Amnestie, nach einer konstituircnden Versammlung, bleibt un-
beachtet, und unerschwingliche Steuern werden ausgeschrieben;
denn die Ordnung ist wieder hcrgcstellt. Das sonst so poli-
tische rege Leben ist dahin. Die „Blüthe Deutschlands«: Ba-
den, ist gebrochen.
Selbst die ungeheuere Volksbewegung in Wien bleibt
ohne Einwirkung auf die Stimmung im Volke; es hört die
kräftigen Thatcn der Wiener, es vernimmt die Berichte über
seine Brüder, die dort seine Rechte erringen und verthcidigen,
aber cs schweigt, denn im Lande herrscht „die Ordnung«!
Alle Stürme bleiben ohne Einwirkung auf unser Volk,
es ist in Todesschlaf versunken. —
Nun denn, so vollendet Euer Werk und setzt ihm eine»
Leichcnstcin, und darauf schreibt:
Hier liegtt in dunkler Grabesnacht
Ein Volk, das wir „zur Ruh« gebracht.

Vereinigte Starrte» von Deutschland.
X Herbeiberg, 27. Okt. Gestern wurde dahier stn
einer abgehaltencn Studcntenvcrsammlung die Berufung Feuer-
bach's beschlossen, um für diesen Cours Privatim zu lesen.
Da sich über Hundert Studirende zum Besuch seiner Vorle-
sungen sogar schriftlich verpflichteten, so zweifelt man nickt,
daß Feuerbach diesem ehrenvollen Rufe Folge leisten wird.

Es wird dieses von dem freidcnkenden Theile unserer akade-
mischen Mitbürger als ein großer Gewinn für unsere Uni-
versität angesehen, während die Zöpfe der Rückschrittsmänner
und Philister darüber gewaltig ins Wackeln gerathen werden.
Wir sehen sie schon zusammensitzen und im Chorus singen:
So sehr uns schon zu Herzen ging,
Daß uns der Zopf stets hinten hing,
Er hängt doch immer hinten.
Heidelberg. Die alten Griechen hatten ein fabel-
haftes Thier, Centaur (halb Roß, halb Mensch) in ihrer
Götter- und Hcldcnlehrc. Wir wollen dem Forscher der
Alierthümer nicht inS Handwerk greifen, um herauszukriegen,
wie die üppige Phantasie der Alten zu diesem dichterischen Ge-
bilde gekommen sei. Sehr wahrscheinlich aber ist, was ich
aber aus dem geistvollen Werke des alten Kreuzers gerade
nicht beweisen könnte, daß die feingcbildeten Athener eine Art
Hinkeldcpischer Dragoner als lästige Einquartierung hatten —
und dieser Umstand mag zu jener Vorstellung der Centauren,
wo Roß und Mann eins, und wie verwachsen sind,
Veranlassung gegeben haben. — Unsere Bauern, obgleich in
Sachen des Klägers gegen den Beklagten gründlich belehrt,
haben freilich nicht gewußt, daß es schon vor vielen hundert
Jahren ein halbver thiertes Reitergeschlecht gegeben hat,
bis sie unsere Reichs-Dragoner und Reichs-Cheveaurlegers in
der Nähne kennen lernten. Doch alle sind, ohne griechische
Studien gemacht zu haben, aus badischen und bairischen Erfah-
rungen der Meinung, daß das Geschlecht der Centauren keine
blose Fabel sei, sondern daß dasselbe roh , plump, übcr-
müthig und unmenschlich bestehe — und es Reiter gibt, die
nicht nur centaurisch halb verroßt, sondern ganz ver-
thiert sind. Man höre die mißhandelten Bruchsaler, die
tecrorisirtcn Bewohner von Staufen, Mühlheim und Lörrach
und überhaupt alle Badner, die von solchen Centauren heim-
gesucht wurden, und jeder wird sagen: die Alten hatten Recht,
es gibt sogar Reiter, die unter dem Roß stehen — na-
türlich, wenn sie abgesticgcn sind.
Loben wir uns aber die Mannschaft der Infanterie, die
mit wenigen Ausnahmen an den Tag legte, daß sie die Zeit
begreifen und mischen gelernt haben, daß der nach Freiheit
stechende Bürger durch sein kräftiges Auftreten auch ihnen mehr
Freiheit und humanere Behandlung erringen hilft. Das sämmt-
liche Fußvolk der Ncichsarmee, das bei uns einquarticrt war,
die Hessen, die Preußen, die Nassauer, haben sich durch Bil-
dung, bescheidene Ansprüche und bürgerliche Gesinnung ausge-
zeichnet, am meisten noch die wackcrn Nassauer, deren
Geist in den höhern Regionen sogar Bcsorgniß erregt — und
wir dürfen kühn die Behauptung aussprechcn, daß die Zeit
bald kommt, wo der Soldat und Bürger sich einigen und sich
der erstere nicht mehr als blindes Werkzeug auf seinen jetzt
erkannten Freund Hetzen lassen wird.
Heido-ber-H, 27. Okt. Aus Wien ist nichts Beson-
deres heute imtzuthcilen. Kaiser und Volk sind jetzt bcinahe
 
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