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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0101

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Die Republik erscheint
täglich. Preis in Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen 'Großh. Baden l ff.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. PctitzcileAr.

ML 23. Mittwoch,

des Polencomitcs in Genf an das Schweizer Volk.
A nm er ku ngen
(Fortsetzung.)
In diesem Ausfall, der eher eines der alten Correspondcn-
ten der „Augsburger Allgemeinen Zeitung" würdig ist (denn
diese, wir anerkennen es, entschleiert setzt sogar das schauderhafte
Verfahren der deutschen Beamten in Galizien, das sic früher
vertheidigte) geht sene Zeitung so weit, in der einzigen Phrase,
die angeführt wird, andere Namen für die genannten Flüsse untcr-
znschicbcn. — Wenn der Verfasser jener Correspondcnz aufrichtig
gehandelt hätte, so würde er wenigstens die allgemeinen Ideen
des Aufrufes hervorgehoben haben, wenn er sie nicht wörtlich
und ganz wiedergebcn wollte. Dann hätte ihm aber aller Stoff
zu der heftigen Deklamation gefehlt ; denn diejenigen, welche von
den Wohlthaten der republikanische^ und demokratischen Institu-
tionen sprechen, die sich über die 22 Millionen- ihrer Mitbürger
verbreiten sollen, können weder „Untbrthanen" noch deren „Knecht-
stand" verlangen, worüber sie von dem Verfasser jener Korres-
pondenz auf ebenso ungerechte als unlautere Weise angeklagt
werden. Die Veränderung des Namens „Dzwina" in „Duua"
von Dniepr („BorpsthcncS") in „Don" beweist die krasse Un-
wissenheit des Schreibers, der einige hundert Meilen weit von
einander entfernte Flüsse miteinander verwechselt, oder seine bös-
willige Absicht. In Bezug auf diese beständige und stupide Phrase
des „Kncchtstandes in Polen", die von nnsern Feinden absichtlich
wiederholt wird, um uns in den Augen des westlichen Europa's
anzuschwärzcn, führen wir nur die folgenden historischen und sta-
tistischen Thatsachen an, die zur Genüge beweisen, was die De-
klamationen unserer Vcrläumdcr werth sind. In dem Thcile
Polens der „Königreich Polen" genannt wird, und der circa vier
und eine halbe Million Einwohner zählt, ist der ooäe Napoleon
seit 1807 eingeführt; es findet also daselbst ebensowenig „Knecht-
schaft" statt als in Frankreich. In der Republik Krakau von
150,000 Einwohnern, waren dieselben Gesetze in Kraft bis zur
Einverleibung dieser Republik mit Oesterreich, und während die-
selbe einer wahrhaft nationalen und polnischen Negierung genoß,
find die Bauern dieser National-Güter zu Gutsbesitzern erhoben
worden. Seit der Einverleibung mit Oesterreich, einer deutschen
Regierung, konnte sich aber der Zustand der Bauern nur ver-
schlimmern, und sie sollten »cksviipti werden. Zn dem
zu Preußen gehörenden Theil Polens, Posen und Westprcußen,
von 2 Millionen Einwohnern, ist der Zustand der Bauern so,
wie ihn die preußische Regierung »rganisirt hat, d. h. die Bauern

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner n.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

2«. April. 18Ä8.

sind Emphiteuten, welche den großen Rittergutsbesitzern einen
gewissen Grundzins bezahlen. Es herrscht also hier ebensowenig
„Knechtschaft". In dem zu Oestreich gehörigen Theil Polens,
Galizien, von 4,500,000 Einwohnern, besteht im Grunde keine
Knechtschaft: der Bauer ist aber an die Scholle gebunden und
zwar nach österreichischen Gesetzen, gegen welche die Polen unauf-
hörlich an den galizischen Reichstagen in Lemberg protcstiren, und
deren Ersetzung durch andere sie unaufhörlich verlangen. In dein
Rußland einverlcibten Theil Polens, Lithauen und Ruthenien,
hat sich Alles noch verschlimmert, was in Beziehung auf den
Zustand d:S Volkes in den alten polnischen Gesetzen schlecht war
uüd durch die Verfassung von 1791 (von der russischen und
deutschen Regierung im Einverständniß unterdrückt), zum Theil
verändert wurde, und was eine nationale polnische Regierung
gänzlich verbessert hätte, wie das Herzogthnm Warschau und die
Republik Krakau beweisen. Die Bauern, die früher eine Art
Unterthanen des polnischen Adels waren, sind heute wahre Knechte,
wahre Sclaven im russischen Sinn; ungeachtet der Forderungen,
welche der polnische Adel zu wiederholten Malen an den Kaiser
Alexander richtete. Und endlich in Bezug auf den materiellen
Züstand der Bauern in Galizien und Preußen, beträgt cs 'ehr
wenig, was diese zwei deutschen Negierungen verbessert haben, im
Vergleich mit dem, was in andern Ländern seit 50 Jahren ge-
schehen ist, und was eine nationale polnische Regierung zu thun
sich verpflichtet gefühlt hätte. Diese deutschen Regierungen haben
vor allem ihr Bestreben dahin gerichtet, die verschiedenen Klassen
der Gesellschaft zu entzweien; diejenigen, welche an das Wieder-
erstehen Polens hätten denken können, verarmen zu lassen und
deutsche Bevölkerung so zahlreich wie möglich einzuführcn, um
durch Entzweiung zu herrschen und im Nothfall einen Bürger-
krieg zu bereiten, oder gar Schlächtereien wie die zu Tarnow,
wie diejenigen, welche die preußischen Beamten im Großhcrzog-
thnm Posen und in Wcstpreußen vorbcreiten. — Kann man nach
dieser Auseinandersetzung aufrichtig die hohen Clasftn Polens über
den Zustand anklagen, in dem sich die untern Claffen befinden,
da sie nicht allein zum Handeln keine Macht haben, sondern da
auch ihre Bitten und Vorstellungen von den fremden Regierun-
gen, die sich ihres Landes bemächtigt Häven, immer zurückgcwic-
sen wurden und da diese Regierungen sie zuletzt niedcrmetzeln
lassen, um sie zum Schweigen zu bringen? — Die Aufnahme
dieser Cvrrcspondenz in die „Heidelberger Deutsche Zeitung" hat
uns sehr in Verwunderung gesetzt, da deren Hauptrcdakteur, Pro-
fessor Gcrvinus, schon früher eine von den Mitgliedern des
Polen-Comite in Genf unterschriebene Copie der folgenden, vvK
ihnen verfaßten Adresse erhalten hatte.
 
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