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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0137

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Die Republik erscheint
täglich. Preis in Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden I fl.
10 kr. Bei Inseraten kostet
die drcispalt. Petitzeile 2kr.

Die Republik.

Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden fraukirt erbeten-

KL A2. Freitag, S. Mai.

1848


Eine Stimme aus Chur-Pfalz.

Täglich ziehen auf den Ruf des Fünfzigerausschuffes und
des reorganisirten Bundestages neue Truppen nach unfern
und den schönen unglücklichen Thälern des Schwarzwaldes.
Sind wir doch immer die Ersten gewesen, so oft ein feindlicher
Angriff aus Westen gedroht, die das Glück hatten, die Gräuel
des Kriegs auf ihre Fluren versetzt zu sehen, und sind die
Wunden noch nicht völlig geheilt, die uns der letzte Krieg,
zwischen dem und Jetzt 33 Friedensjahre liegen, geschlagen
hat; so sind wir es auch diesmal wieder, die die ersten sau-
ren Pillen verschlucken müssen, welche die Quacksalber in der
deutschen Politik dem deutschen Volke zur Genesung bereitet.
So oft wir-auch nach der Ursache der militärischen Besetzung
unseres Landes mit einer so ungeheueren Truppenmacht for-
schen, so bleibt uns dieselbe immer ein Räthsel, das nur die
Zeit zu lösen vermag. Denn ein Anstoß von Westen war,
und ist auch nach allen Versicherungen der jenseitigen Regie-
rung nicht zu erwarten; und zum Beweise dafür dient uns,
daß die Grenzen unserer Nachbarn bisher gänzlich von Trup-
pen entblößt waren; soll aber die Schilderhebung Hecker's,
dessen Schaar nie über 3000 schlecht bewaffnete Männer stieg
die Ursache sein, 50 bis 60,000 Mann wohlorganisirter
Truppen gegen ihn zu schicken, so müssen wir gestehen, daß
wir darin einen großen Widerspruch finden gegen manches
Andere, was seit 6 Wochen in Deutschland geschehen ist.
Oesterreich und Preußen, die bisher in despotische Staats-
formen eingezwängt waren, errangen sich mit dem Schwert in
der Hand, die Constitution, und es ist Niemand eingefallen,
ihnen zuzurufen: „Ihr müßt warten, bis das Parlament in
Frankfurt über euer Schicksal entscheiden wird." Sie schufen
sich das, was die Mehrheit des Volks verlangte und wofür
sie nöthigenfalls Gut und Blut in die Schanze zu schlagen
bereit war, ohne Rücksicht, wie und auf welche Grundlagen
eine künftige Vereinigung Deutschlands zu Stande komme.
Ebenso hat Baiern, Nassau und die beiden Hessen einen ent-
schiedenen Schritt aus einem scheinkonstitutionellen in ein wirk-
lich-konstitutionelles Leben gcthan, und mit Gewalt die alten
Formen zertrümmert, die dasselbe umgaben; es ist aber keinem
Nachbarstaat eingefallen, dagegen nur eine Mißbilligung aus-
zusprechen, am wenigsten mit Truppen zu intervcmren; und
zwar darum, weil die Mehrheit des Volkes jener Staaten
sich für diese Reformen aussprach. Baden, ebenfalls ein
souveräner Staat, und schon lange auf wirklich konstitutionellem
Boden sichend, also in Folge dessen an politischer Bildung
weiter vorgeschritten, war demnach ebenfalls berechtigt, eine

Staatsform einzuführen, die dem politischen Standpunkte des
Volkes angepaßt und von der Mehrheit desselben sanktionirt
war. Diese Mehrheit sprach sich aber in jener Zeit, als die
anderen Staaten ihr Regierungesystem änderten, ganz unzwei
demig für eine republikanische Regierungsform aus. Erst als
das Vorparlament in Frankfurt, um die Einheit Deutschlands
zu erzielen (?), diese Form, als die Harmonie des Ganzen
störend, erklärte, schien in Baden diese Ansicht ebenfalls
Eingang zu gewinnen. Als die Schilderhebung Heckers im
Obcrlande erfolgte, die wir als unzeitig unternommen, eben-
falls mißbilligen, wäre eine Appellation an die Mehrheit das
Mittel gewesen, jedes Blutvergießen zu verhüten. Hätte die
Mehrheit sich noch für die republikanische Form ausgespro-
chen, so war sie in demselben Rechte wie Oesterreich und Preu-
ßen, sich das anzueignen, was ihr gut schien. Hätte sich aber
die Mehrheit gegen die Republik ausgesprochen, so hätte sich
die Minderheit dem Beschluß fügen müssen, da sie dann der
gesetzlichen Gewalt gegenüber gestanden hätte. Diese Abstim-
mung ist aber versäumt, oder wie uns scheint, vereitelt wor-
den, und wir haben die unglückseligen Folgen gesehen.
Was aus unserer deutschen Einheit wird, ruht noch im
Schoose der gewitterschwangern Zukunft; die neue gesetzliche
Gewalt, ihren Centralpunkt in dem Ausschuß der Fünfziger
habend, hat bisher über uns geherrscht; ob aber mit Gerech-
tigkeit, wollen wir ihr zu bedenken geben; wir finden es z. B.
sonderbar, daß man die für die Freiheit hochbegeisterten Män-
ner im Oberlande, die aus Liebe (und sollte sie auch cine
mißverstandene sein) für ihr Vaterland Gut und Blut wag-
ten, weil sie sich dem Willen der Mehrheit in Frankfurt nicht
untcrordnete, mit Kartätschen zu Paaren trieb, während man
dem Wiener Kabinet, das offen erklärte, daß es sich unter ge-
wissen Umständen derselben Mehrheit nicht fügen werde, mit
einer friedlichen Note antwortete. Wir können ferner nicht in
Einklang bringen, daß man die deutschen Brüder, die bei uns
wohnen und nicht badische Staatsbürger sind, von der
Berechtigung zur Parlamentswahl ausschloß, nnd Männer aus
Mannheim als „deutsche Ausländer" (!!) verwies, während
man es uns von gewisser Seite sehr übel nahm, daß wir uns
gegen die „deutschen Brüder" verwahren wollten, in denen
wir zwar keine Feinde erblicken, wohl aber im Voraus wuß-
ten, daß sie unscrn materiellen Nochstand wesentlich vermehren
würden.
Wir wollen nicht mit Denen rechten, die die Einheit und
künftige Größe Deutschlands im Frühlingsgewand erblicken,
und von der Sonne der Täuschung geblendet, sorglos über
das Schicksal ihres Vaterlandes sind; wir können nicht sorglos
sein, wir befürchten Alles.
 
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