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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0529

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Erscheint Montags quSge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l ff.
IN kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzcile Ar.

ISO.



Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Mittwoch, K. September.

1828.

Das Seitenstuck zum 23. August 1848 in Wien
(Schluß.)
In einem Nu war das Marsfeld geleert. Nur die Leich-
name ter Frauen und Kinder, die zu Boden gestürzt waren
oder sich vor der Cavaileric flüchteten, blieben zurück; ebenso
einige herzhafte Männer auf den Stufen des Altars, die mit-
ten Unter dem furchtbarsten Feuer und unter den Mündungen
der Kanonen die Papicrbogcn der Petitionen alö heilige Blät-
ter, Zeugnisse des Willens oder blutige Unterpfänder der künf-
tigen Rache des Volkes sammcl.cn und unter sich vertheiltcn,
um sie zu retten. Sic zogen sich erst zurück, als sie dieselben
mitnehmen konnten. Die Colonnen der Nalionalgarde und na-
mentlich die Cavallcrie, verfolgten die Flüchtigen bis auf die
Felber neben der Kriegsschule; sie machten einige Hundert Ge-
fangene. Von der Narionalgarde kam Niemand um; die Zahl
der Opfer von Seiten des Volks ist unbekannt geblieben. Die
Einen gaben sie niedriger an, um das Gehässige eines Blut-
bades ohne Kampf zu mildern, die Andern vergrößerten sie
um die Rache des Volkes zu steigern. Zn der Nacht, die be-
reits niedersank, fegte man die Leichname weg; die Seine trug
sie dem Ozean zu. Man war getheilier Meinung über den
Charakter, über die. Einzelheiten dieses Blutbades: die Einen
nannten es ein Verbrechen, die Andern eine schmerzliche Pflicht;
aber die Volksbczeichnung ist diesem Tage geblieben, wo man
tödtete ohne zu kämpfen. Es nannte ihn stets das Gemetzel
auf dem Marefelde.
Die Nationalgarde wurde von Hrn. v. Lafapette wieder
gesammelt und kehrte siegreich aber traurig in die Mauern von
Paris zurück. Man sah es ihrer Haltung an, daß sie zwi-
schen dem Ruhme und der Schande hinzog, selbst nicht recht
klar über das was sie gcthan hatte. Durch einige Zurufe hin-
durch, die ihr auf ihrem Marsche entgegenschollen, vernahm
sie mit halber Stimme ausgesprochene Flüche. Die Worte:
Meuchelmord und Rache bildeten die Entgegnung auf die
Worte: Bürgertugend und Gesetzlichkeit. Düster zog sie unter
den Mauern dieser Nationalversammlung hin, welche sie so
eben verthcidigt hatte, noch düsterer und schweigsamer unter
den Fenstern des Palastes der Monarchie, der ihre Vertheidi-
ung mehr gegolten hatte, als der Person des Königs. Baillp,
kalt und ruhig, wie das Gesetz, Lgfapette, entschlossen und
eisig wie ein System wußten ihren Truppen nur strenge
Pflichterfüllung, aber keinen höheren Schwung mitzutheilcn.
Sie falteten die mit ihrem ersten Blute gefärbte rothe Fahne
zusammen und zerstreuten sich bataillonsweise in den düstern
Straßen von Paris, mehr- wie eine Gendarmerie, die von
einer Hinrichtung heimkehrt, als wie ein Heer, das von einem
Siege kommt.
Das war die Scene auf dem Marsfelde, welche der con-
stituircnden Versammlung drei Monate Zeit gab, aus denen
sie keinen Nützen zog; welche die Elubbs einige Tage ein-
schüchterte, aber weder der Monarchie noch der Ordnung eine
Erndte von dem Blute einbrachte, das sie gekostet hatte. La-
fayette hatte an diesem Tage die Republik oder die Monar-

chie in der Hand, er vermochte nichts zu wollen als die Ord-
nung.

Tagesbericht aus Deutschland.
8 Weinheim, 3. September (Schluß.) Nun trat ein
Mann auf, der sich nicht nur beim Reichstage, nein, der dort
in Wien, als es sich um die Volksfreiheit handelte, der sich
auch bei mehreren Volksversammlungen bei dem Volke Hoch-
achtung, Liebe und Dank erworben hat; der eine große Zierde
in dem Kranze der Männer ist, welche sich unumwunden für
Republik auesprachen und dieselbe zu erstreben, für die schönste
Aufgabe des Lebens halten, es ist unser Wiener Wiesner.
Haben die Redner bis jetzt frei, unumwunden und kräftig
gesprochen, so müssen wir aber doch sagen, daß der jetzt ausge-
tretene, wie man zu sagen pflegt, „den Nagel auf den Kopf
getroffen hat!"
Ein rüstiger Kämpfer, und auch auf ihn setzen wir große
Hoffnungen als künftiger Abgeordneter, es ist der Sohn eines
rühmlichst bekannten Mannes, Hofgerichtsrath Mördes, Flo-
rian Mördes, Vorstand des Volksvereins in Mannheim.
„Ist nicht Vater Winter da?" so tönte der Ruf
von ullen Seiten und nun trat der jugendkräftige Greis auf
die Rednerbühne. Referent ist aber nicht im Stande den Ju-
bel zu beschreiben, welcher sich jetzt erhob. Hier standen, in
großer Sonnenhitze, wenigstens 15,000 Menschen, Kopf an
Kopf, wobei sehr viele Frauen und Jungfrauen waren. Al-
les jubelte dem greisen Helden entgegen; dem Helden, an des-
sen: muthigen, gesetzlichen Vorwärtsschreiten alle Waffen der
feigen Denunzianten zersplittern.
Nach dem Beschlüsse der letzten Heidelberger Volksver-
sammlung wurde an den Großherzog von Baden eine Eingabe
gefertigt um Auflösuug der jetzigen, das Vertrauen des Volks
entbehrenden Kammer und Einberufung einer gesetzgebenden
Versammlung.
Diese Eingabe wurde dem Volke vorgelesen und von den
15000 deutschen Bürgern angenommen.
Mördes forderte jetzt noch ganz besonders auf, Volks-
vereine zu bilden.
Maier, Mitglied des Vorparlaments, sprach noch über
die Zentralmacht, er glaubt es sei eine Zcntralohnmacht - daS
Volk sei eine Macht. —
Allbürgcrnicifter Kraft schließt nun die Versammlung,
indem er zugleich den wärmsten Dank für den zahlreichen Be-
such, so wie über die musterhafte Ordnung aussprach.
Wir glauben ganz bestimmt, daß überall, wo keine Po-
lizei- und Soldateska-Gewalt ausgeübt wird, da bleibt es
Ordnung. —
Die Abgeordneten sowie die bekannten Freunde der Volks-
sache begaben sich nun in den „Pfälzerhof", um ein einfaches
Mahl zu genießen. Es faßen etwa 100 Männer - auch ei-
nige Frauen — an der Tafel, und es wurden dabei herrliche
Trinksprüche ausgebracht. — Von Wiesner: der deutschem
 
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