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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0097

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Die Republik erscheint
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die drcispalt. PctitzcileAr.
O-

Republik.

Die

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u-
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Äl" 22. Dienstag, 2S Mpeil.

1848.

- Adresse
des Polencomites m Genf an das Schweizer Volk.
Männer des edlen Volkes, sieben^'hn Jahre früher 'als
heute empfinget Ihr und. Eure deutsches Nachbarn, an unHin
Schicksal.lebhaft Antheil nehmend, dic.TBmmer unserer Ko-
lonnen, die sich nach Frankreich flüchteten, nachdem sic die bar-
barischen Horden aufgehalteu hatten, die Europa zu über-
schwemmen drohten. Später gewährtet Ihre edle Gastfreund-
schaft, wie unter Brüdern, jenen 400 Kriegern, die in un-
zeitiger, jedoch edler und uneigennütziger Berechnung, den
Deutschen und später den Italienern zu Hülfe ziehen wollten,
um sie von dem Joch, das bis jetzt diese Völker drückte, zu
zu entbinden; diesen 400 Polen, welche den Ereignissen, die
heute erst eintrcten, schon damals rufen wollten, in der Ueber-
zcugung, daß allein dadurch die Rückkehr in unser Vaterland
möglich wird. Ihr verteidigtet sie- gegen das monarchische
Europa, indem ihr muthig das Recht der Gastfreundschaft
geltend machtet.'' An Euch, Männer des edlen Volkes, richten
wir diese Worte im Namen unserer Landsleute, sowohl derje-
nigen, die noch unter Euch wohnend, bei Euch eine zweite
Heimat gefunden haben, als derjenigen, die, entfernt von Eu-
ren Bergen, eine dankbare Erinnerung -davongetragen haben;
im Namen der ganzen Nation, die unter dem Joch fremder
Unterdrücker schmachtet; unter dem Joch , das bei Euch mehr
denn anderswo verabscheuet wird; im Namen endlich der Ma-
nen unserer Helden und der Märtyrer — Kosciusko an
der Spitze'— deren Ueberrcste an der Seite Eurer Todtcn
eine ruhige Grabstätte gefunden haben. (1)
Ihr wißt es, Alles bewegt sich, wenn man Polen nennte
Paris, Frankreich sind ergriffen bei dem Rufe: es lebe Po-
len! Italien singt in seinem National-Gesange das Erwachen
unseres Vaterlandes., -Das ganze Deutschland verbindet mit
dem Rufe,nach Freiheit und Nationalität den Ruf nach der
Auferstehung seines Nachbarvolkes. Ihr, Schweizer, werdet
nicht zprückbleibcn! Ihr, die im Jahre 1832 und 1833, als
Euch kein Band mit uns verknüpfte, eine so lebhafte Theil-
nahme für unsere Leiden an den Tag legtet, Ihr werdet Euch
heute an die Völker Europa's anschließen, da Ihr unö nun
besser kennen gelernt habt. (2)
Es ist in Eurem Interesse, wie im Interesse von ganz
Europa, daß Polen groß und mächtig sei, daß es Kraft ge-
nug besitze, um als Damm gegen Asien zu dienen, woher Eu-
ropa zu allen Zeiten bedroht wurde. — Damit aber Polen
diese Pflichk-trrfüllen könne — wozu es von der Vorsehung

bestimmt zu sein scheint, indem seit seinem Fall dos Gleichge-
wicht Europa's gestört ist — müssen seine alten natürlichen
Grenzen sich von Norden nach Süden an bas baltische Meer
die Karpathen und das schwarze Meer — und von Westen
nach Osten an die Over, die Dzwina und den Dniepr le-
gen. (3) Seine drei Zweige: der Mazowische, der Lithauische
und der Nuthenische, alle drei dem polnischen Stamme ange-
hörend, müssen einen mächtigen Staat bilden, der wie früher,
nicht nur die Czaren, sondern jeden nordischen Eroberer, der
nach Europa vorzudringcn sucht, zurückhielte. (4)
Vereinigt denn Eure Stimme, die sich in den letzten Er-
eignissen so mächtig zeigte! Eure Stimme, deren Wiederhall
durch ganz Europa tönte, vereinigt sie mit der Stimme aller
civilisirten Völker! - Gewiß, Ihr werdet es thun, wir zwei-
feln nicht daran. Wo es sich um Mhm und Gerechtigkeit
handelt, da bleiben die Söhne Wilhelm Tcll's niemals zurück!
— Ihr könnt unserer Sache einen Ungeheuern Dienst erwei-
sen; mpge der furchtbare Stutzer, der die Freiheit Euerer
Berge so tapfer vertheidigt , herabsteigen in unsere Ebenen;
möge er Vertreter finden, da wo das ganze civilisirte Europa
einen letzten blutigen Kampf liefern wird, um den Czaren in
seine asiatischen Steppen zurückzuwerfcn, wenn er dem Begeh-
ren Europa's zu widerstehen wagt, und uns die Herausgabe
von drei Viertheilcn unseres theuern Vaterlandes verweigern
sollte! — Ist der Krieg beendigt und Polen frei, so werden
die Söhne Helvetiens bei uns ein zweites Vaterland finden,
gleichwie viele von unS ein solches bei Euch gefunden haben.
Wir haben unabsehbare, kornreiche Ebenen, — jetzt freilich
entvölkert, denn ihre Bewohner find in den Bergwerken Sibi-
riens, im Kaukasus, in der Emigration, in den Gefängnissen
zu Berlin, zu Spielberg, in der Citadclle .zu Warschau und
selbst am Galgen und auf dem Schaffotte dezimirt worden!
Diese Ebenen verlangen kräftige Arme. Schweizerische Indu-
strie, Arbeit und Kapitalien können sie 'fruchtbringend machen
und versprechen dort mehr als Goldmrnew, nämlich tägliches
Brod. Porolien und die Ukraine — daS^Land voll.^Milch
und -Honig, wie unsere Dichter sagen-, —, liegen zur Hälfte
brach, denn unter dem eisernen Joche des Czarenthums ver-
trocknen nicht nur die Gefühle, sondern selbst der Erdboden.
Und doch ernähren jene Ebenen, trotz ihrer Vernachlässigung,
einen großen Theil Europa's. Was müßten sie erst sein, wä-
ren sic von freien Händen bebaut? — Gleich wie ganz Eu-
ropa eine.Republik sein will, — und es auch werden wird,
— so wird auch -Polen eine sein. Die Schweizer würden
auch dort die ihnen so theuern demokratischen Institutionen
wieder finden, die wir hier schätzen lernten, und die jeder ein-
sichtige Pole in seinem Vaterlande wieder einführen möchte;
 
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