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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0751

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U> kr. Bei Inseraten kostet
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H" 18».



Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner n.
Wolff und beiKaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

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Donnerstag, s. Nsvei^ber. 18^8.

Wie» ist gefallen!
* HcidolbevH, 8. Nov. So ist es denn doch gefallen,
das herrliche-Wien, gefallen, und mit ihm die junge Freiheit
des österreichischen Volke?. Nach furchtbar blutigem Kampfe
hat er, der -.Städtezertrümmerer und Volksbändiger", durch
Verrath unterstützt, Wien erstürmt. 11,000 Kanonenkugeln,
Bomben, Granaten und Brandraketen wurden in die Stadt
geworfen, die Mauern und Thore der Festung zertrümmert,
die Vorstädte in Asche gelegt, tausende der Wiener Kämpfer-
gemordet, und Windischgrätz ist eingezogen; die Ruhe hergc-
stcllt. Die Sitzungen de? Reichstags wurden geschloffen, die
Presse vernichtet; Hunderte der Kämpfer, die dem Tobe ent-
gangen, sind verhaftet; die akademische Legion ist aufgelöst;
die Bürger sind entwaffnet, und taunge Todesstille herrscht
auf der Stadt: denn der Kaiser hat gesiegt! Ströme Blutes
sind geflossen, das Glück ganz Oesterreichs ist vernichtet, aber
der Kaiser hat gesiegt! —
DieCroaten morden, brennen und stehlen in allen Stadt-
theilen, unschuldige Kinder, Frauen und wehrlose Greise schießt
man auf der Straße nieder, und nur die leichteste Aeußerung
wirst die Besiegten in den Kerker. Das Spionirsystem ist da
im alten vollen Glanze; denn der Kaiser hat gesiegt. Er hat
gesiegt, der Herr von Gottes Gnaden, und dieser Sieg, der
Tausende das Leben gekostet, die Straßen Wiens mit Blut
überschwemmt, die Donau voll Leichen füllte, und Millionen
unglücklich gemacht, diesen Sieg feiert der Kaiser mit
einem großen Gastmahl in Olmütz!
In Wien das Jammern der Verwundeten, das Weh-
klagen vcrwittwctcr Frauen, der Hilferuf der verwaisten Kin-
der, Elend, nichts als Elend! — und in Olmütz das Knallen
der Schaumwcinflaschen, das fröhliche Getöse der Tafeln, Ju-
bel ohne Ende, denn der Kaiser hat gesiegt. Der Unter-
gang der Völkerist die Auferstehung der
Fürste n.

— 8. Nov Aus einem Briefe aus Linz entnehmen wir
folgende Stelle, die ganz den Geist des österreichischen Volkes,
und seine Ansicht über die Zerstörung Wiens enthüllt:
»Wien fällt," heißt cs darin, "aber aus seinen Trüm-
mern wird eine neue, bessere Generation erstehen, und der
Geist der Weltgeschichte wird das edle Blut rächen, das „Fer-
dinand der Gütige" in Strömen vergießen läßt. Schon
hat sich die Dynastie um jene wenigen Sympathien gebracht,
die sie noch in manchen Schichten der Bevölkerung besaß. —
Wien ist als Residenz unmöglich — man wird Prag dazu
ausersehcn, und als einziges Nettungsmittel sich in die Arme
der slavischen Monarchie werfen. Dann aber ist unser Ent-
schluß gefaßt — man macht aus dem Gedanken einer Lostren-
nung von dieser, mit Bürgerblut zusammengckittcten Monar-
chie kein Gcheimniß mehr. Tyrol, Salzburg, der Innkreis

hatte von jeher seine Sympathie für „das Reich," und unser
schönes Vaterland wird nicht Zurückbleiben. Und Deutschland,
für dessen Geschick sich Wien jetzt verblutet, hat keinen Arm
für uns, kein Schwert, keine Stimme der Entrüstung! Doch
die Wahrheit hat eine Kraft, der nichts widersteht, und sic
w-rd ans Tageslicht kommen. Wien wird gerächt werden,
und furchtbar!

Vereinigte Staaten von Deutschland.
** Heidelberg, 8. Nov. Die "Deutsche Zeitung", die
wie sie sich rühmt, die größten Geister Deutschlands zu Mitar-
beitern hak, bringt einen Artikel aus Heidelberg, der wirklich
elastisch zu nennen ist. Einen Styl, eine Logik, wie sie noch
in keiner Zeitung gefunden. Glücklich das Blatt, das solche
Korrespondenten hat!*) Der Artikel lautet:
"Heidelberg, 2. Nov. Die Republikaner in unserer Stadt
scheinen ganz frei aufzuathmen, denn in allen Wirthshäusern
werden Versammlungen gehalten, in denen Verhandlungen
stattsinden und Hochs auf Hecker und die Republik ausgebracht
werden. Es ist das ein Treiben, wie wir noch lange kein'o
erlebt haben; wird endlich diesem ein Ende gemacht werden?!
(Welch' prachtvoller Styl!) Die Wiener Ereignisse schrecken
doch ein wenig ab; die Ruhe wird hier sonst in keiner Weise
gefährdet; denn Niemand denkt daran, sie zu stören, gerade
dies Häuflein macht Skandal; sie nehmen die hier liegenden
nassauischen Truppen mit in die Wirthshäuser und lassen sie
Heckerliedcr singen. Es würde nichts schaden, wenn öfters
Truppen hier eingelegt würden, damit die Mannschaft nicht
so verdorben wird. Wir werden ihnen noch manchen Hafen
von dem Treiben unserer Republikaner aufdeckcn, sie "wüh-
len" wie die Maulwürfe und kränken den (armen) ReichS-
verweser auf alle mögliche Weise, was gewiß nicht zur Ein-
heit und wahren und reinen Freiheit Deutschlands gehört —
— Gott besser's! —
Darmstadt, 1. Nov. Gestern wurde unser im Laufe
des verflossenen Sommers verhafteter Mitbürger Fr. N. Rcr-
roth aus Michelstadt, nach 1 (-wöchentlicher Haft in Freiheit
gesetzt. Ebenso 12 andere seiner Leidensgefährten. Man harte
mehrere Bataillone Militär und 4 Kanonen zu ihrer Verhaf-
tung aufgeboten, die Leute dem Kreise ihrer Familien und
ihren häuslichen Geschäften entzogen, man inquirirte nach einer-
weitverzweigten Verschwörung, und am Ende-(nach dem
Wunsche (?) der Gefangenen, erzählt die Darmstädter Ztg.)
die Untersuchung niedergeschlagen. Wer entschädigt die Leute
für die ihnen 16 Wochen lang entzogene Freiheit, für ihre
zum Theil zerrüttete Gesundheit, für ihren Kummer und den

*) Herr Professor Häuser schreibt, glaube ich, die Artikel von
hier für die „Deutsche Zeitung." Anm. d. Setzers.
 
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