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Die Republik — 1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.44147#0697

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Erscheint Montags ausge-
nommen täglich. In Heidel-
berg vierteljährig 45 kr.
Durch die Post bezogen im
ganzen Großh. Baden I fl.
ll> kr. Bei Inseraten kostet
die dreispalt. Petitzeile 2kr.

M- 172.



Bestellung wird gemacht in
Heidelberg in der Buch-
druckerei von Renner u.
Wolff und bei Kaufmann
Berner; auswärts bei
allen Postämtern. Briefe
werden frankirt erbeten.

Mittwoch, 2 ». Oktober.

1848.

Wie» geht durch das Zögern verloren.
Wir haben gestern schon darauf aufmerksam gemacht, wie
durch das lange HinauSziehen und Unterhandle!! und durch
den geschwätzigen Reichstag dir Sache des Volkes in Wien
in Gefabr sei, und heute sind wir schon in der Lage, schlimme
Folgen dieses Zögerns mittheilcn zu können: Die ungarische
Armee, die schon bis Petronella vorgerückt war, aber keine
Aufforderung, weder vom Reichstag, noch vom Gemeinderath
Wiens erhielt, weiter vorzugehen und den Wienern zu Hilfe
zu eilen, zog sich abermals an die Grenze zurück, mit der Er-
klärung, daß sie bereit sei, auf jede Aufforderung des Reichs-
tags oder der Stadtbehörde vorzurücken.
Das Volk ist mit den Beschlüssen der Abgeordneten gar
nicht einverstanden. Es ist der Adressen, welche theils keiner
Antwort gewürdigt, theils ausweichend und ungenügend crwic-
dert werden, müde; laut ruft Alles nach einer Vermittelung
mit dem Schwerte! — Der Beschluß des Reichstages,
daß die Organisirung des Landsturmes nicht nothwenbig sei,
brachte eine eigene Stimmung hervor, der wir noch keine Be-
deutung geben wollen, und nur bemerken, daß es sehr gut
wäre, wenn der Reichstag von seinem Entschlüsse, mit dem
Volke zu siegen oder zu sterben, nicht gar so offenbar abwei-
chen würde. Besonders erheben sich Stimmen gegen den Abg.
Schuselka, der mehrere Anträge stellte, die aber nicht sehr Volks -
thümlich scheinen.
Die Verhältnisse konnten gar nicht günstiger für das
Volk stehen und noch ist cs Zeit. Noch sind die Ungarn be-
reit, für Wien in den Kampf zu treten, und ihr, ihr zögert!
Sollte Wien auf die Hülfe der Ungarn verzichten, so werden
diese auf eigne Faust den Freiheitökampf weiter führen. Die
deutsche Allg. Ztg. sagt darüber :
Die raitzische Insurrektion hat auch in den letzten Tagen
wenig abgenommen, und die Nachrichten aus Siebenbürgen
lauten noch immer nicht beruhigend. Dies, verbunden mit den
unentschlossenen, ja zweideutigen Schritten des Wiener Reichs-
tags und der unbändigen Kriegolust der Kamarilla hat die
ungarische Negierung veranlaßt, die ungar. Armee, welche in
Verfolgung dcö fliehenden Jellachich die österreichische Grenze
überschritten, zu r ü ck z u b e ru fen. Ungarn wird in seiner
Defensivstellung beharren. 100 Bataillons Nationalgarden
werden neu mobilisirt. Die Nekrutirungcn haben einen solchen
Fortgang, daß in vielen Komitaten die gesetzmäßige Zahl der
Rekruten bereits verdoppelt ist. Der General Thevdorowich,
welchen Jellachich mit 8000 Mann und 6 Kanonen zur Dek-
kung seines Rückzugs im Wieselburger und Eiscnburger Comi-
tat zurückgclassen, wurde von den Ungarn total geschlagen.
Ein Theil der zersprengten Truppen wurde bereits eingefan-
gen. Diele irren flüchtig umher.
Lasset euch die Ungarn als Vorbild dienen, ihr Wiener,
dann steht es gut um Eure Sache. —

Tagesbericht aus Deutschland.
ff Heidelberg, 24. Okt. Gestern kam eine Abtheilung
hessische Truppen hier durch und heute wird wieder eine be-
deutende Abtheilung erwartet. Wie man hört soll auf ein
freundliches Schreiben der republikanischen Negierung Frank«
reichs, in dem es hieße: „wenn Baden nicht sofort von allen
fremden Truppen geräumt würde, man dies als einen Grund
zum Krieg betrachte", die Ursache sein, daß alle sogenannten
Neichetruppen uns verlassen. Wie nöthig dies wäre, bewies
uns die Aussage der Soldaten, die gestern hier waren. Man
erzählte uns, im Oberlande sei unter vielen Bauern eine so
ungeheuere Armuth vorhanden, daß sie zum Theile kaum Kar-
toffeln gehabt, um die Einquartirten zu speisen. Einzelne Fa-
milien hätten den Tag über auf den geräumten Kartoffelfeldern
das zusammensuchen müssen, was sie des Abends genießen
wollten. O es kommt noch immer besser.
Rheinhessen wird jetzt auch mit Reichstruppen beglückt
weil die Leute die Steuern nicht bezahlen können. Ein recht
praktisches Mittel, den Wohlstand im Volke zu heben, und doch
sind die Wühler an Allem Schuld!
— Wir haben in einem unsrer letzten Blätter von der
Rede des Abgeordneten Bassermann, die er gegen die Mit-
glieder dcr Linken hielt gesprochen. Wir haben zugleich mit-
getheilt, daß dieses „Meisterstück" zur größern Belehrung des
Volks besonders abgedruckt und unentgeldlich vcrtheilt wurde.
In jener Rede hieß es: „Es ist Thatsache, daß die Banden,
die am 18. September hierher zogen, gerade die linke Seite
zur Herrschaft bringen wollte; daß auf der Volksversammlung
zu Köln, wo man die Mörder Aueröwalds und LichnowSky's
hochleben ließ, das zweite Hoch der Linken galt." Zur noch
größern Belehrung des Volks theilcn wir mit, daß, nach ei-
nem Schreiben aus Köln, jene Versammlung schon am 17.
Sept, abgehalten und am 18. erst Lichnowsky erschossen wurde,
daß also Bassermanitts Erzählung nicht eine Thatsache, son-
dern eine Lüge ist. Solche Mittel also benützt man, um un-
sere Volksmäuner in der öffentlichen Meinung herabzusetzcn?
Pfui, Schämt Euch!
* Heidelberg, 24. Okt. Die Erziehung ist bei dem
Menschen Alles. Wie er erzogen ist, so ist er. Laßt Euere
Kinder von den Pfaffen erziehen, gewöhnt sie von Kindheit
auf an den Druck der Knechtschaft, so habt Ihr Menschen, wie
das vergangene Jahrhundert sie uns lieferte. — Oder lernt
Eure Kinder von Jugend auf denken, denken über alles was
ihnen vorkommt, erklärt ihnen, den für Alles Empfänglichen,
die Erscheinungen der Natur, haltet streng allen unsinnigen
Aberglauben fern von ihnen, und saget ihnen, daß sic freige-
borene Menschen sind, und Ihr erzieht Euch Männer, die die
Neuzeit verstehen, und die fähig sind, im Sturm der Zeit mit
voranzueilen.
Von allen deutschen Ländern ist wohl Tirol in dieser Be-
ziehung das verkommenste. Mit Pfaffen übersäet, ist es ss
 
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