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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0641

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Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l fl.
IO kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Pctitzeile 2kr.



S- 1S8. Sonutag, 8 Oktober.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner n.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

1848.

9L. Sitzung der konstituirenden National-
versammlung.
Donnerstag, den 5. Oktober 1848.
Nach Verlesung des Protokolls erhält v. Reden das
Wort, um eine von ihm und 20 andern Mitgliedern gestellte
Interpellation in Betreff der, nach dem Gesetz vom 28. Juni
der Zentralgewalt übertragenen völkerrechtlichen und handels-
politischen Vertretung nach Außen zu begrünten. Ncichsmini-
fler Schmerling cnviedert: er hoffe, der Versammlung
hierüber bald befriedigenden Aufschluß geben zu können, und
ersuche sie, da die Unterhandlungen mit den fremden Machten
noch schwebend seien, noch einige Zeit zutranencvoll zuwartcn
zu wollen. — Der Vorsitzende Simson verliest 2 Schreiben
des Reichsjustizministers an den Präsidenten ter Nationalver-
sammlung, mit welchen derselben 2 Anträge des hiesigen Ap-
pellations- und KriminalgcrichtS Übermacht, der eine auf Ge-
nehmigung der strafrechtlichen Untersuchung gegen die Abgeord-
neten Blum und Günther als verantwortliche Redakteure
der „Reichstagszeilung" wegen des Inhalts der Nummern
104, 105 und 106, der andere auf Genehmigung der Ver-
haftung der Abgeordneten Zitz, Schlöffe! und Simon v.
Trier auf die Anschuldigung der Aufreizung zum Aüfruhr und
zur Mißhandlung von Mitgliedern der Mehrheit der Natio-
nalversammlung. Der Justizminister stellt die Entscheidung
der Nationalversammlung anheim. Der Präsident beantragt,
diese Angelegenheit an eine in den Abteilungen zu wählende
Kommission von 15 Mitgliedern zu verweisen. Simon von
Trier stimmt dem Vorschläge des Präsidenten auf Ernennung
einer Kommission zu»r Prüfung der Vorlagen unter Hinzufü-
gung des Ersuchens bei, daß dieser Kommission die Befugniß
des §. 24 ertheilt werden möge, Betheiligte vorzufordern, so
wie Zeugen zu vernehmen. Da die Untmuchung bisher ohne
alle Zuziehung der Betheiligten geführt worben sei, so könne
möglicherweise die Notwendigkeit der Vernehmung von Ent-
lastungszeugen eintreten, sofern die Entscheidung der National-
versammlung überhaupt einen unparteiischen Werth haben
solle. Im klebrigen erklärt es derselbe für eine wahre Wohl-
tat, hierdurch Gelegenheit zu erhalten, jenen schimpfenden
Bedientensck warm vor der ganzen Nation zurechkzuwcisen,
welcher während der letzten Wochen über ihn und seine Freunde
in Wort und Schrift mit allen Mitteln der Entstellung, Lüge
und Verläumdung hergefallen sei.
v. Selchow begutachtet die Zuweisung an die in der
Angelegenheit des Abgeordneten Peter niedergesetzte Kommis-
sion, welche binnen 24 Stunden Bericht zu erstatten hätte.
Plath ner erklärt sich gegen die Befugniß der Kommission,
Zeugen zu vernehmen; die Nationalversammlung würde da-
durch in das Nichkeramt eingreifen. Schaffrath macht da-
rauf aufmerksam, daß der §. 24 der Geschäftsordnung die
Ausschüsse keineswegs verpflichte, selbst Zeugen zu vernehmen,
sondern cs ihnen anhcimstellt Zeugen vernehmen zu las-
sen. Der Präsident bestätigt dies mit dem Bemerken: daß

ein Beschluß vorliege, welcher allen Ausschüssen die Befugnisse
des §. 24 beilege, v. Vinke spricht gegen die Zeugenverneh-
mung. Eisenmann: Man möge bedenken, daß der Richter
bis jetzt nur Belastungszeugen gehört, es könne aber auch
Entlastungszeugen geben. (Stimmen rechts rufen nach Schluß
Widerspruch links.) Simon von Trier findet sich durch den
Antrag Plathncrs überrascht. Wollen Sie — sagt er — auf
einseitiges Verlangen entscheiden, wollen Sie einen blinden
Griff nach einem politischen Gegner thun, dann appellire ich
an das Unheil der Nation, werde aber auch für diesen Fall
meinen Gegnern nicht aus dem Wege gehen. (Lebhafter Bei-
fall auf der linken Seite.) Venedep warnt vor Einseitigkeit
bei der Wahl der Kommission. Schmidt aus Schlesien:
Entscheiden Sie nach Plathner'S Antrag und genehmigen Sie
blindlings die Verfolgung Ihrer Kollegen; wir tragen darauf
an, damit die Welt sehe was die Zentralgewalt und die Na-
tionalversammlung ist, kraftlos und ohnmächtig gegen das Aus-
land (Unterbrechung rechts) Der Präsident ruft den Redner
zur Orenung. Dieser verwahrt sich dagegen unter Berufung
auf das durch die Revolution und das Mandat der Abgeord-
neten erworbene Recht der Redefreiheit. Präsident erkennt dies
Recht in vollem Umfang an, glaubt aber nicht, daß dasselbe
bis zur Herabwürdigung der Zentralgewalt ausgedehnt werden
dürfe. — Der Redner widerholt seinen Antrag, damit die
Welt sehe, daß die Zcntralgcwalt nichts anders sei, als der
Bundestag, der Brennpunkt aller Reaktion. Neichens Per-
ger erklärt sich gegen die Zeugenvernehmung, Möhring
für dieselbe, indem er nachweict, daß auch bei den Mainzer
Vorfällen in gleicher Art verfahren worden sei. Beseler:
die vorliegende Sache habe mit der Zentralgewalt nichts ge-
mein; die Versammlung habe blos zu prüfen, ob Grund zur
Untersuchung vorhanden sei. Riesser bemerkt: die Befug-
niß eines Ausschusses zur Zeugenvernehmung verstehe sich von
selbst und könne unmöglich einem einzelnen Ausschüsse aus-
nahmsweise entzogen werden. Daß derselbe die Grenze zwi-
schen seiner und der richterlichen Thätigkeit inne halte, darüber
werde die Nationalversammlung selbst wachen. Nachdem noch
Jucho bemerkt hatte, daß auw der Kommission für die Wah-
len von Konstanz und Thiengen die Befugnisse des 8. 24.
beigelegt worden, ohne daß die Gerichte dadurch beeinträchtigt
worden, wurde beschlossen, die Angelegenheit an eine nach der
Sitzung in den Abthcilungcn zu wählende Kommission von 15
Mitgliedern zu verweisen, welche die Befugnisse des Z. 24
ausüben (der Plathner'sche Antrag war ohne Unterstützung
geblieben) und schleunigst Bericht erstatten soll. Hierauf ver-
las der Präsident noch einen Antrag von Schmidt ans Lö-
wenbcrg und Wiesner des Inhalts: in Erwägung, daß cs
wünschenswert!) sei, daß die Nationalversammlung sich dcm
Volke in ihrem wahren Charakter zeige, möge dicsilbc die
Verhaftung der drei angeklagten Mitglieder ohne Weiteres
genehmigen, v. Gagern schlägt vor, diesen Antrag an ei-
nen besondern Ausschuß zu verweisen, damit derselbe begutach-
ten möge, was solcher Frechheit gegenüber zu thun sei. Hier-
 
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