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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0799

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Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden l st.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzeile 2kr.

«l- !»7.

Die Republik.
Donnerstag, 23 November.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

1848.

Sendschreiben zweier nordamerika-
nischen Bauern
an
Herrn Dr. I. G. Flügel.
Consul der Vereinigten Staaten von Nordamerika in Leipzig.
(Schluß.)
Sie haben in Berlin statt einer Revolution, „Vorfälle'^
aus „Mißverständnis!" gemacht. Anstatt Rache zu nehmen für
ihre geschlachteten Mitbürger und Sühnung für Bürgerblut zu
fordern, ist ihnen schwabbelich geworden, und ste haben statt Pa-
tronen ihre Gebetbücher aus der Tasche gezogen und »Jesus
meine Zuversicht» angestimmt. Sie haben ihre Leithammel zu
Hofe laufen und pctitioniren lassen; sie haben heuchlerische Ver-
sprechungen an die »geliebten Berliner» in ihrem »beschränkten
Unterthanenverstande» für baare Münze genommen und wun-
dern sich noch, wenn sie vor wie nach geknechtet werden.
Und so überall in Deutschland. Ucberall die erbärmlichste
Philisterei, überall derselbe deutsche Zopf, wenn sie sich gleich
darauf was zu Gute thun, ihn endlich mit dem polizeiwidri-
gen schwarz-roth-goldenen Bande eingcwickelt zu haben, ohne
arretirt worden zu sein. Nirgends republikanischer Frciheits-
muth^— nirgends stolzes Selbgefühl freier Männer! Ueber-
all die den »höchsten und hohen Herrschaften pflichtschuldige
Ehrfurcht!» Darum, wo sich irgendwo republikanisches Stre-
ben kund gethan, da haben die Philister Zeter geschrieen und,
als ehrlose Büttel der Zwingherrschaft, die Polizei im Eifer
überboten, um die einzigen Männer zu Tode zu Hetzen, die
es ehrlich mit ihrer Zeit und dem geknechteten Baterlande
meinten.
Und nun gar erst die Versammlung der politischen Leim-
sieder in Frankfurt, die beim Bundestag ein Patent auf einen
neuen patriotischen Kitt genommen Haden, der die 38 deut-
schen Fetzen in ein Vaterland zusammenkleistern soll! — Ha-
ben die Herren in ihrer selbstzufriedenen Wichtigkeit und feier-
lichen Selbstberäucherung irgend Etwas an'ö Tageslicht geför-
dert, das einem einigen Deutschland nur im Entferntesten ähn-
lich sähe? — Nein, mein Herr! sie haben den Riß und Zwie-
spalt nur größer gemacht. Sie haben neue Flicken auf den
alten Schlauch gesetzt, und der Wein, den ihre marktschreieri-
schen Phrasen dem Volke versprachen, ist ihnen ausgelaufen.
Sie haben sich mit dünkelhafter Schulweisheit über die gerech-
testen und nothwendigsten Forderungen der Gegenwart hinweg-
gesetzt: aber keineswegs außer Acht gelassen, das »geheiligte»
Interesse der »Allcrgnädigsten» wahrzunehmcn, damit ihre
»hohen Gönner» ja nicht zu kurz kämen. — Sie haben keine
Erklärung der Menschenrechte, wohl aber eine Erklärung »hoch-
fürstlicher Negierungsrcchte» erlassen. Sie haben Anstand ge-
nommen, die ewig wahren Grundsätze praktisch in's Leben
zu führen, auf denen die Freiheit und das Glück der Natio-
nen ruht, wie auf einem Felsen. Statt dessen hat ihre Hal-
ler'sche Restaurations-Weisheit dem Volke von vorne herein

die Bcfuzniß abgesprochen, sich selbst zu regieren. — Sie ha-
ben sogar in ihrer Spießbürgerweisheit gegen die Freiheit die
Begriffe von Recht und Unrecht, von Freiheit und Knechtschaft
verdreht, und die republikanische Regierungsform, welcher allein
die norvamerikanischen Freistaaten ihre Größe und Glück ver-
danken, als Pöbelherrschaft, Anarchie und Communismus ver-
schrieen; dagegen aber monarchisch-konstitutionelle Knechtschaft
für Bürgerfreiheit ausgegeben. — Nachdem sie sich so vor der
civilisirten Welt als ärmliche Anhänger der Fürstengewalt
prostituirt, haben sie nach Wien geschickt, um sich aus dem
Geschlechte der Habsburger einen »unverantworlichen» Reichs-
verweser zu erbitten, damit derselbe die neue Auflage des
»Heil. Röm. Reiches deutscher Nation» der »Verwesung» über-
gebe, als wenn der todtgeborene Wechselbalg nicht mit allen
Zeichen bereits eingetretener »Verwesung» auf die Welt ge-
kommen wäre!
Doch unsere Feder sträubt sich, über das Misere noch ei»
Wott zu verlieren, — wir möchten sonst bitter werden. Ach!
sic werden früh genug den bittern Wehrmuthskelch der Enttäu-
schung trinken müssen; und es wird ihnen bei ihren »hohen
Gebietern» nicht einmal was nützen, bei der Reaktion Gevat-
ter gestanden und das »Vertrauen» des Volkes getäuscht zu
haben, welches das Brod der Freiheit verlangte, dem sie aber
den Stein »monarchisch-konstitutioneller» Knechtschaft geboten.
In dem geheimen Conklave zu London wird das ekle Getränk
bereits gebraut, und am brodelnden Kessel sitzt der alte Met-
ternich und murmelt reaktionäre Bannsprüche, während die
Emissäre der heil. Allianz das Feuer schüren. Die Koffacken,
die sie durch Concessionen an den Absolutismus zu befreunden
gesucht, oder ihre eigenen Fürsten und Landesväter werden
ihnen mit höhnischer Schadenfreude den Becher kredenzen!
Bei so bewandten Umständen, mein Herr, müssen wir
mit Ingrimm und Schmerz die Ucberzeugung aussprechen:
Wir glauben weder an ein freies, noch an ein einiges
Deutschland; wir glauben eben so wenig an eine deutsche
Kriegsflotte.» Bei jetziger Sachlage möchte auch eine solche
kaum wünschenswerth erscheinen, indem sie, unter dem Ober-
befehl eines »Unverantwortlichen,» nur das Rüstzeug der Ty-
rannei zur Mißhandlung des Volkes vermehren würde. Auch
dürfte eine deutsche Kriegsflotte, wenn sie, was nur zu wahr-
scheinlich ist, von hochnäsigen Krautjunkern als Offizieren kom-
mandirt würde, sehr leicht das Schicksal deutscher Festungen
im Kriege mit Frankreich thcilen — nämlich: beim ersten Kon-
flikt dem Feinde — übergeben zu werden. — Wir können es
auch keineswegs verhehlen, daß wir es, gelinde gesprochen,
unzart finden, wenn eine Nation, welche die Geldverschwen-
dung so weit ticibt, daß sie alljährlich Millionen über Millio-
nen darauf verwendet, um Fürsten und Fürstinnen nebst
Zugehör zu unterhalten, dazu den Schwarm von Schranzen
und Tellerleckern, vom blassirten Hofmarschall mit Stern und
Orden an bis zum Hofstiefelputzer herab, Mätressen, Kammer-
sängern und Tänzerinnen gar nicht zu gedenken, und das Alles,
um den allerdings pikanten Genuß zu haben, vom »Allergnä-
 
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