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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0553

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s Mi.

Mittwoch, 13 September.

1848.

Die deutsche Nationalversammlung und die
Republik.
(Mannh. Deutscher Zuschauer, Nr. 10.)
Wer der Nationalversammlung den Vorwurf machen wollte,
sie sei nicht revolutionär und führe nicht zur Republik, der
würde ihr gewaltig Unrecht thun; wer aber glaubt, die Na-
tionalversammlung wisse, was sie thuc, der würde keinesfalls
den Namen eines glücklichen Beobachters verdienen. Das
Wichtigste von der Sache ist indessen allein die unleugenbare
Thatsache, daß die Nationalversammlung durch ihre Existenz
schon die Gewalt der Revolution wach erhält, und eine totale
Reaktion unmöglich macht. Darum mögen wir derselben ihr
ewiges fruchtloses Geplauder zu Gute halten, die Diäten der
Volksvertreter trotz diesem Geplauder willig neben den 34 Ci-
villistcn :c. bezahlen, und die sonst in der Politik höchst un-
fruchtbare Lehre von der vergebenden Liebe im Hinblick auf
ihre Unwissenheit noch einmal gelten lassen.
Hat doch auch unsere Revolution kaum etwas Besseres
verdient, als eine Spinnstube. Statt daß wir rasch und ent-
schieden den großen Kaiserschnitt gcthan, und unser schönes,
großes Vaterland ein - für allemal von den sieben Todsünden
des staatlichen Lebens befreit hätten, statt daß wir uns die
Souveränetät ein wenig näher besehen und fester ungezogen
hätten, statt dessen ließen wir uns durch listige und gewissen-
lose Diplomaten an der Nase herumführen und jauchzten da-
rüber, daß wir uns einmal souverän nennen durften, ohne
den Criminalvrozeß und die liebende Staatsgerechtigkcit fürch-
ten zu müssen. Um den Ruhm zu genießen, fein ordentlich
und in möglichster Schonung des schändlichsten historischen Un-
rechtes zu revolutioniren, wollten wir ein Gebäude aufbaucn,
während wir die alten Staatsgebäude noch eristiren ließen,
beauftragten wir einige Künstler oder s. g. Künstler, einstwei-
len einen Riß zu fertigen, und verdammten uns selbst dazu,
einstweilen in den alten Löchern zu sterben und zu verderben,
aus lauter Angst, daö Bischen Regen möge uns schädlich wer-
den , wenn wir einmal an die freie Luft kämen.
So mögen wir denn die Nationalversammlung, welche
diesem Geiste treu geblieben, nicht zu strenge verurtheilen, bis
wir uns selbst aus der alten Schlafseligkeil emporgerüttelt und
zur männlichen entschlossenen Haltung aufgeweckt haben. Be-
darf es doch auch hiefür keiner so gar bedeutenden Anstreng-
ung, vielmehr nur einer richtigen Auffassung unserer Lage und
des ruhigen Beharrens in derselben.
Jeder irgend kräftige Schritt, jeder die Ehre und die
Rechte der Nation auch nur im Entferntesten wahrende Be-
schluß der Nationalversammlung ist eine Minderung der fürst-
lichen Gewalt, weil er vom Volke ausgeht und Gehorsam
verlangt, ohne die Fürsten um Erlaubniß zu fragen; die Für-
sten haben aus diesem Grunde auch gegen jeden Beschluß der
Nationalversammlung ihr offenes oder geheimes Veto eingelegt,
und werden in dieser Bahn fortfahren; mag es nun immerhin
angehcn, daß dieser ruhig feindliche Zustand zwischen dem

Volke und den Fürsten während der ganzen Session der Na-
tionalversammlung andauert, ohne es zu einem förmlichen
Bruche, zu einer gewaltsamen Neaction und totalen Revolu-
tion kommen zu lassen, mögen sogar die von der National-
versammlung gegenüber den rebellischen Fürsten zu ergreifen-
den Maßregeln eine solche offen feindliche Stellung vermeiden
lassen, der lange hinausgeschobene Tag muß doch endlich ein-
mal kommen, in welcher eine auch nur einigermaßen freie
Verfassung die Fürsten zur letzten Anstrengung bringen und
dem ganzen Volke dadurch tie Nothwendigkeit ihrer Vertrei-
bung offen darlegen wird. In jenem Moment ist ohnedem
de» revolutionäre Zustand Deutschlands wieder hcrgestellt, und
die Nation hat in demselben unmittelbar von Neuem zu han-
deln. Die Nationalversammlung hat sich bisher als constitui-
rende, das ist als eine verfafsungsbeschließende angesehen; sie
hat die Kraft der eigentlichen Negierung aus den Händen ge-
geben, und zwar für die Dauer ihrer eigenen Wirksamkeit.
Wie nun, wenn also die Verfassung gegeben, wenn also die
von der Nationalversammlung sich selbst gestellte Aufgabe voll-
endet ist, wenn damit zu gleicher Zeit die previsorische Cen-
tralgewalt außer Kraft tritt? Wer wird dann dafür sorgen,
Paß die Verfassung auch ins Leben geführt werde, wer wird
die Kraft dazu besitzen, wer wird nötigenfalls die Erccutions-
armee des Volkes gegen die Fürsten berufen und leiten? —
Denn daß man diese Aufgabe dem neuen Bundestage über-
lassen wird, daran wollen wir doch nicht denken, obgleich jetzt
zur Zeit den Negierungen der Fürsten die Hoffnung gar nicht
ferne sein mag, daß dieses liebenswürdige Institut gerade in
jener Zeit von unbezahlbarem Wcrthe sein durfte. Die Frage
löst sich ganz leicht: entweder erklärt sich alsdann die Natio-
nalversammlung für berechtigt, -die Verfassung selbst ins Lebe«
zu führen und wird alsdann eine instituircnde, oder sie pro-
longirt der provisorischen Centralgewalt Leben und Thätigkeit
bis nach erfolgter Einführung und überträgt ihr die nöthige
Erecution, und dann ist eö wieder ein sogen, kühner Griff,
zu dessen Anerkennung die Fürsten, wie eö jetzt den Anschein
hat, nicht gar zu bereitwillig sein dürften; oder aber die Na-
tionalversammlung und die Ccntralgewalt lösen sich auf, dann
muß sich alebald eine neue revolutionäre oder vielmehr eine
improvisirte gesetzliche Macht bilden und die Verfassung ein-
führen, oder endlich es geschieht von dem Allem nichts, dann
muß daö Volk sich selbst erheben; wir haben aber in allen die-
sen Fällen die alte Revolution, welche nur um so energischer
auftrctcn wird, als die Neaction in ihrer Opposition gegen
die gesetzmäßige Verfassung des Volkes selbst von einem Dr.
Eisenmann nicht mehr geleugnet werden könnte; daß aber die
energische Revolution nichts anderes thun kann, als die Für-
sten verjagen, welche sich gegen die Einheit und Freiheit des
Vaterlandes stemmen, das bedarf doch wohl keiner besonderen
Deduktion. Ist dies aber geschehen, dann wird gerade, das
umgekehrte Vcrhältniß für die Staatskünstler cintreten, sie
werden dann keine Bausteine für die konstitutionelle Monarchie
mehr finden, und die Republik wird sich von selber machen.
 
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