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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0653

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Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l ff.
IN kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzcile Ar.




161. Donnerstag, 12 Oktober.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner n.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

18L8.

Coinmunismu s.
Ein Erlaß des Reichskriegsministers an alle Kriegsmini-
stericn Deutschlands macht hier großes Aufsehen. Nach dem-
selben sollen alle Truppen in diesem Augenblicke, wo sie als
Neichstruppcn verwendet werden, auch als im Dienste des
deutschen Reiches betrachtet werden. — Werden solche Trup-
pen einquartirt, so erhält der Ort beim Abmarsch einen Schein,
welcher später aus der Reichekasse honvrirt wird. Der Un-
terschied zwischen Belagerungszustand und Einguariirung bei
loyalen Unterthanen besteht alsdann nur noch darin, daß man
in einem Falle gar nichts, im andern ein Stück Papier er-
hält, welches honorirt wird, sobald die Neichskasse
Geld hat. Bei uns ist dieses Gesetz bereits publizirt, und
in den Nachbarländern soll solches nächstens geschehen. Das
Parlament hat Verdoppelung der stehenden Heere beschlossen,
die Staaten können die Armee nicht ernähren, ohne im ersten
Monat Banquerott zu machen. Man hatte Aussicht auf eine
hinreichende Anzahl von Emeutcn, um den Ueberschuß der
Truppen vom Volke ernähren zu lassen. Diese „edle" Aus-
sicht hat sich nicht in dem Maße realisirt, als man erwartete,
man geht einen Schritt weiter, man schreitet zu einer Zwangs-
anleihe, die größtentheils ganz arme Leute tnfft. Die Ne-
gierung vor dem 6. März glaubte unter 300,000 Bajonetten
sicher schlafen zu können, die Herren in Frankfurt brauchen
600,000 zur Beruhigung ihres Gewissens, und diese werden
ernährt durch ein Zwangsanleihen beim armen Mann. Ein
Gutes hat die Sache, das Volk braucht keinen Belagerungs-
zustand mehr zu fürchten, ganz Deutschland ist in eine Art
Belagerungszustand gesetzt, natürlich gegen Schein. Wir möch-
ten einmal sehen, wenn der Neichsfinanzminister zu den Für-
sten käme und sagte, ich will einen Theil eurer enormen Ap-
panagen nehmen, natürlich gegen Schein auf die Neichskasse,
wenn ein Reichsminifter Rcichstruppen gegen Schein nach
Preußen schickte, einen Kriegskommiffär Keller über Preußen
setzte, wie er heimgeschickt würde. Das Parlament und die
Ccntralgewalt ist zu einer Anstalt der Fürsten (nicht des Vol-
kes) der großen Staaten geworden, mit dem man das Volk
Sübdeutschlands beherrscht, in allem klebrigen ist es machtlos,
nicht einmal den Namen, der ihm gebührt, wagt es zu füh-
ren, und die offizielle Gageru'schc Oberpostamtszeitung spricht
nur noch von einer blos „verfassunggebenden" Nationalver-
sammlung. ES ist die alte Geschichte, und mag der edle Ga-
gern sich noch zehnmal in der Nationalversammlung alterircn,
es ist doch wahr, nach Oben ist die Centralgewalt Diener,
nach Unten Souverän. Es fragt sich einfach, wer huldigt
jetzt den Grundsätzen des Communismuö, die Demokratie oder
die, die ein System aufstellen, welches in seinen Consequenzen
nothwendig zu einer systematischen Plünderung führen muß?
die rcactionäre Lügenprcsse wirft Struve fälschlicher Weife
Zwansanlcihen vor, sie sagt ihm nach, er habe Schuldscheine
der Republik fertigen lassen, um ihnen ZwangscourS zu ge-
ben. Möge man diesen Verläumdungen gegenüber einen Maß-

stab an die Handlungen der eigenen Partei legen, die eben
ganze Länder abweidct — gegen Schein.
Wir sind in ein anderes Stadium getreten. Das erste
war das der systematischen Verläumdung durch die Presse, das
der Wahlvcrfälfchung, des Betruges des Volkes durch Ver-
trauensmänner, so lange deren Vertrauen vorhielt, das Sta-
dium der plumpen Jnirigucn. - Das war die Zeit, wo die
deutsche Zeitung von „Heckerlingen" sprach, die Zeit der Volks-
versammlungen mit Prügel, die Zeit der lügnerischen Briefe
an die Wähler. DaS zweite Stadium ist baö der künstlichen
Emeute, der Militäranarchie, der Erpressungen und Requisi-
tionen. Das Stadium der Gewalt und der Einschüchterung,
wo man die Gerichte demoraliffrt, tausende von Menschen in
Kerker setzt/das Stadium der Gerichtohetze. Man sah, daß
die öffentliche Meinung nicht ausreiche, man griff zu dem al-
ten Mittel der dreißiger Jahre, nur brutaler, in wenig Wo-
chen werden auch diese Mittel erschöpft sein, wenn die Ge-
richte sich zu Dienern der Gewalt hergeben, wenn sie ihr ei-
genes Ansehen vernichtet, sic sind eben so machtlos gegen den
Geist des Volkes, wie eS bereits die Bajonette sind, deren
Träger mit dem Volke sympathifiren. — Man wollte das
Volk zwingen durch Bajonette, das Mittel ist fehlgeschlagcn,
man hat zwar einzelne Feinde darnicdcrgeworfen, aber der
Geist der Zeit war mächtiger, als die Gewalt, der Geist der
Zeist fing bei den Truppen selbst an, mächtigere Wogen zu
schlagen. Man versuchte Polizeimaßregeln, alle Mittel des
allen Polizcistaats wurden in Bewegung gesetzt, vergeblich.
Da that mau den letzten Griff, einen „blinden Griff," wie
ihn der Abgeordnete Simon nennt, einen blinden Griff nach
so manchen kühnen u. s. w. Griffen, einen Griff nach den
Mitteln der dreißiger Jahren mit ihren Inquisitionen und
Quälereien, man begann eine allgemeine Razzia von Seiten
der Justiz. Ein blinder Griff, wenn man die Zweckmäßigkeit
betrachtet, wenn man bedenkt, daß gerade dieses gestürzte Sy-
stem an diesem Griff zu Grunde ging, aber kein blinder Griff,
wenn man die Moralität der Justiz bedenkt, denn die Gerech-
tigkeit ist heut zu Tage nicht mehr blind, wie sic sonst darge-
stellt wurde, sondern sehr sehend.
Es begann ein System, verfolgungösüchtigcr wie in den
dreißiger Jahren, ein System der Acchtung. Diese Ncaction,
die vor den Gefahren der 90cr Jahren warnt, stand plötzlich
auf dem revolutionären Standpunkte von 90, auf dem Stand-
punkte der Acchlungen. — In der Nationalversammlung trat
dieses System auf, plump und täppisch wie alle Maßregeln
dieser Partei, man verfocht die Acchtung von 5 Mitgliedern
auf einmal. . Ein Sturm erhob sich in einem großen Theile
der Versammlung, es.handelte sich nicht allein um Acchtung,
sondern auch um Aechtung auf Ansuchen eines Gerichtes, wel-
ches von einem Belagerungszustände ernannt wurde, dessen
rechtliche Begründung noch nicht fest steht, von einem Gerichte,
ähnlich dem SichcrheitsauSjchufse des Convents, ähnlich der
schwarzen Commission. Es handelte sich um den Grundsatz
der Anerkennung solcher fürchterlichen Gerichte, denn heule mir,
 
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