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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0649

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die drcispalt. Petitzeile 2kr.


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Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

160. Mittwoch, 11. Oktober.1848.

Beitrag zum neuen Spiegel des schwarzen Landsturms.
Nachstehender, auf wahrer Thatsache beruhender Artikel
dürfte einen Beitrag dazu liefern, welcher schlechten und un-
lauteren Mittel sich die finstere, nur Knechtssinn und Unter-
werfung kennende Partei der Jesuiten (und Consorten) bedient,
um das arme, betrogene, bisher nur zu sehr zur Knechtschaft
erzogene Volk noch fernerhin in Dummheit und somit unter
ihrer Herrschaft erhalten zu können.
In dem Marktflecken N.-G., Bez-Amtb. E. mußte man
neben dem dortigen, als Dümmling so ziemlich bekannten, ka-
tholischen Geistlichen, noch einen Finsterling der Hyrarchie vor
kurzer Zeit mehrere Wochen lang haben. Der gedachte dor-
tige katholische Geistliche sucht so viel in seinen Kräften
steht, die Bestrebungen der besseren Neuzeit, namentlich die
der Lehrer nach Jesuitenmanier zu untergraben. Da er aber
sehr wenig Fähigkeit und Geschick zu den Verpflichtungen eines
ächten Jesuiten besitzt, so hielt er cs für ralhsam, einen zu Set.
Peter zu einem Jesuiten zugcstutzten Kaplan (den daselbst ge-
bürtigten H...) zu Hilfe zu nehmen. Dieser löste seine Auf-
gabe , so gut er vermochte. Er hielt nämlich einige Predigten
nach jesuitischem Schnitte und zog in einer solchen über /-das
Treiben (!) der Schullehrer" los. In dieser that er dar:
"Gott habe blos um des frommen Häufleins (der Jesuiten!)
willen die in jetziger Zeit so sehr verdorbene Menschheit mit
seinen schrecklichen Strafgerichten bisher verschont. Daher habe
man dem langmüthigen Gott dafür zu danken, daß es noch
solche fromme Leute gebe. (!!!) Hauptsächlich aber seien es
die Schullehrer, die die Menschheit vollends zu verderben su-
chen, indem sie darauf ausgehen, in diesen, doch nur einzig
(!!) Christenthum besitzenden (!!) Leuten die christliche Reli-
gion zu vernichten. Gegen diese Bestrebungen müsse daher
das katholische Volk ankämpfen, und zu dem Ende sich an
den bei noch längerem dortigen Aufenthalte zu gründen geson-
nenen katholischen Verein anschlicßen; denn (schloß er mit pro-
phetischem Tone) werde es noch länger so fort gehen, so wür-
den die schrecklichen Strafgerichte des Herrn ohne Schonung in
Bälde hcreinbrcchen.
Zum Glück jedoch für das ohnedies noch sehr bigottische,
michelhafte N.-G. wurde er bald als Caplan nach L. in den
Odenwalde gewiestn.
Der katholische Geistliche aber in N.-G. hat dadurch, daß
er Nicht weniger als drei Haus- und ... hälteriuen (oder
wie man sie noch nennen mag) aus dieser Gemeinde bei sich
hat, (wovon keine das kanonische Alter besitzt und die Aclteste
mit einem Knaben, jedoch nicht nach Hymens Wunsch, beglückt
ist) seinen Einfluß durch seine Schwäger, Vetter rc. nebst noch
mehreren von diesen aufgehetzten dornirten Köpfen beider Con-
fessionen, den dortigen Lehrer fühlen lassen. —
In dem hier dem Volke Uebergebcnen ist nichts Uebcr-
triebenes. Im Gegentheil! Jeder, der nach N.-G. kommt,
kann es hören und sehen. Die dortigen Leute aber sehen und
hören noch viel Anderes dazu, denken aber nicht daran, daß

cs anders sein könnte, oder anders sein sollte. O möch?
doch einmal die blinde Michelhaftigkeit, wovon noch so Viele
im Volke behaftet sind, verschwinden! Möchte doch jetzt bald
das gesammte Vock erkennen, daß ihm, um seine Wohlfahrt
für die Zukunft zu gründen, gegenwärtig nichts von größerer
Wichtigkeit sei, als nach Aufklärung, nach tüchtiger Volks-
bildung, als eben darnach zu streben, was solchen Dunkel-
männern ein Dorn im Auge ist. Ja, liebes Volk! strebe
nach Aufklärung! Schließe dich aus vollem Herzen den Be-
strebungen der bessern Neuzeit, den Bestrebungen nach Wahr-
heit, Freiheit und Licht an! Höre nicht auf solche, die diese
Bestrebungen verdächtigen, als verderbenbringend bezeichnen;
denn sie wollen dadurch dich verderben und habe Muth und
Ausdauer in dem Kampfe um den Sieg der Wahrheit und
Freiheit gegen Dummheit und Knechtschaft!

Tagesbericht aus Deutschland.
Karlsruhe, 8. Okt. Die morgen wieder zusammen-
tretende 2. Kammer wird außer dem Gesetze über die Ein-
führung des Geschwornengerichts auch ein neues Pensions-
Gesetz verhandeln.
In dem Diener-Edikt vom Jahr 1819 (§. 6.) ist be-
stimmt, daß jeder Slaatsdiener, der in der Zeit vom zurück-
gelegten 5. bis zum vollendeten 10. Dieustjahre pensionirt
wird, einen Abzug von 30 Prozent an dem Gehalte, den er
zur Zeit der Zuruhesetzung bezog, erleide, und daß sich dieser
Abzug mit jedem weiteren Dieustjahre um 1 Prozent vermin-
dere, so daß mit zurückgelegtem -10. Dienstjahre jede Schmä-
lerung deö Gehalts aufhört, wenn, dieser die Summe von
4000 fl. nicht übersteigt, über welches Marimum der Ruhe-
gehalt nur im Weg der Gnade erhöht werden könne.
Das Finanzgesetz vom 31. Dezember, beziehungsweise
das Gesetz vom 31. August 1844, änderte das Diener-Edikt
ab, indem es verordnete, daß von Besoldungen und Zulagen,
welche seit dem 1. Januar 1832 verliehen worden sind oder-
verliehen werden, bei Ermittelung der Pension ein Fünftel
außer Rechnung zu lassen sei, mit Ausnahme der Besoldungen
bis zu 000 fl.
Dieses letzte Gesetz erlischt mit Ablauf des Jahres 1848
und die großherzogliche Regierung hat den Ständen schon un-
term 31. Dezbr. v. I. einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt,
welcher bestimmt:
1) daß sowohl die pensionirten Beamten ihre Bezüge un-
geschmälert erhallen sollen, als auch die bereits angestellten
noch aktiven StaatSdicuer mit den ihnen bereits verliehenen
Gehalten nach den allen Bestimmungen pensionirt werden sol-
len, soweit sie ihnen günstiger sind als die neuen.
2) daß fürderhin gleichmäßig von 50 Prozent der Be-
soldung und vom 11. Dienstjahre an der Ruhegehalt jährlich
um 1V§ Proz. steigen solle, jedoch so, daß 4000 fl. oder 95
Proz. den höchsten Satz bilden sollen.
 
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