Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l fl.
l(> kr. Bei Inseraten kostet
die drcispalt. Pctitzeile Lkr.
.V 1«8.
Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.
Freitag, 2O. Oktober.
18L8.
Die Pharaonen.
Ich lege so eben die Zeitungen aus der Hand. Mir ist
sehr bange; bange nicht etwa wegen der zertretenen Freiheit
unserer deutschen Mutter, weil ihr erstes Kind, unter Kräm-
pfen gefährlicher Art geboren, das Engelsbild, so bald gestor-
ben ist und ein Bastard ihm untergeschoben wurde — nein,
weil alle Zeichen andcuten, daß sie wieder schwanger ist, und
daß vielleicht die Kreisende dann untergeht oder sie einen Nie-
sen gebiert, der als Sphinr oder Minotaurus seine blutigen
Opfer ohne Zahl und ohne Barmherzigkeit fordern wird, ohne
daß ein Oedipus oder Theseus jene Tage wird stürzen kön-
nen — Wie sich doch eine furchtbar verblendete Schaar Men-
schen mit jeder Stunde ihr Grab gräbt, wie sie nicht merken,
daß Gott ihre Sinne umdüstert, daß er sie blind gemacht, des
Kopfes beraubt hat, um sie zu verderben! Unsere Ueberschrift
soll dies andeuten; entsetzliche Weissagung! möge sie nie in
Erfüllung gehen; aber sie ist zum Theil schon wahr gewor-
den. Lichnowöky, Auerswald, Lamberg, Latour — sie liegen
bereits in den ersten Wellenschlägen des rothen Meeres be-
graben; sie die glaubten, die Ebbe werde ewig währen und
die Fluth werde nimmer kommen!
Ueberblicken wir ruhig die letzten Ereignisse, die vor un-
sern Augen sich abgcsponnen haben, sie Predigen uns das ewige
Weltgericht auf Erden, das, je länger die Geschichte sich dehnt
nur in kürzeren Zeiträumen ausbricht, und nicht nur das Ge-
schlecht trifft, sondern sogar noch die Person, die schuldige,
zermalmt. Louis Philipp, Guizvt, Metternich — sie sind
noch Lebendige Zeugen, doch die todten sprechen noch lauter!
— Waffenstillstand von Malmö! Jeder deutsche Mann sollte
sein Antlitz mit der schwarzen Fahne bedecken; Scham und
Unwille haben indcß die rothe aufgepflanzt! Frankfurt, Ba-
den und Würtemberg haben sic gesehen. Allein die Verblen-
dung der Urheber aller dieser blutigen Ereignisse: die Rechte
in Frankfurt nebst dem Zentrum — sie haben noch nichts
daraus gelernt, noch nichts davon vergessen. Was werden sie
sagen über das Blutbad in Wien in diesen Tagen? Wie
werden sie dcbattiren, welche schönen Reden halten? Welche
Soldatenmacht aufbieten? Auch der Söldner ist endlich müde
der Umtriebe; buchstäblich müde. Woher soll ihm sein Sold
noch länger fließen? alle Schätze sind erschöpft, alle Herzen
mißtrauisch, das Volk hungert nach Brod und durstet nach
Freiheit! Wieder ein Nad an der großen erkünstelten Diplo-
matenuhr hat falsch eingcgriffen, wieder eine Feder ist gesprun-
gen gegen alle Berechnung der Schlauesten — wer mag hier
noch den Stundenschlag berechnen? Ungarn, das bei Merse-
burg und am Lech geschlagen, wied seine Rosse tränken am
Rheine? Wahr oder falsch prophezeit, es ist einmal erstanden;
Böhmen, Galizien und Posen sind noch lebendig; der Kroate
der wüthet als Knecht der Slaven in Wien, wird seine Mord-
gier mit der Zernichtung -bezahlen. Ungarn wird nicht mehr
kommen auf seinen schnellen Rossen, um Deutschland zu brand-
schatzen; wir werden ihm auch andern Dank geben, als jenen
Hund; der Rhein wird ihm zujauchzen, zum zweiten Male
wird Ungarn Wien erretten von den Türken und Preußen in
und außer St. Paul in Frankfurt.
Aber von all dem wissen, merken, ahnen die Pharaonen
dieser Zeit Nichts. Die Minister derselben und Lakaien mö-
gen wittern, daß em Gewitter im Anzuge, allein sie hüllen
und trösten sich. Sie hüllen sich in den Mantel des Solda-
ten und trösten sich mit der Mehrheit (nicht des Volkes, son-
dern) des vornehmen Geld-, Titel- und Adelpöbels. O ihr
Verblendeten! Grabet nicht fort an der Grube, die euch ver-
schlingen wird; kehrt um, bedenket, was zu Eurem Frieden
dienet, bei Zeiten! Wahrlich, dies Jahr wird nicht vergehen,
die nächste Frühlingssonne wird nicht scheinen, ehe Alles erfül-
let ist. Das Morgenrots» und das Abendroth kann euch täg-
lich das rothe Meer zeigen.
Ist euer Weib, sind Eure Kinder, ist euer Blut euch noch
lieb, so haltet zum Volke, so haltet zu cuern Brüdern! Die
Pharaonen sterben, das Volk wird leben. Die Geschichte
gehet ihren Gang fort, wenn auch ihr unter den Rädern
lieget! (Seebl.)
Das war also euer Ziel
ihr //frechen" Mordbrenner, die ihr dem Volke das Lied vor-
heultet, von Ordnung, von einem einigen Deutschland, die ihr
schimpftet in euren Lügenblättern auf die Wühler und Anar-
chisten. Seht an das Werk eurer Hände, in den letzten 6
Monaten, es lobt seinen Meister. Deutschland am Abgrunde,
die Kaffen leer, das Heer verdoppelt, überall Kriegszustand
und Roth. Und in Oesterreich ein Spiel, wie es einzig in
der Geschichte dasteht. Man dingt Croatenbanden zum Einfall
in ein friedliches Reich, diese fallen sengend und brennend ein,
morden Weiber und Kinder, die Säuglinge an der Mutter
Brust, lieber rauchende Trümmer von Dörfern und Städten
führte euer Weg, ihr Anarchisten und Wühler, und die Ce»
marilla in Wien schrieb an //ihren lieben Jellachich// und un-
terstützte ihn mit Waffen und Geld. Und der Mordbrenner,
ermuntert und bezahlt von Vertrauensmännern, erscheint vor
Wien und droht mit Beschießung. Lieber die Hauptstadt ei-
nes Reichs in Asche gelegt, als den Verrath am Volke auf-
gegeben. Die Ungarn erscheinen, Jellachich flieht. Graf Zichy.
Latour und andere hängt man; Leute wie Jellachich und //an-
dere Männer des Vertrauens// hängt man nicht, denn sic flie-
hen oder verkriechen sich. Es war nicht eure Schuld, daß
Wien heute kein Aschenhaufen ist. Und die Camarilla beordert
Truppen aus Galizien und beauftragt die Russen, einzurücken
und Galizien niederzuhalten, die Camarilla beruft einen sla-
vischen Landtag nach Mähren, die Camarilla wirft die Maske
ab, die ihr nichts mehr nützt, sie zeigt sich schwarzgclb, nicht
deutsch, sie ruft Rußland. Und mit dieser Camarilla hat die
offizielle frankfurter Presse unter einer Decke gespielt, sie ver«
theidigt deren Pläne heute noch, in Berlin fraternisirt man
heute noch mit Rußland. Wir richten die ernste Frage an
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l fl.
l(> kr. Bei Inseraten kostet
die drcispalt. Pctitzeile Lkr.
.V 1«8.
Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.
Freitag, 2O. Oktober.
18L8.
Die Pharaonen.
Ich lege so eben die Zeitungen aus der Hand. Mir ist
sehr bange; bange nicht etwa wegen der zertretenen Freiheit
unserer deutschen Mutter, weil ihr erstes Kind, unter Kräm-
pfen gefährlicher Art geboren, das Engelsbild, so bald gestor-
ben ist und ein Bastard ihm untergeschoben wurde — nein,
weil alle Zeichen andcuten, daß sie wieder schwanger ist, und
daß vielleicht die Kreisende dann untergeht oder sie einen Nie-
sen gebiert, der als Sphinr oder Minotaurus seine blutigen
Opfer ohne Zahl und ohne Barmherzigkeit fordern wird, ohne
daß ein Oedipus oder Theseus jene Tage wird stürzen kön-
nen — Wie sich doch eine furchtbar verblendete Schaar Men-
schen mit jeder Stunde ihr Grab gräbt, wie sie nicht merken,
daß Gott ihre Sinne umdüstert, daß er sie blind gemacht, des
Kopfes beraubt hat, um sie zu verderben! Unsere Ueberschrift
soll dies andeuten; entsetzliche Weissagung! möge sie nie in
Erfüllung gehen; aber sie ist zum Theil schon wahr gewor-
den. Lichnowöky, Auerswald, Lamberg, Latour — sie liegen
bereits in den ersten Wellenschlägen des rothen Meeres be-
graben; sie die glaubten, die Ebbe werde ewig währen und
die Fluth werde nimmer kommen!
Ueberblicken wir ruhig die letzten Ereignisse, die vor un-
sern Augen sich abgcsponnen haben, sie Predigen uns das ewige
Weltgericht auf Erden, das, je länger die Geschichte sich dehnt
nur in kürzeren Zeiträumen ausbricht, und nicht nur das Ge-
schlecht trifft, sondern sogar noch die Person, die schuldige,
zermalmt. Louis Philipp, Guizvt, Metternich — sie sind
noch Lebendige Zeugen, doch die todten sprechen noch lauter!
— Waffenstillstand von Malmö! Jeder deutsche Mann sollte
sein Antlitz mit der schwarzen Fahne bedecken; Scham und
Unwille haben indcß die rothe aufgepflanzt! Frankfurt, Ba-
den und Würtemberg haben sic gesehen. Allein die Verblen-
dung der Urheber aller dieser blutigen Ereignisse: die Rechte
in Frankfurt nebst dem Zentrum — sie haben noch nichts
daraus gelernt, noch nichts davon vergessen. Was werden sie
sagen über das Blutbad in Wien in diesen Tagen? Wie
werden sie dcbattiren, welche schönen Reden halten? Welche
Soldatenmacht aufbieten? Auch der Söldner ist endlich müde
der Umtriebe; buchstäblich müde. Woher soll ihm sein Sold
noch länger fließen? alle Schätze sind erschöpft, alle Herzen
mißtrauisch, das Volk hungert nach Brod und durstet nach
Freiheit! Wieder ein Nad an der großen erkünstelten Diplo-
matenuhr hat falsch eingcgriffen, wieder eine Feder ist gesprun-
gen gegen alle Berechnung der Schlauesten — wer mag hier
noch den Stundenschlag berechnen? Ungarn, das bei Merse-
burg und am Lech geschlagen, wied seine Rosse tränken am
Rheine? Wahr oder falsch prophezeit, es ist einmal erstanden;
Böhmen, Galizien und Posen sind noch lebendig; der Kroate
der wüthet als Knecht der Slaven in Wien, wird seine Mord-
gier mit der Zernichtung -bezahlen. Ungarn wird nicht mehr
kommen auf seinen schnellen Rossen, um Deutschland zu brand-
schatzen; wir werden ihm auch andern Dank geben, als jenen
Hund; der Rhein wird ihm zujauchzen, zum zweiten Male
wird Ungarn Wien erretten von den Türken und Preußen in
und außer St. Paul in Frankfurt.
Aber von all dem wissen, merken, ahnen die Pharaonen
dieser Zeit Nichts. Die Minister derselben und Lakaien mö-
gen wittern, daß em Gewitter im Anzuge, allein sie hüllen
und trösten sich. Sie hüllen sich in den Mantel des Solda-
ten und trösten sich mit der Mehrheit (nicht des Volkes, son-
dern) des vornehmen Geld-, Titel- und Adelpöbels. O ihr
Verblendeten! Grabet nicht fort an der Grube, die euch ver-
schlingen wird; kehrt um, bedenket, was zu Eurem Frieden
dienet, bei Zeiten! Wahrlich, dies Jahr wird nicht vergehen,
die nächste Frühlingssonne wird nicht scheinen, ehe Alles erfül-
let ist. Das Morgenrots» und das Abendroth kann euch täg-
lich das rothe Meer zeigen.
Ist euer Weib, sind Eure Kinder, ist euer Blut euch noch
lieb, so haltet zum Volke, so haltet zu cuern Brüdern! Die
Pharaonen sterben, das Volk wird leben. Die Geschichte
gehet ihren Gang fort, wenn auch ihr unter den Rädern
lieget! (Seebl.)
Das war also euer Ziel
ihr //frechen" Mordbrenner, die ihr dem Volke das Lied vor-
heultet, von Ordnung, von einem einigen Deutschland, die ihr
schimpftet in euren Lügenblättern auf die Wühler und Anar-
chisten. Seht an das Werk eurer Hände, in den letzten 6
Monaten, es lobt seinen Meister. Deutschland am Abgrunde,
die Kaffen leer, das Heer verdoppelt, überall Kriegszustand
und Roth. Und in Oesterreich ein Spiel, wie es einzig in
der Geschichte dasteht. Man dingt Croatenbanden zum Einfall
in ein friedliches Reich, diese fallen sengend und brennend ein,
morden Weiber und Kinder, die Säuglinge an der Mutter
Brust, lieber rauchende Trümmer von Dörfern und Städten
führte euer Weg, ihr Anarchisten und Wühler, und die Ce»
marilla in Wien schrieb an //ihren lieben Jellachich// und un-
terstützte ihn mit Waffen und Geld. Und der Mordbrenner,
ermuntert und bezahlt von Vertrauensmännern, erscheint vor
Wien und droht mit Beschießung. Lieber die Hauptstadt ei-
nes Reichs in Asche gelegt, als den Verrath am Volke auf-
gegeben. Die Ungarn erscheinen, Jellachich flieht. Graf Zichy.
Latour und andere hängt man; Leute wie Jellachich und //an-
dere Männer des Vertrauens// hängt man nicht, denn sic flie-
hen oder verkriechen sich. Es war nicht eure Schuld, daß
Wien heute kein Aschenhaufen ist. Und die Camarilla beordert
Truppen aus Galizien und beauftragt die Russen, einzurücken
und Galizien niederzuhalten, die Camarilla beruft einen sla-
vischen Landtag nach Mähren, die Camarilla wirft die Maske
ab, die ihr nichts mehr nützt, sie zeigt sich schwarzgclb, nicht
deutsch, sie ruft Rußland. Und mit dieser Camarilla hat die
offizielle frankfurter Presse unter einer Decke gespielt, sie ver«
theidigt deren Pläne heute noch, in Berlin fraternisirt man
heute noch mit Rußland. Wir richten die ernste Frage an