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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0811

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Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden 1 fl.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzeile 2kr.

S- 20«.

Die Republik.
Sonntag, 26. November.

Bestellung wird gemacht in

Heidelberg in der Huch-
druckerei von Renner u.

W olsf und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

1848.

Der Abgeordnete Pfarrer Löhlbach und seine schwarz-
gelben Feinde.
Seit Herr Pfarrer Lehlbach in der Kammer sitzt, schämen
wir uns, offen gesagt, der evang. prot. Geistlichkeit nicht
mehr. Wir hatten uns geschämt, weil sogar Zittel, nach der
Prophezeiung des sel. Sander, das freie Wort mit der Pfaf-
fenkutte vertauscht hat. Aber setzt wissen wir, daß in der bad.
Protestantenkirche noch ein Geistlicher es wagt, offen gegen
Tyrannei aufzutreten. Darauf sind wir mit Recht stolz. Die
elenden Heuler mit oder ohne Spiritus aspor, die sich evang.
Geistliche nennen, worunter auch der auf einer Patronatspfar-
rei sitzende Pfaffe Stutz sein mag, konnten dem Pfarrer Lehl-
bach keine größere Ehre anthun, als mit ihrem geistlichen Kaz-
zenjammer, den sie in Nro. 295 des Karlsruher Fahndungs-
blattes in Folio zu erkennen gaben. Wäre cs diesen, vom
Betrüge des Volkes lebenden Tröpfen möglich, eine Wahrheit
zu fassen, so wollten wir ihnen beweisen, daß Niemand die
Eisenbahnschienen aufgerissen hat, als die Reaktion, daß Nie-
mand Struve ins Land gelockt hat, als die Reaktion, daß Nie-
mand mehr von dem ganzen Unternehmen gewußt hat, als
eben die Reaktion. Und diese Reaktion steckt im evangelischen
Oberkirchcnrathe, steckt unter der Heuchlerzunft der Pietisten
von Mauer bis Königsfeld, von Hallingen bis Mosbach. Die
Hochehrwürdigen Herren Geistlichen haben ihre Namen dem
Oberkirchs rache (hochprcislich und hochlöblich braucht man setzt
nimmer zu lügen) angezeigt, damit sie nächstes Jahr ein nam-
haftes zum Gratia! bekommen. Da hat doch Mancher nicht
mehr nöthig, in seiner untcrthänigen Bitte zu wimmern, eine
Kuh ist mir krepirt, die Accidenzen gehen so schlecht ein, ein
Obstbaum ist mir geplündert worden, die Erdbeeren sind nicht
gerathen, und ich selbst liege setzt noch darnieder mit einem
Leibschaden unter dem Hule und unter dem Brusttuche. Nein
wenn nächstes Jahr noch ein Oberkirchenrath da ist, so er-
halten diese loyalen Pfaffen wegen ihrer Erklärungen gegen
Lehlbach ihren Sündenlohn, etliche dreißig-, etliche sechszig-
etliche hundertfältig. Und warum nicht? Haben sie doch Ein-
rückungsgcbühren bezahlt, Porto bezahlt, sind umher gereist,
um einen Namen zu keulen und zu erbetteln! Geliebte Brü-
der von -f Lallenkönig in Basel, Kopfhänger uud Augenver-
dreher, hört!
Ihr nennet den Pfarrer Lehlbach kalt, weil er ein
warmes Herz hat für sein armes Volk! Für wen habt denn
ihr ein Herz? Für Missionsgclber, für Butter, Speck und
Eier, für den Teufel, den ihr besser kennt, als den Gott im
Himmel, für Zulagen und Beförderung, für eure Kompetenz,
an die ihr bei der Predigt und am Altar denkt! Freilich, ihr
wollt ein ruhiges Leben haben daß ihr in Ruhe bleibet vor
der Vernunft, vor dem furchtbaren Warum? Ihr gebt dem
Kaiser, was des Kaisers ist, aber wenn ihr ein paar Maas
Wein schmuggeln könnt, so thm ihr es, Alles zur größeren
Ehre Gottes. DaS ist die Ehre, die ihr Gott gebet. Ihr

kreuziget das Fleisch an den gebratenen Hasen, die in Gestalt
eines Kreuzes auf den Tisch kommen. Ihr lieb; die heilige
Schrift, weil ihr vom Bibelverkauf Nutzen ziehet; euer Herz
ist zum Einmaleins, eure Dogmatik zu Blut geworden; ihr
seid keine Christen, keine Bürger, keine Menschen mehr, ihr
seid nur Pietisten! Von euch Hot Christus gesagt, (der von
euch wieder gekreuzigt würde, wenn er heute wieder käme)
wie geschrieben stehet, Lukas XI.: ihr Narren, meint ihr, daß
inwendig rein sei, was auswendig rein ist? Wehe euch
Pharisäern, die ihr vorüber gehet vor dem Gericht (vor der
Billigkeit und vor der Gerechtigkeit) und vor der Liebe Got-
tes, die ihr gerne Oben an sitzet in den Schulen und wollet
gegrüßt sein auf dem Markt (Jahrmarkt). Ihr seid wie die
verdeckten Todtengräber, darüber die Leute laufen und kennen
sie nicht! Aber wehe! Euer Haus soll Euch wüste gelassen
werden — und dies Geschlecht wird nicht vergehen, bevor sich
Alles ereigne. Wehe, wehe! Ihr werdet weinen und heulen
und die Welt und der verkezerte Lehlbach wird die gerechte
Sache gewonnen haben. Sela. (Seebl.)

Vereinigte Staate» von Deutschland.
* Heidelberg, 24. Nov. Aus der ReichstagSzeitung
entnehmen wir Folgendes: Ein Schreiben aus Wien erzählt,
daß bei der Erschießung BlumS, ganz in hergebrachter Weise
der Profoß 3 mal den anwesenden General um Gnade, das
3. mal um Himmels und Gotteswillen" gebeten habe. Drei
mal antwortete dieser darauf: "keine Gnade" und erst bei
der dritten Antwort ließ Blum durch ein hastiges Falten der
Hände vorübergehend einen Eindruck seiner eisernen Mannhaf-
tigkeit erkennen." — Wenn das deutsche Volk sich einst erhebt
gegen seine geborenen Unterdrücker, wird es im Angedenken
an den, für feine Sache gefallenen Freiheitshelden wissen, wie
sein Feldgeschrei heißen muß.
Ettlingen, 24. Nov. Wie ein Lauffeuer durchlief
es gestern Nachmittag die Stadt: "Thiebauth ist frei,
Thiebauth kommt!" Von Durlach kam gegen Abend ein
Schreiben, Thiebauth werde dort aussteigen, einige Zeit ver-
weilen und dann hierher fahren. Er hatte jedes feierliche Ab-
holen sich entschieden verbeten; allein seine Freunde konnten
den Drang ihres Herzens kaum mehr niederkämpfen, und so-
gleich fuhren etwa 20 derselben nach Durlach, um, dort an-
gekommen, zu erfahren, Thiebauth sei auf der Eisenbahn bis
Ettlingen gefahren. Nasch gings nun wieder zurück, wo diese
auch ihren geliebten Freund und Vorkämpfer der Freiheit, in-
mitten seiner freudig ergriffenen Familie und jubelnden Mit-
bürger antrafen. Heiter und fröhlich ist derselbe aus dem Ge-
fängniß zurückgekehrt.
Der Gesangverein ließ sich nicht abhaltcn, dem Angekom-
menen bei Fackelschein ein Ständchen zu bringen, worauf die-
ser in einer kurzen, kräftigen Anrede seinen Dank hiefür, aber
 
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