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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0449

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ML no. Samstag, 2» Jnli. 18L8.

Der Centralausschuß der Demokraten Deutsch-
lands an das deutsche Volk.
(Schluß.)
Mitbürger! werdet Euch darüber klar! — Ihr wollt frei
sein? — Nun wohl, die Freiheit ist die Demokratie! — Ihr
wollt also die Demokratie? — Nun wohl — die Demokratie
ist die Republik. Nicht jede Republik ist demokratisch, aber
jede Demokratie ist republikanisch. Auch die demokratische Mo-
narchie, in welcher jetzt mancher von Euch eine glückliche Ver-
mittelung zu sehen glaubt, ist nur dann keine Täuschung,
wenn der Fürst seine Unverantwortlrchkeit aufgib«, und, als ein
Bürger unter Bürgern, das Amt eines Präsidenten auf unbe-
stimmte Zeit verwaltet.
Es ist kein einseitiges Parteiurtheil, welches wir aus-
sprechen, wenn wie die Demokratie als die allgemeine Staats-
form der Zukunft betrachten, als die, in welcher ein Volk
allein noch groß und glücklich werden kann. Auch scharfsich-
tige Männer, welche im klebrigen nichts weniger als Freunde
demokratischer Zustände sind, haben dasselbe geurtheilt, und
haben in Amerika die Anfänge des großen politisch-socialen
Spstemes erkannt, nach welchem sich in Zukunft die ganze
Menschcnwelt gestalten wird. Sorgen wir dafür, daß uns
unser Antheil an der kommenden Geschichte nicht entgeht! Die
Perioden der Gewalt und der Autorität sind durchlaufen und
alle ihre möglichen Formen erschöpft. Ihre letzte, der Abso-
lutismus des Czaarenthums, scheint zwar nn Osten noch fest
daznstehen; innerlich aber ist sie auch dort schon morsch. Sie
wird auch dort zusammenbrechen und ihr Material der Demo-
kratie überlassen. Die Welt wird demokratisch-republikanisch,
weil ihr nichts anderes als das mehr übrig bleibt.
Und was ist die konstitutionelle Monarchie, zu der sich
jetzt die furchtsamen Halben und Selbstsüchtigen drängen, —
was ist sie anderes, als der llebcrgang vom Staate der Au-
torität zum Staate der Freiheit, — vom Absolutismus zur
Republik? Der nächste Parteigcgcnsatz liegt also eigentlich
nur in her Frage, ob wir diese Uebergangsform durchwachen
sollen und müssen, oder nicht. Die Republikaner sagen nein,
die Monarchisten sagen ja! — Wer von Beiden hat Recht?
Es ist wahr, daß die Geschichte durch Uebergangsformen
die Brücke baut von der Herrschaft eines sittlichen Prinzips
zu der des andern. Aber die Nothwendigkeit, diese Formen
zu durchleben, besteht nur, bis das neue Prinzip für die Welt
gewonnen ist. Sie besteht also nicht für jedes einzelne Volk
in einer Gesellschaft von Völkern, sie besteht am wenigsten als
leerer äußerlicher Vorgang für ein Volk, welches in seinem
Bewußtsein längst bis zur Reinheit des neuen Prinzips durch-
gedrungen ist Was ein Volk durchlebt hat, das hat es für
die Menschheit durchlebt, und der gleiche Prozeß soll sich nicht
in einem zweiten und driuen wiederholen. Darum halten die
Republikaner es für einen beklagcnswcrthcn Zeit- und Krast-
verlust, wenn das deutsche Volk sich noch Zahre lang mit
Staatseinrichlungen quälen soll, von welchen kein UrtheilSfä-

higer im Ernste sagen kann, daß sie für die Dauer gemacht
§ sind, und die, wenn eö wahr iü, daß sie jetzt eine Revolu-
I tion abkürzen helfen, dies nur dadurch zu thun vermögen,
daß sic uns eine zweite in Aussicht stellen, bei der wir von
vorn anfangcn müssen. Die deutschen Republikaner wünschen,
daß unser Volk sich an den Franzosen ein Beispiel nehme.
Haben unsere Nachbarn im Westen durch ihre wiederholten
Revolutionen mehr erreicht, als sie mit der ersten erreichen
wollten? Haben sie sich abschrccken lassen, indem sie es das
erste Mal nicht erreicht? Haben die Zwischenformen der Re-
stauration und der Periode Louis Philipps ihnen Kämpfe er-
spart ? — Nein! — Wenn in Zeiten der Revolution etwas
die Kämpfe abkürzen kann, so ist es das rasche und sichere
Erfassen des Prinzips, in welchem die treibende Kraft der Be-
wegung und die Hoffnung der endlichen Beruhigung liegt,
denn darüber möge sich kein Mensch täuschen: die Revolutio-
nen werden in der nächsten Zeit unter den Völkern fortdauern,
und werden sich wiederholen und immer neu wiederholen, und
für jede mißlungene wird eine um so gewaltigere, furchtbarere
ausbrechen, bis die Republik die einzige Staatsform der ge-
bildeten Völker ist! — Diese Worte werden von Vielen un-
gern gehört werden. Wir haben keine Freude daran, das
Mißbehagen der Gesellschaft zu vermehren. Aber wir fühlen
uns berufen, die Thörichten aufzuklären, die den Anker ihrer
Hoffnungen in den Triebsand der Halbheiten werfen. Nur wer
hohe See zu halten weiß, kann sich im Sturme erretten und
endlich eine glückliche Küste gewinnen.
Aber, — jagt man uns, — Ihr bekennt, daß es gute
und schlechte Republiken gibt, Ihr empfehlet uns darum die
demokratische, und Ihr erklärt uns diese so, daß sic eine Ver-
fassung sein soll, in welcher die Gesammthcit die Verantwort-
lichkeit übernimmt für die Freiheit und Wohlfahrt des Einzel-
nen. Wie soll es die Gesammtheit machen, dieser Verant-
wortlichkeit zu genügen? Versprecht Ihr nicht Dinge, die
Ihr nicht halten könnt? Erregt Ihr nicht Hoffnungen, die
Ihr nicht erfüllen könnt? Ihr berührt die große sociale Frage
in ihrem Mittelpunkt. Deutet uns an, wie Ihr sie zu lösen
gedenkt!
Mitbürger! Wir wüßten vielleicht zu antworten, wenn
die Beantwortung Eurer Fragen hier unser Zweck wäre. Aber
wenn wir auch nicht zu antworten wüßten, — sollten wir eine
Pflicht verläuguen, weil unsere Kräfte ihrer Erfüllung vielleicht
noch nicht gewachsen sind? Ist es recht, eine Schuld abzu-
streiten, weil man im Augenblick sie nicht zu tilgen vermag?
Und eine Schuld ist es, die wir in unserem politischen Glau-
bensbekenntnis; eingestehen, — eine Schuld, so alt, wie die
menschliche Gesellschaft, und jede Zeit muß an ihr tilgen, was
sic zu tilgen vermag. Das Bewußtsein dieser Schuld ist der
große Fortschritt der Rechts - und Freiheitsidcen, welchen un-
sere Zeit gemacht hat. Das Recht ist für uns das System
der sittlich gültigen Zwecke, und dieses System ist nichts an-
deres, als die Organisation und Sicherstellung der sittlich gül-
tigen Zwecke aller Einzelnen. Sicher gestellt werden aber die
 
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