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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0201

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Die Republik erscheint
täglich. Preis in Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l fl.
tt) kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzeile 2kr.


ie Republik.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

48. Sorrrrntag, 21. Mai. 1848.

Erklärung.
(Schluß.)
Voraussehend, daß diese Abthcilung, die ich leider kom-
mandolos fand, schwerlich einer Salve, die in der furcht-
baren Nähe von kaum 30 Schritten abgefeuert würde, Stand
halten könne, eilte ich auf sie zu, um so schnell als möglich
mit gefällten Sensen Leu Angriff auf die Truppen auSzufüh-
ren, sobald in ihren Reihen ein Schuß gefallen sein würde.
Aber das schnelle Hereinbrechen der Ereignisse und die zu
sehr überhand genommene Verwirrung unter den Sensenträ-
gern, die sich preiögegeben wähnten, vereitelte diesen Plan.
Nun drängte sich das Zunächstfolgende in den Raum von
wenigen Sekunden zusammen. Ich sah den gegen die Ge-
schütze vordringenden badischen Offizier wild mit dem Säbel
gegen unsere Artilleristen hauen; hörte wiederholtes Feuerkom-
mando in den uns gegenüberstehenden hessischen Reihen,
sah einen Schuß im zweiten oder dritten Gliede der Soldaten
fallen, an deren linker Flanke sich bereits von Gagern mit
geschwungenem Säbel zurückzuziehcn begann, als in unserem
Centrum die Schüsse krachten, die den badischen Offizier, wie
dessen Pferd niederwarsen. Hierauf nun brach das Glieder-
feuer der Hessen in voller Gewalt gegen uns los und mit
ihm vermischten sich die antwortenden Salven unserer Mus-
ketiere und Schützen.
Fast gleichzeitig mit dem badischen Offizier, der unser
Centrum mit dem Bajonette forcirte, vor dem Fähnlein der
Konstanzer Musketiere, an der Seite, und nicht vor der
Fronte seiner Leute, fiel General von Gagern, das Schwert
in der Hand, nachdem bereits Schüsse gefallen, nachdem be-
reits auf seinen Befehl Blut vergossen war.
Von Gagern starb nicht gemeuchelt, sondern, während
er seine Truppen zum Angriffe trieb, den Tod eines kühnen
Soldaten, der vielleicht aus militärischem Vorurtheile seine
Gegner zu sehr verachtet hatte. Tief hatte mich v. Gagern
durch sein rücksichtsloses, schroffes Betragen erbittert, aber
dennoch konnte ich nicht umhin, zu bedauern, daß ein so aus-
gezeichneter Offizier in solchem Amte durch die Hände seiner
Mitbürger fallen mußte. Auf den ferneren Hergang des Ge-
fechtes will ich mich nicht weiter einlassen, nur kurz bemerke
ich, daß Truppen, die den erschlagenen Führer in den Hän-
den der Gegner ließen und vor nur 50 — 80 feuernden Re-
publikanern gebückt den Berg hinunter flohen, den ihnen im
Militärberichte ertheilten Heldennamen nicht verdienten.
Ebenso, daß der Sieg im Gefechte selbst kein so großer
gewesen sein könne, da die Republikaner weder Geschütz, Fah-

nen noch Wagen verloren. Es begab sich hier, wie schon
häufig anderwärts, daß beide Parteien vor einander davon
liefen, und die Republikaner hier nur durch die etwa vierzig
Mann starke Abtheilung Konstanzer Musketiere mit einigen
Scharfschützen die Wahlstatt behaupteten, welche sie aber aus
Mangel an Unterstützung räumen mußten, als die Regulären
mit den Tirailleuren sie zu überflügeln begannen. Zehn bis
fünfzehn abgeschnittene Hessen fielen in die Gewalt der Kon-
stanzer, aber sie wurden von den Blutdürstigen nur genöthigt,
eine eroberte Fahne und einige Perkussionsgcwehre abzugeben.
Ja, auf die Bitten des gefangenen Offiziers entließen die
Republikaner die Truppe und erlaubten ihr, die Leiche Ga-
gerns mit sich zu nehmen, indem sie den Soldaten zuricfcn,
sie möchten dieses traurigen Augenblickes eingedenk bleiben.
Kurzum, nur die zu weit getriebene Nachsicht, nur der unter
den Republikanern herrschende Widerwille, das Blut der ge-
meinen Soldaten zu vergießen, entriß unfern Händen den
vollständigen, und, wenn wir wollten, blutigen Sieg, denn
feder kricgskundige Führer in den feindlichen Reihen wird
selbst zugcstehen müssen, daß im Falle einer entschiedenen Of-
fensive von unserer Seite, kein Mann in jenem weitgedehnten
und von den Truppen so unvorsichtig betretenen Paffe uns
hätte entgehen können. Zum Beweise unserer Mordgier mag
gelten, daß wir unsere mit Flintenkugeln gestopften Kanonen
in einer Distanze von 30 Schritten nicht einmal abfcuerten;
mag gelten, daß verboten wurde, auf die fliehenden Soldaten
zu schießen; mag gelten, daß die Abgeschnittenen ungefährdet
entlassen wurden, deren Offizier ich aber bei seiner Ehre zum
Zeugniß auffordere.
Dies war der Verlauf deS Gefechtes auf der Scheidegg
ob Kandern, geliefert von etwa 1200 halbbewaffneten, schlecht
befehligten, fast ungeübten Republikanern gegen mehr als
2200 Mann Kerntruppen, die mit allem, was zum Kriege
nöthig, ausgerüstet waren, mit Artillerie, Reiterei und einer
Fülle von Munition, die geführt waren von Männern, die
den Krieg zum Geschäfte ihres Lebens gemacht haben, wäh-
rend ein Dritttheil des Volkshceres keine, ein weiterer Dritt-
theil schlechte Feuergcwehre hatte, alle aber an Munition fast
gänzlichen Mangel litten. Einzig die vollendete Dressur der
Truppen führte deren endlichen Erfolg herbei. Dieses mag
nun freilich ron dem napoleonischen Schlacht- und Siegesbc-
richte des Obristen Hinkeldei abweichen, der übrigens vergaß,
unter den Triumphen seiner Truppen auch die Scalpe der
ermordeten wehrlosen Verwundeten aufzuzählen; aber nichts
desto weniger ist in meiner Darstellung auch nicht ein Wort,
daß nvlhtgen Falls nicht durch ehrenhafte Feinde selbst bezeugt
werden müßte. Hinkeldei kann nicht als Augenzeuge des
 
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