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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0743

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ganzen Großh. Baden I ff.
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die drcispalt. Petitzeile 2kr.

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Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei »on Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Dienstag, 7 November. 1848.

Das Volk siegt in Wien!
* Heidelberg, 6. Nov. Trotz allen Berichten der servi-
len Blätter, trotz dem Siegesjubel ter Fürstenpartci, trotz allen
telegraphischen Depeschen und Beschreibungen des Kampfes
bis aufs Einzelne; haben wir immer gesagt, Wiens Sache
wird und muß siegen! Und sollte auch, sagten wir in
einem unserer letzten Artikel, Windischgrätz die Mauern und
Häuser Wiens zusammen kanoniren, und das helbcnmüthigc
Volk unter die Trümmer der Statt begraben, die Sache
Wiens geht nicht verloren. Wien fällt und das ganze Land
steht auf. Wir hatten uns nicht getäuscht; es ist Alles voll-
kommen so geworden, wie wir vorauSgesagt.
Wintischgrätz konnte nicht Meister Wiens werden, groß,
wie die Sache, für die die Wiener das Schwert gezogen, war
ihr Muth im Kampfe; trotz 2 tägigem fürchterlichem Feuer
kann ces Kaisers Feldherr nicht einen Fußbreit Lande gewin-
nen; fest, wie ihre Barrikaden, stehen die Wiener; jetzt nimmt
er, ter Feldherr ter Partei, der kein Mittel zu schlecht ist,
um ihre teuflischen Zwecke zu erreichen, zur List seine Zuflucht,
zu einer schändlichen, erbärmlichen Lüge. Wintischgrätz läßt
nach allen Theilen des Landes hin telegraphiren: Wien ist
besiegt. Er hoffte damit, den Landsturm, der von allen Seiten
den bedrängten Wienern zu Hülfe eilte, abzuhalten; er hoffte,
die Ungarn zu entmuthigen, und die Ruhe Deutschlands zu
erhalten; aber der große Feldherr, der schlaue Fuchs, der feine
Jesuit, er hatte sich getäuscht: Die Nachricht, daß Wien ge-
fallen, rief ganz Oesterreich unter die Waffen, in Brünn, in
Olmütz, in Prag, und in hundert kleineren Städten bricht der
Aufstand auf einmal aus, und hätte Wintischgrätz auch wirk-
lich Wien bezwungen, so wäre Las eben nur der erste Kampf
gewesen, und vielleicht der geringste, den er für seinen Kaffer
und gegen das Volk zu kämpfen gehabt. So rächt sich die
Lüge, so der Verrath am Volke
Die Blätter, die gestern noch jubelnd die schwarz-gelbe
Fahne aufgesteckt, gestehen uns heute ganz demüthig, „sie seien
wenigstens sehr voreilig gewesen," und man sieht es, mit
schwerem Herzen berichten sic, Windischgrätz habe nicht ganz
gesiegt, vielleicht gar nicht re. Wir aber, die wir die Berichte
dieser Windfahnenblätter zusammengestellt, sagen keck, Windisch-
Grätz hat nicht blos nicht gesiegt, sondern wurde besiegt. Wir
haben gestern schon in einem --Vorläufer der Republik-- einen
Bericht, der über Berlin kam, mitgetheilt; wir stellen hier die
nähere Nachriflten zusammen.
Aus einem Privatschreiben an eixen öftere. Dcputirten
theilt das --Fr. I.-- Folgendes mit:
„Wien soll nicht kapitulirt haben und Win-
dischgrätz geschlagen sein. Am 29. soll Lcr Kampf in
der Leopoldstadt begonnen haben; nach neunstündigem Kampfe
ohne Entscheidung soll eine ausgesteckte weiße Fahne dem Für-
sten Windischgrätz Veranlassung gegeben haben, sogleich durch
Depeschen die vermuthliche Kapitulation Wiens nach allen

Richtungen bekannt zu geben. Der Reichstag und der Ge-
meindcrath machten wirklich FriedenSbcdingungen, die aber
Windischgrätz zurückwics, weil er die Stadt unbedingt ha-
ben wollte Hierauf begann der Kampf aufs Neue in fürch-
terlichem Grade, zog sich von der Leopoldstadt nach der Joseph-
stadt und nach Mariahüf, wo am 30. noch ohne Entscheidung
gekämpft wurde. Inzwischen war die Vorhut der Ungar«
vorgerückt und wurde zurückgedrängt, aber die Hauptarmee
ließ sich im Verrücken nicht beirren. Am 31. mußte also
zwischen den Wienern und den Ungarn einerseits, dann zwi-
schen Windischgrätz, Jellachich und Auersperg anderseits die
entscheidende Schlacht geschlagen worden sein, und sie fiel,
wie es heißt, zu Gunsten Wiens und der Ungarn
aus.
Die wenigen Einzelnheiten und das Nähere, das die
Blätter bringen, stimmen ganz mit dieser Mittheilung überein.
So wird aus Prag vom 31. Okt. geschrieben:
Der Kampf in Wien dauert fort, heftiger und wüthender
als früher. Reisende, die mit demselben Abcndtrain aus Ol-
mütz hier ankommen, bestätigen dieselbe Nachricht. Nach dem
vorgestrigen fürchterliche« Kampfe in der Leopoldstadt und Jä-
gerzeile, und als die Truppen bis zum Karlstheater vorge-
drungcn waren, wurden Unterhandlungen zwischen dem dirigi-
renden General Wpgß und den Wienern angeknüpft und die
weißen Fahnen wurden arffgestcckt. Parlamentäre gingen hin
und her. Der General verlangte unbedingte Unterwerfung,
aber die Wiener wiesen solches Ansinnen entschieden zurück.
Der Vcrtheidigungausschuß Les Reichstags übersandte ein Ul-
timatum von Bedingungen, unter denen sich die Stadt über-
geben wolle, und als der General dennoch auf unbedingter
Uebergabe bestand, wurden die weißen Fahnen wieder hcrun-
tcrgcrifscn und die dreifarbigen wieder aufgepflanzt. — Zu
gleicher Zeit stiegen in der Richtung gegen Ungarn Rauchsäu-
len auf und am Stephansthurme wurde das bestimmte Signal
gegeben, daß die ungarische Armee im Anrücken sei, und die
Kampflust und der Muth der Wiener stieg aufs Neue. Jel-
lachich, verstärkt durch 2 Cavallcrieregimenter, rückte den Un-
garn entgegen. Uebcr den Verlauf und das Ende dieses
Kampfes wußte man nichts vollkommen Gewisses, es soll
die Vorhut der ungarischen Armee gewesen sein und der Kern
der Truppen erst noch erwartet werden. — Seit gestern hört
man in verschiedenen Richtungen um Wien heftigen, unaus-
gesetzten Kanonendonner; der Angriff des Militärs sott jetzt
besonders gegen die Vorstädte Wieden, Mariahüf und Lerchen-
feld gerichtet sein. Die Truppen sind seit vorgestern
nicht weiter vorgedrungen. Der Kampf in Lcr Jä-
gerzeile am vorgestrigen Tage dauerte an 18 Stunden; Rei-
sende können nicht genug die Gräuel und Zerstörung schildern.
Die Hämer zu beiden Seiten der Straße sind durchlöchert und
durch alle Stockwerke durchgebrannt. Die große Barrikade, an
der der Kampf stattfand, war 2 Etagen hoch und von 12
Kanonen verthcidigt. Die Garden sollen eine Zeitlang zum
Zurückwcichen geneigt gewesen sein, General Bem soll aber
 
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